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Selbst­rei­ni­gen­de Schich­ten für grüne Solar­ener­gie

Am Lehr­stuhl für Funk­tio­na­le Werk­stof­fe und Werk­stoff­sys­te­me des Depart­ments Werk­stoff­wis­sen­schaft der Mon­tan­uni Leoben werden selbst­rei­ni­gen­de Schich­ten für die Spiegel von Son­nen­wär­me­kraft­wer­ken ent­wi­ckelt. Genutzt werden dafür Metho­den der Nano­tech­no­lo­gie.

Allen Unken­ru­fen und aller Kritik zum Trotz ist die Ener­gie­wen­de welt­weit voll im Gange. Laut jüngs­ten Daten, die das Ana­ly­tik­un­ter­neh­men Bloom­berg­NEF zusam­men­ge­tra­gen hat, war das Jahr 2019 das erste Jahr, in dem mehr Öko­strom­an­la­gen gebaut wurden als her­kömm­li­che Kraft­wer­ke. Demnach ent­fie­len im Vorjahr mehr als zwei Drittel der neu­in­stal­lier­ten Leis­tung auf Wind- und Solar­ener­gie. Zum Ver­gleich: Im Jahr 2010 lag deren Anteil noch bei unter einem Viertel. Die CO2-Emis­sio­nen aus dem Ener­gie­sek­tor sind dadurch um 1,5 Prozent nied­ri­ger als im Jahr zuvor – die Stei­ge­rung in China wurden von Ein­spa­run­gen in Europa und Nord­ame­ri­ka mehr als wett­ge­macht.

2019 war das Jahr einer wei­te­ren Pre­mie­re: Der Ausbau der Solar­ener­gie über­traf erst­mals den Neubau von Wind­kraft­wer­ken. Die direkte Nutzung der Son­nen­en­er­gie ist damit die welt­weit viert­wich­tigs­te Quelle für elek­tri­sche Energie (hinter Kohle, Gas und Was­ser­kraft). Solar­ener­gie rückt damit suk­zes­si­ve dorthin, wo sie aus öko­lo­gi­schen Erwä­gun­gen hin­ge­hört: an die Spitze der Ener­gie­quel­len, die dem Men­schen zur Ver­fü­gung stehen. Immer­hin strahlt die Sonne inner­halb weniger Stunden so viel Energie auf die Erd­ober­flä­che, wie die Mensch­heit in einem ganzen Jahr benö­tigt. Man muss diese „nur“ ernten.

Schon seit Jahr­zehn­ten unge­bro­chen ist der Boom der Solar­ther­mie – also der Nutzung der Son­nen­wär­me zur Berei­tung von Warm­was­ser in Son­nen­kol­lek­to­ren. Dank dras­tisch sin­ken­der Kosten hatte in den letzten Jahren auch die Pho­to­vol­ta­ik – also die Pro­duk­ti­on von Elek­tri­zi­tät mit­hil­fe von Sili­zi­um-Panee­len – stark stei­gen­de Tendenz.

Gebün­del­te Hitze der Sonne

Schon seit Langem bekannt – und viel­fach erprobt – ist eine weitere Nut­zungs­art der Son­nen­en­er­gie: Son­nen­wär­me­kraft­wer­ke, im Eng­li­schen „Con­cen­tra­ted Solar Power Plants“ (CSP) genannt. In diesen Anlagen wird das Son­nen­licht mit exakt aus­ge­rich­te­ten Spie­geln an einem Punkt kon­zen­triert, der dann sehr hohe Tem­pe­ra­tu­ren (über 1000 Grad Celsius) erreicht. An diesem Punkt wird ein Wär­me­trä­ger­me­di­um auf­ge­heizt – häufig ist ein flüs­si­ges Nitrat­salz, Was­ser­dampf oder Heiß­luft –, das schließ­lich eine Turbine und in der Folge einen Gene­ra­tor antreibt.

Vor allem in süd­eu­ro­päi­schen Ländern spielen Son­nen­wär­me­kraft­wer­ke eine immer wich­ti­ge­re Rolle bei der Abde­ckung des Ener­gie­be­darfs – allein in Spanien gibt es bereits mehr als 50 solcher Anlagen. Große Inves­ti­tio­nen laufen auch in einigen Ländern auf der ara­bi­schen Halb­in­sel. Laut einer Analyse der Inter­na­tio­na­len Ener­gie­agen­tur IEA könnten Son­nen­wär­me­kraft­wer­ke im Jahr 2050 elf Prozent der welt­wei­ten Elek­tri­zi­tät liefern. Aller­dings: Trotz vieler neuer Tech­no­lo­gien, die ein­ge­setzt werden, sind die Strom­ge­ste­hungs­kos­ten – also die Kosten, die durch die Ener­gie­um­wand­lung von einer anderen Ener­gie­form in elek­tri­schen Strom ent­ste­hen – nach wie vor höher als bei kon­ven­tio­nel­len Kraft­wer­ken.

