Grüner Was­ser­stoff dank hei­mi­scher Forschung

Die Montanuniversität Leoben forscht an emissionsfreier Erzeugung von Wasserstoff und Carbon. Ein Meilenstein, der die Erzeugung von grünen Wasserstoff möglich macht.
Der RAG-Speicher in Puchkirchen.
Der RAG-Speicher in Puchkirchen. Fotocredit: Karin Lohberger.

Ein Thema das in aller Munde ist: Grüner Was­ser­stoff soll die Zukunft der Ener­gie­ver­sor­gung sein. Dieser Vision ist man nun dank der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben einen Schritt näher. Mithilfe von Pyrolyse-Verfahren kann Methan (Erdgas) emis­si­ons­frei in Was­ser­stoff und Koh­len­stoff zerlegt werden. So erhält man einer­seits den spei­cher­ba­ren und kli­ma­neu­tra­len Ener­gie­trä­ger Was­ser­stoff. Gleich­zei­tig wird der wichtige und derzeit knappe Rohstoff Carbon erzeugt. In einem großen Koope­ra­ti­ons­pro­jekt mit Indus­trie­part­nern wollen Forscher diese Tech­no­lo­gie nun in die Praxis bringen.

Grüner Was­ser­stoff für die Zukunft

Das Ener­gie­sys­tem der Zukunft soll nach­hal­tig und umwelt­freund­lich sein. Es sollen möglichst keine Treib­haus­gas-Emis­sio­nen anfallen, es soll Spei­cher­mög­lich­kei­ten geben (um den fluk­tu­ie­ren­den Anfall von Solar- und Wind­ener­gie aus­glei­chen zu können); die Ener­gie­be­reit­stel­lung soll umwelt­freund­lich von­stat­ten­ge­hen; und überdies soll die Ver­sor­gung gesichert sein.

Ein­satz­ge­bie­te und Visionen

All diese Anfor­de­run­gen kann Was­ser­stoff (H2) als Ener­gie­trä­ger erfüllen: Dieses leichte Gas verfügt über eine hohe Ener­gie­dich­te, verbrennt emis­si­ons­frei zu reinem Wasser (H2O), lässt sich in bestehen­den Gas­pipe­lines trans­por­tie­ren und in Gas­spei­chern zwi­schen­la­gern – und sein Ener­gie­ge­halt lässt sich sehr einfach in elek­tri­schen Strom ver­wan­deln (und umgekehrt). Überdies kann Was­ser­stoff als Rohstoff in der Industrie dienen, etwa für künftige emis­si­ons­freie Methoden der Eisen- und Stahl­er­zeu­gung.

Schwie­ri­ge Her­stel­lung

Das Haupt­pro­blem bei Was­ser­stoff ist, ihn auf umwelt­freund­li­chem Wege in aus­rei­chen­den Mengen her­zu­stel­len. Eine gebräuch­li­che Methode ist die Elek­tro­ly­se von Wasser (also die Spaltung in Was­ser­stoff und Sau­er­stoff mithilfe von elek­tri­scher Energie). Um „grünen“ Was­ser­stoff zu pro­du­zie­ren, sind aller­dings große Mengen an Strom aus erneu­er­ba­ren Quellen nötig. Derzeit wird Was­ser­stoff vor­wie­gend durch die Zer­set­zung von Methan (CH4; Erdgas, aber auch Biogas) her­ge­stellt. Beim her­kömm­li­chen Verfahren (Dampf­re­for­mie­rung) fallen aber große Mengen an CO2 an, von denen derzeit niemand weiß, was man damit sinn­vol­ler­wei­se machen könnte. Es wie bisher einfach in die Atmo­sphä­re ent­wei­chen zu lassen, wird in Zukunft nicht mehr möglich sein – das würde den Kli­ma­wan­del im wahrsten Sinn des Wortes weiter anheizen.

