Unter­neh­mens­stand­ort besonders ent­schei­dend

In krisenhaften Zeiten ist ein klares Stärkeprofil vom Unternehmensstandort besonders entscheidend: günstige Miet- und Arbeitskosten machen Unternehmen rentabler.
Michael Kropiunig, Herbert Ritter und Hannes Schreiner (v.l.n.r.) zum Thema Unternehmensstandort. Credit: Foto Fischer.

Schwächen wird man im inter­na­tio­na­len Wett­be­werb hoch­ver­zinst bezahlen. Experten schlagen aufgrund recht­li­cher Schikanen für Unter­neh­men aber Alarm. Für den Erfolg eines Unter­neh­mens ist der richtige Unter­neh­mens­stand­ort von ent­schei­den­der Bedeutung. Er kann viele Faktoren beein­flus­sen, wie bei­spiels­wei­se die Kun­den­zahl, die Ver­füg­bar­keit von Arbeits­kräf­ten und die Wett­be­werbs­fä­hig­keit. Mehrere Kriterien sollten also berück­sich­tigt werden, wie z.B. die geo­gra­fi­sche Lage, die Ver­füg­bar­keit von Roh­stof­fen und Ener­gie­quel­len, die Nähe zu Kunden und Lie­fe­ran­ten, die Ver­kehrs­in­fra­struk­tur, die recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen, die Steu­er­si­tua­ti­on und die Kosten für Miete, Energie und Arbeits­kräf­te.

Zugang zu Mit­ar­bei­tern, Roh­stof­fen und Kunden

Ein Standort mit guter Ver­kehrs­an­bin­dung und Zugang zu wichtigen Roh­stof­fen oder Kunden kann bei­spiels­wei­se die Logistik und Pro­duk­ti­on erleich­tern und somit die Effizienz und Wett­be­werbs­fä­hig­keit steigern. Ein Unter­neh­mens­stand­ort mit günstigen Miet- und Arbeits­kos­ten kann dazu beitragen, dass das Unter­neh­men rentabler ist. Es ist auch wichtig, die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung und die poten­zi­el­le Zukunfts­aus­sich­ten des Stand­or­tes zu berück­sich­ti­gen, um sicher­zu­stel­len, dass das Unter­neh­men lang­fris­tig erfolg­reich bleibt.

Wie geht es dem Standort in den aktuell tur­bu­len­ten Zeiten? Kann die Stei­er­mark Krise?

HERBERT RITTER: Es ist eine neue Zeit mit neuen Her­aus­for­de­run­gen, an die wir uns anpassen werden. Schwie­ri­ge Zeiten haben immer Neues bewegt und einen Schritt nach vorne ermög­licht. Es geht immer darum, Tech­no­lo­gie und Inno­va­tio­nen vor­an­zu­trei­ben. Wir haben eine starke Auto­in­dus­trie, Welt­markt­füh­rer in Teil­seg­men­ten der Chip­in­dus­trie, haben hoch­tech­no­lo­gi­sche Unter­neh­men im Bereich der Logistik, die an der globalen Spitze sind. Da haben wir in den letzten 30 Jahren schon einiges bewegt und sind auch in der aktuellen Situation gut auf­ge­stellt.

Aber man hört bran­chen­über­grei­fend Stöhnen und Klagen ob der Dramatik am Ener­gie­markt.

RITTER: Tat­säch­lich ist das Ener­gie­the­ma das massivste, das wir derzeit haben – auch, weil wir es nicht beein­flus­sen können. Für ener­gie­in­ten­si­ve Pro­duk­tio­nen ist die Situation sehr kritisch. Da werden sich sehr viele einen Plan B überlegen müssen, weil es sonst exis­tenz­ge­fähr­dend sein kann.

MICHAEL KROPIUNIG: Gerade bei mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men wird das Ener­gie­the­ma ein gewal­ti­ges Problem werden. Die meisten Unter­neh­men haben zwar bis Ende des Jahres gebundene Ener­gie­prei­se, aber im nächsten Jahr werden die Kosten um das Drei- bis Vierfache steigen. Die Frage ist, wie viel man davon an den Kunden wei­ter­ge­ben kann und inwieweit Groß­un­ter­neh­men bereit sind, ihre Zulie­fe­rer zu stärken.

