JUST-Redaktion|

Quo vadis Ener­gie­wen­de?

Noch immer wird unser Ener­gie­be­darf zu 85 Prozent aus fos­si­len Brenn­stof­fen gedeckt. Die Kli­ma­stra­te­gien sehen eine Bewe­gung Rich­tung erneu­er­ba­rer Quellen vor. Doch wie lässt sich das mit wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen ver­ei­nen?

Es war nicht gerade ein Anlass zur Freude, als das Inter­na­tio­nal Panel on Climate Change wie jedes Jahr seinen Bericht zur Lage des fort­schrei­ten­den Kli­ma­wan­dels ver­öf­fent­lich­te. Die dies­jäh­ri­gen, im Oktober ver­öf­fent­lich­ten Pro­gno­sen behan­deln groß­teils aber nicht mehr die Frage, ob wir die globale Erwär­mung auf­hal­ten können, sondern ledig­lich, an welchem Punkt das noch möglich wäre.

Um unvor­her­seh­ba­re Natur­ka­ta­stro­phen ein­zu­dämp­fen, müsse man den Anstieg der Glo­bal­tem­pe­ra­tur bis zum Ende des Jahr­hun­derts auf 1,5 Grad Celsius begren­zen. Kli­ma­schüt­zer dis­ku­tie­ren des­we­gen schon seit Langem zu Stich­wör­tern wie nach­hal­ti­gem Wirt­schaf­ten, Opti­mie­rung der Res­sour­cen-Kreis­läu­fe und allem voran alter­na­ti­ven Ener­gie­quel­len, wenn sie über Lösungs­an­sät­ze spre­chen. Als posi­ti­ve Ent­wick­lung wurde des­we­gen auch der vor Kurzem durch­ge­setz­te, vor­läu­fi­ge Rodungs­stopp des Ham­ba­cher Forsts gesehen. Es sei ein Symbol gegen die Ener­gie­ge­win­nung durch Braun­koh­le und ein Blick hin zu erneu­er­ba­rer Energie. Auch Öster­reich ist laut dem Ener­gie­wen­de-Index des World Eco­no­mic Forums bereits auf einem grünen Weg. So liegt die Alpen­re­pu­blik auf Platz 8 von welt­weit 114 unter­such­ten Ländern und somit zum Bei­spiel noch vor Deutsch­land. Anfang des Jahres gab die Regie­rung eine neue Kli­ma­stra­te­gie bekannt.

Doch wie kann eine nach­hal­ti­ge Kli­ma­po­li­tik ihre Ziele errei­chen und gleich­zei­tig wirt­schaft­li­che Inter­es­sen mit­ein­be­zie­hen? Welche ener­gie­tech­ni­schen Ver­än­de­run­gen stehen uns bevor? Und was bedeu­ten stei­gen­de Strom­prei­se für Ver­tre­ter der Indus­trie?

Kli­ma­stra­te­gie Öster­reichs

Die poli­ti­sche Ver­an­ke­rung von gemein­sa­men Kli­ma­zie­len ist nichts Neues. Schon im Dezem­ber 1997 wurde im Rahmen des Kyoto-Pro­to­kolls beschlos­sen, die Treib­haus­gas­emis­sio­nen bis zum Jahre 2005 um 5,2 Prozent zu ver­rin­gern. Öster­reich schaff­te es jedoch bis zum Ende der Ver­trags­pe­ri­ode nicht, sein Reduk­ti­ons­ziel zu errei­chen – statt­des­sen kam es zu einem Plus von 3,2 Prozent. Zu den Maß­nah­men, die aus dem Pro­to­koll ent­stan­den sind, zählt auch der Emis­si­ons­han­del, der seit 2005 im Einsatz ist. Reduk­ti­ons­zer­ti­fi­ka­te können aus Pro­jek­ten gene­riert oder von anderen Staaten gekauft und Sank­tio­nen so ver­hin­dert werden. Die Preise für die Zer­ti­fi­ka­te seien jedoch durch ein Über­an­ge­bot zu niedrig, um einen wirk­sa­men Emis­si­ons­han­del in Hin­blick der Kli­ma­zie­le zu errei­chen.

Manchen Bran­chen sei es dennoch gelun­gen, die Emis­sio­nen deut­lich zu redu­zie­ren – so zum Bei­spiel der Papier­in­dus­trie. Das sagt Maxi­mi­li­an Ober­hu­mer, Obmann der Sparte Indus­trie in der Wirt­schafts­kam­mer Stei­er­mark und Reprä­sen­tant der „Con­fe­de­ra­ti­on of Euro­pean Paper Indus­tries“ in Brüssel. „Man hat mitt­ler­wei­le viel Erfah­rung gesam­melt. Trotz­dem war der Zuwachs an Emis­sio­nen in einigen Sek­to­ren recht beträcht­lich.“ Emis­sio­nen wie zum Bei­spiel durch den Verkehr werden von der Emis­si­ons­han­dels­stel­le gar nicht erfasst. Der Bereich zeige immer noch ein klares Plus.

