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„Grüner Stahl“ braucht genaue Kennt­nis des ato­ma­ren Aufbaus

Fort­schritt­li­che Stahl­le­gie­run­gen werden nicht nur neue Anwen­dun­gen ermög­li­chen, sondern auch wesent­lich zu Nach­hal­tig­keit, Ener­gie­ein­spa­rung und der Ver­rin­ge­rung der CO2-Emis­sio­nen bei der Her­stel­lung bei­tra­gen. Dafür soll die her­kömm­li­che Pro­duk­ti­on über die Hoch­ofen-Route auf Elek­tro­licht­bo­gen­öfen umge­stellt werden. An den Details forscht die Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben.

Derzeit ist der Aus­gangs­punkt der Stahl­her­stel­lung der tra­di­tio­nel­le Hoch­ofen. In ihm werden Koks und Eisen­erz ver­ar­bei­tet. Das Eisen­erz enthält Sau­er­stoff und wird mit Koks zu metal­li­schem Eisen redu­ziert dabei werden große Mengen des Treib­haus­ga­ses CO2 frei­ge­setzt.

„Man muss ver­su­chen, mehr Schrott bei der Stahl­her­stel­lung ein­zu­set­zen. In Elek­tro­licht­bo­gen­öfen können Schrott und soge­nann­ter Eisen­schwamm ein­ge­setzt werden, wodurch wesent­lich weniger CO2 frei­ge­setzt wird als mit der Hoch­ofen-Route“, weiß Ronald Schnit­zer, Leiter der Lehr­stüh­le für Metall­kun­de und Stahl­de­sign an der Mon­tan­uni Leoben.

Die Tücken stecken aller­dings im Detail: Schrott, so Schnit­zer, enthält soge­nann­te Begleit- und Spu­ren­ele­men­te wie Kupfer, Phos­phor, Schwe­fel, Arsen, Antimon, Zinn oder Stick­stoff. „Um die Ent­wick­lung von Stählen aus dem Elek­tro­licht­bo­gen­ofen zu ermög­li­chen, ist das Wissen um den Ein­fluss dieser Ele­men­te auf die Eigen­schaf­ten der Stahl­pro­duk­te eine not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung“, unter­streicht der Wis­sen­schaft­ler.

Der Ein­fluss der Begleit­ele­men­te werde zwar schon seit Jahr­zehn­ten unter­sucht, erforscht sei aber nur das Ver­hal­ten an den damals ver­wen­de­ten Stählen. „Die Stahl­le­gie­run­gen haben sich stark wei­ter­ent­wi­ckelt, sie sind kom­ple­xer gewor­den, deshalb weiß man zum Teil gar nicht mehr, was die Begleit­ele­men­te in ihnen alles ver­ur­sa­chen können. Wir unter­su­chen das, es wird uns in den nächs­ten Jahren beschäf­ti­gen.“

Für die Ana­ly­sen steht Schnit­zer und seinem Team eine Reihe hoch­mo­der­ner Instru­men­te zur Ver­fü­gung. Dar­un­ter ist die einzige Atom­son­de Öster­reichs, die in Leoben steht. Mit ihr kann die Nano­struk­tur von Mate­ria­li­en unter­sucht werden. „Wir können so den ato­ma­ren Aufbau von Stählen sehen. Zusätz­lich kommen Unter­su­chungs­me­tho­den wie die Laser­kon­fo­kal-Mikro­sko­pie oder ein Trans­mis­si­ons-Elek­tro­nen­mi­kro­skop, das eine beson­ders hohe Auf­lö­sung besitzt, zur Anwen­dung.

Die Stärke der Mon­tan­uni liegt, so Schnit­zer, in der ska­len­über­grei­fen­den Unter­su­chung der Stahl­pro­ben, die in Leoben ange­bo­ten wird. „Das ermög­licht uns die Cha­rak­te­ri­sie­rung von der ato­ma­ren Ebene über das Gefüge bis hin zu ganzen Bau­tei­len.“ In Kom­bi­na­ti­on mit ato­mis­ti­schen Simu­la­tio­nen, für die ein Super­com­pu­ter benö­tigt wird, der aller­dings in Wien steht, kann viel Geld und Zeit gespart werden: „Die Versuch-und-Irrtum-Methode wird suk­zes­si­ve durch die com­pu­ter­ge­stütz­te Mate­ri­al­wis­sen­schaft abge­löst“, ist Schnit­zer über­zeugt.

Durch diesen Ansatz wird die wis­sens­ba­sier­te Ent­wick­lung von Hoch­leis­tungs­stäh­len, die mit gerin­gen CO2-Emis­sio­nen her­ge­stellt werden, ermög­licht. In Bezug auf die Auto­mo­bil­in­dus­trie ist bei­spiels­wei­se der Trend zur Leicht­bau­wei­se einer der trei­ben­den Fak­to­ren für die Ent­wick­lung neuer hoch­fes­ter Stähle. „Weil immer mehr Elek­tro­nik in die Fahr­zeu­ge ein­ge­baut wird, muss an anderer Stelle Gewicht ein­ge­spart werden. Und das geht am ehesten bei der Karos­se­rie.“

Gleich­zei­tig darf die Per­so­nen­si­cher­heit nicht leiden. Deshalb sollen die Fes­tig­keit und Zähig­keit zugleich erhöht und die bis­he­ri­gen Eigen­schaf­ten weiter aus­ge­reizt werden. Für der­ar­ti­ge Anwen­dun­gen und Anfor­de­run­gen sind neu­ar­ti­ge Stähle mit ver­bes­ser­ten mecha­ni­schen Eigen­schaf­ten erfor­der­lich. „Wir brau­chen Stahl, der seine Eigen­schaf­ten im Fall eines Crashs ändert und die Auf­prall­en­er­gie mittels Ver­for­mung absor­biert. Die Basis für diese neu­ar­ti­gen Stähle ist ein umfas­sen­des Ver­ständ­nis der Legie­rungs­ein­stel­lung, der metall­ur­gi­schen Her­stell­pro­zes­se, des Wei­ter­ver­ar­bei­tungs­ver­fah­rens Walzen, der Struk­tur-Eigen­schafts-Bezie­hun­gen sowie der Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten von Stählen.“
Weitere Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten sieht der Lehr­stuhl­lei­ter in soge­nann­ten mikro­le­gier­ten Bau­stäh­len, wie sie für Kräne zum Einsatz kommen. Aber auch im Werk­zeug­bau oder für beschuss­si­che­re Fahr­zeu­ge könnten neu­ar­ti­ge Stähle Anwen­dung finden.

Der Elek­tro­licht­bo­gen­ofen ist für Schnit­zer und sein rund 40-köp­fi­ges Team an den Lehr­stüh­len für Metall­kun­de und Stahl­de­sign übri­gens nur ein Zwi­schen­schritt auf dem Weg zum „grünen Stahl“: „Lang­fris­tig streben wir bei der Her­stel­lung die Was­ser­stoff­tech­no­lo­gie an. Der Was­ser­stoff wird dann den Koh­len­stoff als Reduk­ti­ons­mit­tel erset­zen, sodass über­haupt kein CO2 mehr emit­tiert wird.“ Im Labor­maß­stab sei dies bereits möglich. Schnit­zer: „Ich bin opti­mis­tisch, dass es in der Zukunft auch im groß­tech­ni­schen Maßstab funk­tio­nie­ren wird.“

Mehr Infor­ma­tio­nen:
www.unileoben.ac.at

Foto­credit: MUL

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