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War Corona ein Kata­ly­sa­tor für die öster­rei­chi­sche Gesund­heits­ver­sor­gung von morgen?

Bei den vir­tu­ell abge­hal­te­nen Gesund­heits­ge­sprä­chen des Euro­pean Forum Alpbach trafen sich am 25. August auf Ein­la­dung der JOAN­NE­UM RESE­ARCH Exper­ten zu einer Online-Session mit dem Titel „Gesund­heits­ver­sor­gung von morgen“. Gast­ge­ber und Mode­ra­tor war der Medi­zi­ner und For­scher Lars-Peter Kamolz. Rund 120 Per­so­nen waren bei der Session „vir­tu­ell‘ dabei und nutzten fleißig die Chat­funk­ti­on zur Dis­kus­si­on.

Das Haupt­in­ter­es­se der Gesell­schaft ist es, gesund alt zu werden. Das eröff­net viele Per­spek­ti­ven, aber auch Pro­ble­me.

Wir werden deut­lich älter: Frauen werden heute im Schnitt 83,9 Jahre alt, Männer 79,1 Jahre. Und jede Dekade werden wir im Durch­schnitt um 2,3 Jahre älter. Bis 2050 wird sich die Zahl der Men­schen, die über 80 Jahre alt sind, ver­drei­fa­chen. Damit wird auch die Zahl der chro­nisch Kranken signi­fi­kant anstei­gen, da mehr als 70 Prozent der Men­schen über 65 Jahre im Schnitt zwei oder mehr chro­ni­sche Erkran­kun­gen haben. Diese Lebens­pha­se bedeu­tet nicht nur ein­ge­schränk­te Lebens­qua­li­tät, sondern sie ist auch mit erheb­li­chen Kosten für das Gesund­heits­sys­tem ver­bun­den. Damit wird das medi­zi­ni­sche Haupt­au­gen­merk in der Gesund­heits­ver­sor­gung von morgen darauf liegen, dass die Bevöl­ke­rung gesund altert und somit länger gesund bleibt.

2020 – das Jahr von Covid-19; Lars-Peter Kamolz eröff­ne­te die Dis­kus­si­on: „Welchen Ein­fluss hatte Covid-19 auf die Gesund­heits­ver­sor­gung von heute und wie sieht das in Zukunft aus? War Corona so etwas wie ein Kata­ly­sa­tor für die Gesund­heits­ver­sor­gung von morgen?“
Werner Saxin­ger, Vor­stand der Der­ma­to­lo­gie und Angio­lo­gie am Kli­ni­kum Wels und Abge­ord­ne­ter zum Natio­nal­rat, dia­gnos­ti­zier­te Covid als eine Art „Elch­test“ für unser Gesund­heits­sys­tem und sieht diesen als durch­aus geglückt: „Wir waren zwar alle initial etwas unvor­be­rei­tet bezie­hungs­wei­se von der Covid-Trag­wei­te über­rascht. Schließ­lich ging dann aber alles Hand in Hand und sicher über die Bühne. Covid hat uns aber auch gelehrt, wie abhän­gig wir teil­wei­se von banalen Dingen aus dem Ausland sind, wie etwa Medi­ka­men­ten oder Schutz­klei­dung. Wolf­gang Köle, ärzt­li­cher Direk­tor des LKH-Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Graz, sieht neben dem Schutz des Per­so­nals das Meis­tern des „neuen“ Alltags als eine der größten Her­aus­for­de­run­gen und Auf­ga­ben an. Pati­en­ten­strö­me waren neu zu regeln, Ambu­lanz- und War­te­be­rei­che neu zu orga­ni­sie­ren und es galt, die Ver­net­zung der Ver­sor­gungs­struk­tu­ren vor­an­zu­trei­ben. Viele Sachen, die natür­lich auch mit Aus­ga­ben ver­bun­den waren und auch noch in Zukunft sein werden.

„Am Ende des Tages wird das Gesund­heits­sys­tem ins­ge­samt mehr Geld benö­ti­gen“, ist sich Köle sicher. Auch Bernd Leinich, Geschäfts­füh­rer des Gesund­heits­fonds Stei­er­mark, sieht das sehr ähnlich; nicht nur in Bezug auf die Kos­ten­ent­wick­lung, sondern auch er ortet einen Bedarf an bes­se­rer Ver­net­zung und Abstim­mung zwi­schen den unter­schied­li­chen Ver­sor­gungs­struk­tu­ren. Auch die Gesund­heits­lan­des­rä­tin der Stei­er­mark, Juliane Bogner-Strauß, betonte in ihrem initia­len State­ment das Ver­mei­den von unnö­ti­gen Par­al­lel­struk­tu­ren und die Wei­ter­ent­wick­lung der Tele­me­di­zin als wesent­li­che Erkennt­nis­se der letzten Monate. Gleich­zei­tig bedank­te sie sich bei allen invol­vier­ten Sys­tem­part­nern, die die hoch­wer­ti­ge Ver­sor­gung auch während der Corona-Zeit auf­recht­erhal­ten haben.

Einig waren sich alle Dis­ku­tan­ten, dass die Corona-Krise die Digi­ta­li­sie­rung im medi­zi­ni­schen Bereich massiv beschleu­nigt hat. Vieles, das in Schub­la­den lag, sei her­vor­ge­holt und auf Funk­tio­na­li­tät über­prüft worden. Etli­ches davon hat auch sehr gut funk­tio­niert. Alex­an­der Rosen­kranz, Abtei­lungs­lei­ter der Nephrolo­gie an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Graz, sieht neben den neu gelenk­ten Pati­en­ten­strö­men auch den rasche­ren vir­tu­el­len Wis­sens­aus­tausch als einen der posi­ti­ven Fak­to­ren an, den Covid mit sich gebracht hat. Auch Home-Office und Tele­me­di­zin erfreu­en sich deut­lich grö­ße­rer Akzep­tanz.