Was braucht ein Wirt­schafts­stand­ort generell, damit er pro­spe­rie­ren kann, und bietet die Stei­er­mark dieses Umfeld?

RITTER: Vor allem braucht es ein unter­neh­me­ri­sches Umfeld und Menschen, die bereit sind unter­neh­me­risch zu handeln. Das ist die Grun­din­gre­di­enz. Zusätz­lich müssen aber auch andere harte und weiche Stand­ort­fak­to­ren erfüllt sein. Dazu gehören top­qua­li­fi­zier­te und moti­vier­te Mit­ar­bei­ter, eine moderne und wirt­schafts­af­fi­ne Ver­wal­tung ebenso wie eine mul­ti­mo­da­le Ver­kehrs­in­fra­struk­tur, die sowohl den Indi­vi­du­al- und öffent­li­chen Verkehr als auch den Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie­be­reich beinhal­tet.

HANNES SCHREINER: Die große Gefahr für den Standort Stei­er­mark ist, dass wir tech­no­lo­gisch nicht up to date bleiben. Es braucht eine Stärkung der Aus­bil­dung. Der Fokus muss auf Forschung und Ent­wick­lung liegen. Und es braucht zügige Behör­den­we­ge.

KROPIUNIG: Lange Bewil­li­gungs­ver­fah­ren sind ein bun­des­wei­tes Thema. Parallel wird pro­pa­giert, man müsse in Umwelt­tech­no­lo­gien inves­tie­ren. Da muss man sich aber UVP-Verfahren anschauen – und wie lange sie dauern. Ein Unter­neh­men, das Hun­dert­tau­sen­de Euro in ein UVP-Verfahren inves­tiert, um nach acht Jahren zu erfahren, dass es nicht geht, wird es sich nicht noch einmal antun.

Wo gibt es den Fla­schen­hals? Was müsste sich ändern?

KROPIUNIG: Wenn man Unter­neh­mer und Private dazu bringen möchte, auf Alter­na­tiv­ener­gien umzu­stel­len, dann muss man es ihnen auch ermög­li­chen. Das heißt, man müsste die Gesetze einmal durch­fors­ten und schauen, was sie überhaupt zulassen. Die juris­ti­sche Realität hinkt da der poli­ti­schen Insze­nie­rung hin­ten­nach. Mitt­ler­wei­le bieten Par­tei­en­rech­te so viele Mög­lich­kei­ten, ein Projekt zu boy­kot­tie­ren, dass man Unter­neh­mer zur Ver­zweif­lung bringen kann. Bis sie irgend­wann sagten, sie inves­tie­ren nicht mehr.

SCHREINER: Das Problem ist, dass es nicht mehr abschätz­bar ist.

KROPIUNIG: Da wird man sich seitens der Politik überlegen müssen, welche Inter­es­sen ihr wichtiger sind bezie­hungs­wei­se wie man einen Ausgleich schaffen kann, damit Unter­neh­men grüne Tech­no­lo­gien ent­wi­ckeln und inves­tie­ren können.

RITTER: Es kostet ja viel mehr als das verlorene Geld eines abge­lehn­ten Projekts. Man muss einen Plan B mit­fi­nan­zie­ren. Zusätz­lich erschwert werden Projekte durch den Umstand, dass sich Kli­ma­schutz und Umwelt­schutz auch durchaus wider­spre­chen können.

Was heißt das für den Unter­neh­mens­stand­ort?

RITTER: Ich habe die größte Sorge, dass wir es in den nächsten Jahren nicht schaffen werden, das gesetz­li­che Umfeld so zeitgemäß anzu­pas­sen, um in Öster­reich die Vor­aus­set­zun­gen zu schaffen, für große inter­na­tio­na­le Betriebe weiterhin ein inter­es­san­tes Umfeld zu bieten.