Was­ser­stoff und Carbon

Eine her­vor­ra­gen­de Alter­na­ti­ve könnte die soge­nann­te „Methan-Pyrolyse“ sein. Methan ist ein sehr wert­vol­ler Rohstoff und Ener­gie­trä­ger. Die Art und Weise, wie er heute ein­ge­setzt wird, ist aber nicht nach­hal­tig: Verbrennt man Methan, entsteht bei der Oxidation Wasser und das Treib­haus­gas Koh­len­di­oxid. Durch Pyrolyse könnte dieses Problem vermieden werden – und gleich­zei­tig ein sehr wert­vol­ler Stoff erzeugt werden: Denn unter Luft­ab­schluss zerfällt Methan bei bestimm­ten Bedin­gun­gen in seine Bestand­tei­le: Es entsteht zum einen Was­ser­stoff-Gas und zum anderen bleibt der Koh­len­stoff (C ) in fester Form zurück. Diesen Rückstand nennt man in der Fach­spra­che „Carbon“, man kennt ihn etwa in Form von Graphit.

Essen­ti­ell für Tech­no­lo­gie

Carbon gilt als extrem wert­vol­ler indus­tri­el­ler Rohstoff für die nach­hal­ti­ge Pro­duk­ti­on von Bau­struk­tu­ren, Batterien, Com­pu­ter­chips, Koh­len­stoff­fa­sern und für die Her­stel­lung car­bon­ba­sier­ter Mate­ria­li­en, die etwa in der Luft- und Raumfahrt oder der Sport- und Frei­zeit­bran­che ein­ge­setzt werden. Eine in den letzten Jahren immer stärker an Bedeutung gewin­nen­de Modi­fi­ka­tio­nen von Carbon ist Graphen: Dieser zwei­di­men­sio­na­le Zukunfts­werk­stoff ist ultradünn, leicht, stabil und elek­trisch leitend, seine Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten sind sehr viel­fäl­tig. Darüber hinaus findet Carbon Ver­wen­dung in Brenn­stoff­zel­len, kann als Was­ser­stoff­spei­cher ein­ge­setzt werden oder findet sich in der Wasser‑, Boden- und Luft­auf­be­rei­tung als Schlüs­sel­stoff wieder.

Saubere Sache

Der Clou an der Methan-Pyrolyse wäre daher, dass die Her­stel­lung des sauberen, flexiblen und kli­ma­neu­tra­len Ener­gie­trä­gers Was­ser­stoff mit der Pro­duk­ti­on von wert­vol­lem Carbon ein­her­geht, was einen signi­fi­kan­ten Beitrag zu den Geste­hungs­kos­ten von Was­ser­stoff liefern könnte. „Diese Zukunfts­tech­no­lo­gie vereint die Ziele Dekar­bo­ni­sie­rung, Trans­for­ma­ti­on von und zu Ener­gie­trä­gern sowie die Erzeugung von kri­ti­schen Roh­stof­fen“, erläutert Peter Moser, Vize­rek­tor der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben. „Das aus der Pyrolyse gewonnene hoch­wer­ti­ge Carbon hat das Potenzial, viel­fäl­ti­ge nach­hal­ti­ge Tech­no­lo­gien erst zu ermög­li­chen und zu revo­lu­tio­nie­ren.“

Von der Theorie zur Praxis

Die Sache hat aller­dings einen Haken: Die Methan-Pyrolyse funk­tio­niert derzeit nur im Labor­maß­stab. Nun will aber ein Kon­sor­ti­um aus der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben und den Indus­trie­part­nern voest­al­pi­ne Stahl, Primetals Tech­no­lo­gies Austria, Wien Energie und RAG Austria einen großen Schritt zur groß­tech­ni­schen Umsetzung in der Praxis machen. Im Rahmen eines großen Koope­ra­ti­ons­pro­jekts werden mögliche Pyrolyse-Prozesse von Methan unter­sucht. Dadurch will man wichtige Daten über die Pro­zess­füh­rung, den Umsatz von Methan, den spe­zi­fi­schen Ener­gie­be­darf und die Qualität der Produkte erhalten. Von beson­de­rem Interesse sind die Zusam­men­set­zung und die Struktur bzw. die Modi­fi­ka­ti­on des anfal­len­den Koh­len­stof­fes. Im For­schungs­fo­kus liegen weiters die Lang­zeit­sta­bi­li­tät und die Ska­lier­bar­keit des Prozesses sowie technisch, wirt­schaft­lich und öko­lo­gisch sinnvolle Ver­wer­tungs­we­ge. Überdies wird eine sorg­fäl­ti­ge Lebens­zy­klus­ana­ly­se für die Methan-Pyrolyse erstellt.