Ins­ge­samt muss Öster­reich im Ein­klang mit den euro­päi­schen Richt­li­ni­en seine CO2-Emis­sio­nen bis 2030 um 36 Prozent gegen­über 2005 redu­zie­ren. Das gilt für Emis­si­ons­quel­len außer­halb des Emis­si­ons­han­dels. Bisher (bei etwa der Hälfte der ver­gan­ge­nen Zeit) wurden jedoch nur acht Prozent geschafft. Im April dieses Jahres stellte Umwelt­mi­nis­te­rin Eli­sa­beth Kös­tin­ger (ÖVP) eine neue Kli­ma­stra­te­gie vor. Sie bezeich­ne­te die Vor­ha­ben als einen guten und kon­struk­ti­ven Weg der Mitte.

Unter anderem wolle man Strom auch zu 100 Prozent aus erneu­er­ba­rer Energie erzeu­gen. Derzeit liegt der Anteil an erneu­er­ba­ren Ener­gien im Strom­sek­tor bei rund 77 Prozent, bei der gesam­ten Ener­gie­ver­sor­gung bei rund 33 Prozent, wie aus der dies­jäh­ri­gen Ener­gie­bi­lanz her­vor­geht. 2030 sollte Öster­reich diesem Ziel schon maß­geb­lich näher gekom­men sein, so Kös­tin­ger. Auch Ober­hu­mer befür­wor­tet die neue Kli­ma­stra­te­gie. Sie habe einige wirk­sa­me und ver­nünf­ti­ge Eck­pfei­ler. Beim Thema erneu­er­ba­re Ener­gien sieht er die Sache jedoch dif­fe­ren­zier­ter: „Man kann darüber strei­ten, ob die Ziel­set­zung von 100 Prozent Strom aus erneu­er­ba­rer Energie bilan­zi­ell bis zum Jahr 2030 das einzig wich­ti­ge Ziel ist.“ Öster­reich habe durch die vor­han­de­ne Aus­bau­stu­fe bei der Was­ser­kraft schon einen sehr großen Anteil an erneu­er­ba­rem Strom.

Negativ- und Posi­tiv­bei­spie­le

Im Gespräch mit der Tages­zei­tung Kurier äußerte auch Leon­hard Schit­ter, Prä­si­dent von Oes­ter­reichs Energie, Zweifel gegen­über dem Vor­ha­ben. Man müsse einer­seits zahl­rei­che neue Kraft­wer­ke bauen, ande­rer­seits auch über 50 Mil­lio­nen Euro inves­tie­ren – und das, wenn man Strom anvi­siert, der schon zu einem großen Teil aus erneu­er­ba­ren Quellen stammt. Auch müssten die momen­ta­ne Öko­strom­för­de­rung und die damit ver­bun­de­nen Ein­spei­se­ta­ri­fe beendet werden und statt­des­sen die güns­tigs­ten und effi­zi­en­tes­ten Anbie­ter zum Zug kommen. So sieht das auch Maxi­mi­li­an Ober­hu­mer. Als Nega­tiv­bei­spiel nennt er Bio­mas­se-Öko­strom-Erzeu­ger, deren Sub­ven­ti­on nun nach 13 Jahren abge­lau­fen ist, mit der Folge, dass sie ihre Anlagen nun abstel­len müssen. „Wenn ein Modell es nach Jahren an Sub­ven­ti­on nicht schafft, einen wirt­schaft­li­chen Modus ohne Geld von Dritten zu finden, dann muss man die Effi­zi­enz solcher För­der­me­cha­nis­men hin­ter­fra­gen.“

Ginge es nach ihm, würden diese För­de­run­gen anders ein­ge­setzt werden: „Sie sollten dazu dienen, tech­no­lo­gi­schen Neue­run­gen in diesem Bereich zum Durch­bruch zu ver­hel­fen.“ Das könnte in Form von Inves­ti­ti­ons- oder For­schungs­för­de­run­gen gesche­hen. Aber genau hier schei­den sich die Geister: „Viele fragen: Was lohnt sich, wo soll man eher zurück­hal­ten­der sein und wie sollten adäqua­te För­der­me­cha­nis­men und Anreiz­sys­te­me aus­se­hen?“ Es brauche dafür eine genaue Berech­nung, wie viel CO2-Emis­si­on mit ein­ge­setz­tem Geld ver­mie­den werden kann. Anschlie­ßend könne man daraus die Ver­mei­dungs­kos­ten, berech­net in ein­ge­spar­tem CO2 pro Tonne, berech­nen. Bei Öko­strom aus fester Bio­mas­se wäre man dann in einer Grö­ßen­ord­nung von 200 bis 250 Euro pro Tonne. Der Markt­preis für CO2 hätte sich zwar deut­lich erhöht, sei aber trotz­dem nur bei 20 Euro pro Tonne CO2, so Ober­hu­mer. Und diese Rech­nung gehe nicht auf. „Natür­lich muss uns die Umstel­lung des Ener­gie­sys­tems auf erneu­er­ba­re Res­sour­cen etwas wert sein. Aber ich ver­lan­ge trotz­dem von den Ent­schei­dungs­trä­gern, dass das ein­ge­setz­te Geld möglich effi­zi­ent ein­ge­setzt wird.“ Es gäbe Tech­no­lo­gien, die mit pas­sen­der Inves­ti­ti­ons­för­de­rung viel mehr bewir­ken könnten. Dar­un­ter auch Pro­jek­te zur Wind­kraft, die in manchen Gegen­den Europas bereits beinahe markt­fä­hig sind: „Man darf sich erwar­ten, dass Tech­no­lo­gie, die über viele Jahre ent­wi­ckelt wurde, unter­stützt wird, sodass damit gewirt­schaf­tet werden kann.“ Nur so könne man sinn­voll und lang­fris­tig erneu­er­ba­ren Strom erzeu­gen und gleich­zei­tig auch einen wirt­schaft­li­chen Erfolg gene­rie­ren.