Bernd Alt­pe­ter, Gründer und Geschäfts­füh­rer vom DiTG – Deut­sches Insti­tut für Tele­me­di­zin und Gesund­heits­för­de­rung, betont die Vor­tei­le der Digi­ta­li­sie­rung: „In der Covid-Zeit wurden schnell Erlässe erteilt, die das Vor­an­trei­ben der Digi­ta­li­sie­rung erst richtig ermög­licht haben.“ Diese „neue“ Digi­ta­li­sie­rungs­of­fen­si­ve wird uns neue Mög­lich­kei­ten in der Gesund­heits­ver­sor­gung von morgen liefern, sind sich beide einig. Auch der elek­tro­ni­sche Impf­pass wird wichtig sein, das Impf­the­ma „wird sicher eines der größten Themen, die auf uns zukom­men“, ist sich Rosen­kranz sicher. Köle sieht auch in der Aus- und Fort­bil­dung noch Poten­zi­al in der Digi­ta­li­sie­rung: „Vor­le­sun­gen, wie wir sie kennen, werden in Zukunft sicher nicht mehr so abge­hal­ten werden können.“

Cor­ne­li­us Granig, Leiter der Berei­che Kri­sen­ma­nage­ment und Cyber Secu­ri­ty bei der inter­na­tio­na­len Bera­tungs­fir­ma Grant Thorn­ton, betonte, dass das klag­lo­se Funk­tio­nie­ren der neuen Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gien sehr stark von deren lau­fen­der Moder­ni­sie­rung und Über­prü­fung abhängt: „Jeder Anbie­ter von Gesund­heits­diens­ten muss zusehen, dass die IT-Systeme dem aktu­el­len Stand der Technik ent­spre­chen und so sicher wie möglich betrie­ben werden. Das gilt beson­ders für zen­tra­le Systeme wie ELGA oder für Kran­ken­haus­in­for­ma­ti­ons­sys­te­me, die schon mehr als ein Jahr­zehnt alt sind. Jetzt gibt es für Aus­ga­ben im Bereich der Cyber Secu­ri­ty und Digi­ta­li­sie­rung eine neue staat­li­che Inves­ti­ti­ons­prä­mie, um gerade in dieser schwie­ri­gen Zeit, in der so viel vom Funk­tio­nie­ren digi­ta­ler Systeme abhängt, mög­lichst viele Ver­bes­se­rungs­maß­nah­men auch von staat­li­cher Seite zu unter­stüt­zen.“

Was kann man nun aus all den Erkennt­nis­sen für die Gesund­heits­ver­sor­gung von morgen mit­neh­men?
Digi­ta­le Rezepte, digi­ta­le Termin­ambulanzen oder Video­kon­sul­ta­tio­nen sind nur ein kleiner Auszug der posi­ti­ven Ent­wick­lun­gen in der Gesund­heits­ver­sor­gung durch Covid. Laut Exper­ten muss der ein­ge­schla­ge­ne Weg der Digi­ta­li­sie­rung unbe­dingt bei­be­hal­ten werden. Die besser abge­stimm­te und ver­netz­te Ver­sor­gung und das Ver­mei­den von unnö­ti­gen Par­al­lel­struk­tu­ren werden uns in Zukunft noch mehr beglei­ten und einen wich­ti­gen Beitrag zu einer hoch­wer­ti­gen und effi­zi­en­ten Pati­en­ten­ver­sor­gung bei­tra­gen. Die Gesund­heits­ver­sor­gung von morgen – ob mit oder ohne Pan­de­mie – ist digital.

Die JOAN­NE­UM RESE­ARCH
For­schungs­ge­sell­schaft mbH ent­wi­ckelt Lösun­gen und Tech­no­lo­gien für Wirt­schaft und Indus­trie in einem breiten Bran­chen­spek­trum und betreibt Spit­zen­for­schung auf inter­na­tio­na­lem Niveau. Bestens ein­ge­bet­tet in das natio­na­le und inter­na­tio­na­le Inno­va­ti­ons­netz­werk erar­bei­ten die For­sche­rin­nen und For­scher Inno­va­tio­nen in den drei The­men­be­rei­chen Infor­ma­ti­ons- und Pro­duk­ti­ons­tech­no­lo­gien, Human­tech­no­lo­gie und Medizin sowie Gesell­schaft und Nach­hal­tig­keit.

COREMED – Koope­ra­ti­ves Zentrum für Rege­ne­ra­ti­ve Medizin umfasst medi­zi­ni­sche Grund­la­gen­for­schung sowie prä­kli­ni­sche und kli­ni­sche For­schung im Bereich der rege­ne­ra­ti­ven Medizin in enger Abstim­mung und Koope­ra­ti­on mit der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Graz.

Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Lars-Peter Kamolz, MSc
Direk­tor von COREMED – Koope­ra­ti­ves Zentrum für
Rege­ne­ra­ti­ve Medizin
Neue Stif­ting­tal­stra­ße 2
8010 Graz
T. +43 676 556 4 336
lars-peter.kamolz@joanneum.at

Foto: LARS-PETER KAMOLZ , Direk­tor von COREMED

Foto­credit: Bern­hard Berg­mann

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