SCHREINER: Ich hatte so einen Fall: Ein inter­na­tio­na­ler Konzern aus dem Bereich IT-Software war auf der Suche nach einem Unter­neh­mens­stand­ort für 250 Mit­ar­bei­tern in Graz. Es ist nur um den Faktor Zeit gegangen. Er kam dann leider nicht. Auch habe ich erlebt, dass es für ein Bau­pro­jekt 68 Ein­sprü­che gab, mit dem aus­schließ­li­chen Ziel, das Projekt zu verzögern. Wenn man heute als Immo­bi­li­en­ent­wick­ler ein Grund­stück kauft und in zwei Jahren einen Spa­ten­stich zusam­men­bringt, kann man schon ein Stadtfest ver­an­stal­ten. Klar gibt es nach­bar­schaft­li­che Rechte, die Frage ist aber, wie wir in den Bal­lungs­zen­tren damit umgehen.

Als eine Alter­na­ti­ve wird auf Technologie‑, Gewerbe‑, Gründer- und Büroparks in den Randzonen von urbanen Bal­lungs­räu­men gesetzt. Was hat ein Unter­neh­men davon, wenn es dort seinen Unter­neh­mens­stand­ort hat?

RITTER: Firmen wird die gesamte Infra­struk­tur zu einem adäquaten Preis zu Verfügung gestellt. Der Vorteil: Vie­ler­orts gibt es auch eine örtliche Ver­net­zung mit For­schungs­ein­rich­tun­gen, vor allem aber mietet man – vom Büro bis zur Pro­duk­ti­ons­hal­le – nur das, was man wirklich braucht und bleibt am Unter­neh­mens­stand­ort flexibel. Das hilft gerade beim Auf- und Ausbau einer Firma, weil wenn man selbst inves­tie­ren müsste, bleibt immer die Frage, in welcher Dimension: Baut man zu groß, entstehen Kosten, die einen umbringen. Wenn man zu klein dimen­sio­niert, muss man binnen kürzester Zeit wieder nach­bes­sern. Und die Ver­la­ge­rung an die Stadt­rän­der bezie­hungs­wei­se ins Umland ist den knapper werdenden Flächen in den urbanen Räumen sowie raum­ord­nungs­tech­ni­schen Nut­zungs­kon­flik­ten geschul­det. Aber der Unter­neh­mens­stand­ort der Tech­no­lo­gie­parks hat natürlich auch mit dem Zugang zur höher­ran­gi­gen Infra­struk­tur zu tun. Daher ist es immens wichtig, dass wir sowohl das Straßen- als auch das Schie­nen­netz in der Stei­er­mark ständig erneuern und ver­bes­sern.

SCHREINER: Aber es fehlt ein Mas­ter­plan der öffent­li­chen Stellen für die Ver­kehrs­ent­wick­lung bis 2050. Statt­des­sen wurden Bahn­aus­bau­ten ver­scho­ben, Planungen wieder zurück an den Start geschoben. Wo setzt man da als Immo­bi­li­en­ent­wick­ler an, der das unter­neh­me­ri­sche Risiko eingeht, Millionen inves­tiert und Arbeits­plät­ze schafft. Wir ent­wi­ckeln ja Lebens­räu­me für Gene­ra­tio­nen?

Im Großraum Graz scheint es dennoch zu funk­tio­nie­ren. Aber bleibt nicht der Rest des Landes auf der Strecke? Wie kann man diesem Szenario ent­ge­gen­wir­ken?