Tren­nung der Strom­netz­prei­se

Blickt man auf die erneu­er­ba­ren Ener­gie­quel­len in Öster­reich, dann sieht man, dass 56,2 Prozent aus bio­ge­nen Ener­gien und 33,1 Prozent aus der bereits erwähn­ten Was­ser­kraft erzeugt werden. Der Rest stammt aus Wind, Umge­bungs­wär­me und Pho­to­vol­ta­ik – mit unter zehn Prozent ein über­schau­ba­rer Anteil. Welt­weit wird sich der Strom­be­darf bis 2050 ver­dop­peln. Noch immer stammen 85 Prozent aus fos­si­len Brenn­stof­fen. Auch wenn Sonne und Wind dabei die güns­tigs­ten Alter­na­ti­ven sind, werden sie auf­grund von Pro­ble­men wie nicht kon­stan­ter Ver­füg­bar­keit nicht groß­flä­chig ange­nom­men. „Meiner Meinung nach sollten die besten Kon­zep­te unter­stützt werden – unab­hän­gig davon, ob das jetzt Solar­ener­gie, Wind­ener­gie oder Was­ser­kraft ist. Aber einen großen Betrieb aus­schließ­lich mit erneu­er­ba­rer Energie zu betrei­ben, da ist man noch zu sehr von den Natur­ge­wal­ten abhän­gig.“

Um Lücken in der Ver­füg­bar­keit zu redu­zie­ren, muss man auch die Ver­bin­dun­gen zwi­schen den Ländern sicher­stel­len. So ist bei­spiels­wei­se ein Strom­aus­tausch zwi­schen Deutsch­land und Nor­we­gen geplant. 2020 soll das Mil­li­ar­den­pro­jekt fer­tig­ge­stellt werden. Das soge­nann­te Nord­link-See­ka­bel soll 3,6 Mil­lio­nen Haus­hal­te in Deutsch­land mit Was­ser­kraft aus Nor­we­gen ver­sor­gen. Die Skan­di­na­vi­er wie­der­um bekom­men Sonnen- und Wind­ener­gie aus dem Norden von Deutsch­land.

Während die Ver­bin­dung in den Norden zu funk­tio­nie­ren scheint, gibt es beim Aus­tausch gen Süden noch Pro­ble­me. So gilt seit erstem 1. dieses Jahres die soge­nann­te Strom­preis­zo­nen­tren­nung zwi­schen den beiden Natio­nen. Diese sei letzt­end­lich auch eine Folge der Öko­strom­ak­ti­vi­tä­ten in Deutsch­land. Ursprüng­lich konnte der Über­schuss an Öko­strom aus Nord­deutsch­land nicht über Trans­port­lei­tun­gen in den Süden trans­por­tiert werden. Über Umwege durch Polen und Tsche­chi­en kam er nach Öster­reich. „Einige waren nicht sehr glück­lich darüber und man hat sich nun ent­schlos­sen das auf­zu­tren­nen“, erklärt Ober­hu­mer „Nur hat Öster­reich jetzt einen spür­ba­ren Nach­teil dadurch.“ Das äußert sich in einer Erhö­hung der Strom­prei­se. Eine erste Auktion für Lie­fe­run­gen ergab knapp 50 Euro pro Mega­watt­stun­de für die Grund­last. Laut Öster­rei­chi­scher Ener­gie­agen­tur bedeu­te­te das einen Auf­schlag von mehr als 7 Euro pro Mega­watt­stun­de gegen­über den Preisen in Deutsch­land. Angebot und Nach­fra­ge haben sich durch die Tren­nung der Netze ver­scho­ben. Außer­dem werden Importe und Exporte nun mit einer Mengen-Ober­gren­ze ver­se­hen. Das könnte zu einer Span­nung zwi­schen Betrie­ben und Anbie­tern führen.

Wie kann man aber trotz­dem beru­higt in die Zukunft blicken? Maxi­mi­li­an Ober­hu­mer: „Ich denke, es wird span­nend sein zu sehen, in welcher Form es uns gelingt, sowohl die Kli­ma­schutz­zie­le zu errei­chen als auch wirt­schaft­li­ches Wachs­tum zu ermög­li­chen. Ich denke, das ist nicht von vorn­her­ein mit Wider­spruch belegt.“

Foto­credit: Wiki­me­dia Commons

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