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„Haben uns gefragt: Was kommt nach der Digi­ta­li­sie­rung?“

Wie lernen Dinge? Alois Ferscha, wissenschaftlicher Leiter des Kognifizierungs-Forschungszentrums Pro²Future und Leiter des Instituts für Pervasive Computing an der Johannes Kepler Universität Linz, gibt Antworten.

Was ist die Aufgabe von Pro²­Fu­ture?

Der erste gra­vie­ren­de tech­ni­sche Wandel begann Ende des 19. Jahr­hun­derts mit der Elek­tri­fi­zie­rung, die so gut wie alle Lebens­be­rei­che ver­än­der­te. In den 1970er-Jahren kam die zweite große Ver­än­de­rung mit dem Auf­kom­men der ersten Mikro­pro­zes­so­ren und damit der Com­pu­ter. Seither sind wir mit der Digi­ta­li­sie­rung erneut in einer Phase des tech­ni­schen Wandels. Pro²­Fu­ture beschäf­tigt sich seit knapp zehn Jahren mit der Ein­bet­tung kogni­ti­ver Fähig­kei­ten des Men­schen in die Maschi­ne und indu­ziert damit eine dritten tech­no­lo­gi­schen Wandel in der Indus­trie, den der Kogni­fi­zie­rung.

Was bedeu­tet das konkret?

Wir bringen das mensch­li­che Wahr­neh­men, Erken­nen, Schluß­fol­gern, Lernen, Vor­her­sa­gen, Planen, Ent­schei­den in Pro­duk­te und Pro­duk­ti­ons­sys­te­me. Es geht um die Intel­li­genz­an­rei­che­rung der Dinge, also um Kogni­fi­zie­rung. Am Anfang haben wir uns die Frage gestellt: Was kommt nach der Digi­ta­li­sie­rung? Die Antwort: Erst wenn das letzte Ding, der letzte Prozess digi­ta­li­siert ist, wird man drauf­kom­men, dass man es kogni­fi­zie­ren hätte sollen. Derzeit werden KI-Systeme aus dem doku­men­tier­ten Wis­sens­be­stand der Mensch­heit trai­niert. Damit wird eine Wirkung erzielt, als han­del­te es sich dabei um mit­den­ken­de Dinge, in Wirk­lich­keit sind diese Systeme aber vor­pro­gram­mier­te Mus­ter­ana­ly­se­sys­te­me.

Wie wollen Sie Dinge mit Intel­li­genz anrei­chern?

Ein gutes Bei­spiel dafür ist unser neues For­schungs­pro­jekt „Strea­ming AI“. Derzeit sind die gän­gi­gen KI-Systeme sehr mono­li­thisch und zen­tra­li­siert orga­ni­siert. Sie werden mit rie­si­gem Aufwand und extrem res­sour­cen­in­ten­siv trai­niert. Com­pu­ter­leis­tun­gen von meh­re­ren Peta­flops sind dafür not­wen­dig. Ein Peta­flop ent­spricht 1.000 Bil­lio­nen Rechen­ope­ra­tio­nen pro Sekunde. Dafür braucht man riesige Rechner, Unmen­gen an Energie und eine massive Kom­mu­ni­ka­ti­ons­leis­tung, um die ver­ar­bei­te­ten Infor­ma­tio­nen an die rich­ti­gen Stellen zu bekom­men. Genau hier setzen wir mit „Strea­ming AI“ an. Wir wollen die KI ver­net­zen. Alle Teile des Systems, zum Bei­spiel einer Pro­duk­ti­ons­li­nie, können sich gegen­sei­tig Daten zukom­men lassen und jeder neue Wahr­neh­mungs­ein­druck in Daten­form ist ein wei­te­rer Schritt zu Lernen von Neuem. Die Lern­kon­trol­le liegt beim Men­schen: Posi­ti­ve Lern­ent­wick­lun­gen werden ver­stärkt, nega­ti­ve unter­drückt.

Wie werden aus Daten­flüs­sen Intel­li­genz­flüs­se?

Wie in der Erkennt­nis­fin­dung und Wis­sens­wei­ter­ga­be in der zwi­schen­mensch­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on, die sehr dezen­tral erfolgt, ist auch Strea­ming AI ein dezen­tral orga­ni­sier­tes Netz­werk von Intel­li­genz­kno­ten, die über Wis­sens­flüs­se ver­bun­den sind. Für die Ver­wert­bar­keit in der Indus­trie gehen wir mehr­stu­fig vor. Erster Ansatz­punkt sind fest ver­or­te­te Intel­li­genz­kno­ten, die in einem Netz­werk ver­bun­den sind, ähnlich einem Roo­ter­netz­werk. In der zweiten Stufe adres­sie­ren wir mobile Sze­na­ri­en, zum Bei­spiel autonom fah­ren­de Trans­port-Carts in einer Fabrik, wobei deren Anzahl gleich bleibt. In der dritten Stufe sind die Intel­li­genz­kno­ten nicht nur mobil, sondern auch dyna­misch. Sie ent­ste­hen und ver­schwin­den zur Lauf­zeit.

Welche Rolle kann Öster­reich in der Ent­wick­lung von KI spielen?

Die großen Player im GPT-Bereich sind nicht ein­zu­ho­len. Aller­dings sind diese Lösun­gen mit vor­trai­nier­ten mono­li­thi­schen Sys­te­men für die Indus­trie aus Kapa­zi­täts­grün­den nicht dar­stell­bar. Es braucht hier also alter­na­ti­ve Ansätze wie „Strea­ming AI“, bei der das System durch Beob­ach­tung im Betrieb lernt und nicht mit mas­si­ven Trai­nings­da­ten­men­gen vor­trai­niert wird. Wir liegen damit sehr viel näher an der indus­tri­el­len Rea­li­tät als die sehr indus­trie­frem­den GPTs.

www.pro2future.at

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