Selbst­rei­ni­gen­de Schich­ten für Spiegel

Eines der Pro­blem­fel­der bei der Wirt­schaft­lich­keit von Son­nen­wär­me­kraft­wer­ken ist die Rei­ni­gung der Spiegel, die derzeit hohe Kosten ver­ur­sacht und dadurch die Nutzung der Solar­ther­mie erschwert. „Da der Spiegel die erste Kom­po­nen­te in Kontakt zum Son­nen­licht im Ener­gie­um­wand­lungs­pro­zess dar­stellt, ist seine Effi­zi­enz kri­tisch für den gesam­ten Sys­tem­wir­kungs­grad“, erläu­tert Chris­ti­an Mit­te­rer, Pro­fes­sor am Lehr­stuhl für Funk­tio­na­le Werk­stof­fe und Werk­stoff­sys­te­me des Depart­ments Werk­stoff­wis­sen­schaft der Mon­tan­uni Leoben. Ein Refle­xi­ons­ver­lust infolge einer Ver­schmut­zung der Spiegel von einem Prozent führt direkt zu einer Stei­ge­rung der Strom­ge­ste­hungs­kos­ten um ein Prozent. Dies stellt somit ein signi­fi­kan­tes Problem für den Betrieb sowie für die Betriebs- und War­tungs­kos­ten der Kraft­werks­be­trei­ber dar.

Ein For­schungs­team um Mit­te­rer will nun gemein­sam mit Part­nern in Zypern und Grie­chen­land Abhilfe schaf­fen. Gestar­tet wurde das Projekt „Nano4CSP“, in dem die Effi­zi­enz der Spiegel durch die Ent­wick­lung spe­zi­el­ler Beschich­tun­gen ver­bes­sert werden soll. Mit­hil­fe inno­va­ti­ver che­mi­scher und phy­si­ka­li­scher Metho­den sollen selbst­rei­ni­gen­de und kratz­fes­te Schich­ten und Nano­par­ti­kel basie­rend auf Titan­oxid sowie nanotex­tu­rier­te poly­me­re Beschich­tun­gen für Spiegel von Son­nen­wär­me­kraft­wer­ken ent­wi­ckelt werden.

Struk­tu­rie­rung der Ober­flä­che

Dabei werden zwei ver­schie­de­ne Stoß­rich­tun­gen ver­folgt: Zum einen geht es um „super­hy­dro­phi­le“ Schich­ten – hydro­phil bedeu­tet „was­ser­lie­bend“, diese Ober­flä­chen werden von Wasser sehr gut benetzt. An solchen Schich­ten können durch den soge­nann­ten pho­to­kal­a­ly­ti­schen Effekt orga­ni­sche Ver­schmut­zun­gen und Staub ent­fernt werden. Dabei werden Ver­schmut­zun­gen durch die Ein­wir­kung des ultra­vio­let­ten Anteils im Son­nen­licht zer­setzt.

Zum anderen sollen aber auch „super­hy­dro­pho­be“, also stark was­ser­ab­wei­sen­de Schich­ten ein­ge­setzt werden. Auf solchen exakt struk­tu­rier­ten Ober­flä­chen tritt der Lotos­ef­fekt zur Ober­flä­chen­rei­ni­gung ein: Ein Was­ser­trop­fen, der auf der Ober­flä­che abperlt, nimmt dabei Schmutz­teil­chen mit. Dieses Prinzip hat sich die Wis­sen­schaft von der Natur abge­schaut, wo es von vielen Pflan­zen, etwa der Lotus­blu­me, genutzt wird, die sich dadurch von Staub befrei­en. „Damit soll eine deut­li­che Stei­ge­rung des Wir­kungs­gra­des von Son­nen­wär­me­kraft­wer­ken und eine Reduk­ti­on der Betriebs­kos­ten erreicht werden“, erklärt Mit­te­rer.

Öko­no­mi­sche Effi­zi­enz als Ziel

Das Gesamt­ziel des For­schungs­vor­ha­bens ist die Ver­rin­ge­rung der Betriebs- und War­tungs­kos­ten sowie des Was­ser­ver­brauchs und damit die Erhö­hung des Wir­kungs­gra­des von Son­nen­wär­me­kraft­wer­ken. Dies soll durch die Ent­wick­lung und Opti­mie­rung der Eigen­schaf­ten von selbst­rei­ni­gen­den Ober­flä­chen durch geeig­ne­te Ober­flä­chen­be­hand­lungs- und ‑beschich­tungs­ver­fah­ren erreicht werden. Die Ent­wick­lung soll auf Schich­ten fokus­siert sein, die im Zuge der Her­stel­lung der Spiegel, aber auch auf bereits im Einsatz befind­li­che Instal­la­tio­nen auf­ge­bracht werden können.

Foto: Son­nen­kraft­werk auf Zypern

Foto­credit: The Cyprus Insti­tu­te Nicosia Zypern

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