RITTER: Da gibt es in der Ober­stei­er­mark mit der Initia­ti­ve „Kraft. Das Murtal“ ein her­vor­ra­gen­des Beispiel. Dort haben das Maschi­nen­bau­un­ter­neh­men Hage und andere Betriebe eine Koope­ra­ti­on mit der Fach­hoch­schu­le Campus02 gestartet und eine FH-Außen­stel­le gegründet. Jetzt kann man in Obdach eine Aus­bil­dung für Auto­ma­ti­sie­rungs­tech­nik machen. So kann der Unter­neh­mens­stand­ort jungen Menschen vor Ort eine beruf­li­che Per­spek­ti­ve, sodass sie nicht abwandern müssen. Diese Wirt­schafts- und Tech­no­lo­gie­parks sind wesent­li­cher Teil einer ganz­heit­lich aus­ge­rich­te­ten Regio­nal­po­li­tik. Wir sehen, dass wir neben den urbanen Bal­lungs­räu­men Graz und Leoben-Bruck in den Regionen vor allem in den regio­na­len Zentren noch Potenzial für einen weiteren Ausbau haben. So wird nach und nach jedes Unter­neh­men zu ihrem optimalen Unter­neh­mens­stand­ort kommen.

KROPIUNIG: Es braucht aber auch in den Regionen und Bezirks­städ­ten ein ent­spre­chen­des soziales Umfeld mit Schulen und einem Woh­nungs­an­ge­bot, um bei­spiels­wei­se aus­län­di­sche Experten halten zu können. Diese Arbeits­kräf­te wären für die Regionen und deren Belebung sehr wichtig. So aber wird der Großraum Graz immer größer.

Auf orga­ni­sa­to­ri­scher Ebene setzt die Stei­er­mark seit Jahren auf Clus­ter­struk­tu­ren zur Netz­werk­ver­dich­tung. Ist das noch zeitgemäß?

RITTER: Diese Strategie ist nach wie vor wesent­lich, da es ohne Netzwerke und kritische Massen nicht gelingen kann, in einem globalen Markt zu bestehen. Durch Cluster und Netzwerke ergeben sich erst Mög­lich­kei­ten, Ska­len­er­trä­ge zu nutzen oder soge­nann­te „Spillover“-Effekte zu gene­rie­ren. Damit meine ich, dass dadurch auch kleinere Unter­neh­men die Mög­lich­keit haben, im Sog der Leit­be­trie­be mit­ge­zo­gen zu werden – etwa in Bezug auf Fach­kräf­te oder unter­neh­mens­be­zo­ge­ne Infra­struk­tur­ein­rich­tun­gen. Höhere Fer­ti­gungs­tie­fen, Just-in-time-Pro­duk­ti­on sowie höher­wer­ti­ge und technisch aus­ge­feil­te­re Produkte sind die Folge. Nicht umsonst sind viele stei­ri­sche Firmen Hidden Global Champions in unter­schied­lichs­ten Branchen und Tech­no­lo­gie­be­rei­chen. Ohne die Cluster- und Netz­werk­kul­tur, die auch auf enge Koope­ra­tio­nen mit den Uni­ver­si­tä­ten und FHs setzt, wäre dies nicht möglich.

Was ist Ihrer Meinung nach die vor­dring­lichs­te Maßnahme, die es jetzt für den Unter­neh­mens­stand­ort vieler Firmen brauchen würde?

SCHREINER: Die recht­li­chen Parameter müssen trans­pa­ren­ter und Fristen in den Verfahren verkürzt werden, damit diese beschleu­nigt werden.

KROPIUNIG: Vor­dring­lich wäre es zu eruieren, ob die Rechts­la­ge überhaupt noch das darstellt, was man will. Es braucht bei­spiels­wei­se eine neue Inter­es­sens­ab­wä­gung. Wenn man Kli­ma­schutz und Stand­ort­si­che­rung will, darf nicht jeder auf rechtlich fun­dier­ter Ebene ein Projekt auf ewig ver­hin­dern können – so vertreibt man die Inves­to­ren vom Standort.

RITTER: Ich sehe die aktuell ange­spann­te Situation als Chance, sich neu zu posi­tio­nie­ren. Das Potenzial liegt in der Gemein­sam­keit, im Bündeln der Kräfte und im Schaffen und Fördern kri­ti­scher Massen. Das gelebte Mit­ein­an­der ist unsere Stärke. Darauf müssten wir uns stärker besinnen. Allein hat man deutlich weniger Chancen.

Credit: Foto Fischer

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