Ener­gie­wen­de in Sicht!

Auf der wis­sen­schaft­li­chen Seite wird das Projekt vom Resources Inno­va­ti­on Center Leoben, das Peter Moser leitet, vor­an­ge­trie­ben. Für die Forscher ist die kom­bi­nier­te Erzeugung von Carbon und Was­ser­stoff durch die Methan-Pyrolyse ein gutes Beispiel für das soge­nann­te „Sus­tainable Energy Mining“-Konzept. Von diesem inno­va­ti­ven Prinzip ver­spricht man sich einen wesent­li­chen Beitrag zur Ener­gie­wen­de in Öster­reich, einen Inno­va­ti­ons­schub für die öster­rei­chi­sche Industrie, eine Stärkung der regio­na­len Wert­schöp­fung sowie eine Stei­ge­rung der Ver­sor­gungs­si­cher­heit.

Essen­ti­ell für Öster­reich

„Öster­reich braucht in jedem Fall saubere und leistbare Energie für Strom, Wärme und Mobilität und kann daher massiv von diesen Zukunfts­tech­no­lo­gien pro­fi­tie­ren“, bestätigt Markus Mit­ter­eg­ger, CEO der RAG Austria AG. Dieses Unter­neh­men, das die größten Gas­spei­cher Öster­reichs betreibt, fungiert in dem Projekt als Industrie-Pro­jekt­ko­or­di­na­tor. „Wir liefern einer­seits die Mög­lich­keit zur Ener­gie­spei­che­rung als zentrales Element der Ener­gie­zu­kunft, die eine Ener­gie­ern­te im Sommer und Lager­hal­tung für den Winter ermög­licht, und ande­rer­seits das Zukunfts­ma­te­ri­al Carbon sowie leist­ba­ren Was­ser­stoff aus Pyrolyse und umwelt­freund­li­che Kraft­stof­fe wie LNG für einen sauberen Schwer­ver­kehr“, so Mit­ter­eg­ger.

Gemein­sa­me Arbeit

Die weiteren Pro­jekt­part­ner bringen jeweils spe­zi­fi­sche Stärken und Erfah­run­gen sowie relevante Daten ein, sie sind in der Folge bei der Planung und Errich­tung einer Pilot­an­la­ge feder­füh­rend. Die Steel Division der voest­al­pi­ne arbeitet bereits an Mög­lich­kei­ten zur Ver­wirk­li­chung einer CO2-armen Stahl­pro­duk­ti­on auf Basis von Was­ser­stoff. Primetals Tech­no­lo­gies Austria GmbH bietet Metall­erzeu­gern moderne, indi­vi­du­ell ange­pass­te Anla­gen­aus­rüs­tung und Services und will die Zukunft der Metall­bran­che mit­ge­stal­ten. Und für die Wien Energie ist grüner Was­ser­stoff ein wichtiger Baustein für mehr Kli­ma­schutz: Geprüft werden derzeit Anwendun in den Bereichen Industrie, Mobilität und Ener­gie­spei­che­rung. Alle Koope­ra­ti­ons­part­ner setzen auf Carbon und Was­ser­stoff „Made in Austria“.

Ort der Forschung

Im Resources Inno­va­ti­on Center Leoben sind die inter­na­tio­na­len Betei­li­gun­gen der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben im Bereich der nach­hal­ti­gen Roh­stoff­for­schung und Aus­bil­dung gebündelt. Das umfasst etwa die beiden im Rahmen der Initia­ti­ve „European Institute of Inno­va­ti­on and Tech­no­lo­gy“ ein­ge­rich­te­ten Netzwerke EIT Raw­Ma­te­ri­als und EIT Climate-KIC, Projekte im Rahmen des euro­päi­schen For­schungs­rah­men­pro­gramms Horizon 2020 bzw. Horizon Europe oder die „European Inno­va­ti­on Part­ner­ship on Raw Materials“. Überdies werden zahl­rei­che Projekte abge­wi­ckelt, die sich

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