Großes Potenzial im Bereich Wasserstoff

Beim Grazer Mobilitäts-Technologieunternehmen AVL beschäftigt man sich intensiv mit den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Wasserstoff für die Energieversorgung.
Wasserstoff. Hydrogen and Fuel Cell Text Center. Credit: AVL.

Wasserstoff ist nicht nur das häufigste Element im Universum und auf der Erde als Bestandteil des Wassers überreich vorhanden, sondern auch eines der großen Hoffnungsträger für die Energieversorgung der Zukunft. Beim Grazer Mobilitäts-Technologieunternehmen AVL beschäftigt man sich intensiv mit den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Wasserstoff.

Die Aktivitäten von AVL im Bereich Wasserstoff umfassen eine ganze Reihe von Themenkomplexen. Sie reichen von der Verwendung in Verbrennungsmotoren über die Energiegewinnung in dezentralen Kraftwerken bis zur Produktion von Wasserstoff mittels Elektrolyse. „Rund 600 unserer weltweit 10.700 Mitarbeiter befassen sich mit der Wasserstoffforschung“, erklärt Jürgen Rechberger, Vice President Hydrogen & Fuel Cell Powertrain Engineering bei AVL.

Das größte Brennstoffzellentestcenter der Welt

Im AVL-Hauptquartier in Graz steht eines der größten Brennstoffzellentestcenter der Welt. Auf acht Prüfständen können Brennstoffzellen analysiert und in der Folge optimiert werden. 20 Prüfstände sind theoretisch möglich. Die Wasserstoffversorgung des Testcenters erlaubt parallelen Betrieb von Brennstoffzellen bis zu rund zwei Megawatt elektrischer Leistung oder äquivalenter Elektrolysekapazität.

In der Brennstoffzellentechnologie sieht Rechberger eine realistische Alternative, Verbrennungsmotoren auch in schwer zu elektrifizierenden Bereichen (Lkw, Bahn, Schiff) zu ersetzen. „Wasserstoff in einem Verbrennungsmotor einzusetzen, macht bei Pkws aktuell weniger Sinn. Diese Art der Anwendung ist eher im Bereich der Schifffahrt möglich oder im Off-Road-Bereich wie etwa bei Traktoren. Bei der Bahn ist man schon so weit, Wasserstoff-Brennstoffzellen im ganz normalen Betrieb anzuwenden. Alstom baut zum Beispiel Wasserstofflokomotiven bereits in Serie.“

Steigerung der Effizienz

Einer der Schwerpunkte der AVL-Wasserstoffforschung ist die Weiterentwicklung der Elektrolyse. „Wir setzen auf die Hochtemperatur-Elektrolyse, bei der Wasserdampf statt flüssigem Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Das führt zu einer rund 20-prozentigen Effizienzsteigerung”, schildert Rechberger. Derzeit wird Wasserstoff weltweit vor allem aus Erdgas gewonnen. Die Elektrolyse ist eine umweltfreundliche Möglichkeit, überschüssigen Strom in einen einfach speicherbaren chemischen Energieträger umzuwandeln. Ein Hochtemperatur-Elektrolyseur wird bei AVL im kommenden Jahr in den Testbetrieb gehen.

Auch bei der Stromgewinnung in lokalen Wasserstoffkraftwerken setzt AVL auf hohe Temperaturen. „Hochtemperatur-Brennstoffzellen sind effizienter und mit unterschiedlichsten erneuerbaren Energieträgern wie Wasserstoff, Methanol oder Ammoniak einsetzbar.“ 10- bis 250-Kilowatt- Brennstoffzellenkraftwerke werden in aktuell laufenden Projekten bis zur Marktreife entwickelt. Rechberger: „Das macht sie ideal für die Energieversorgung von Krankenhäusern, Rechenzentren oder auch zur Netzstützung für Batterielader, da unsere Stromnetze durch die fortschreitende Elektrifizierung an ihre Grenzen stoßen werden.“

Verwendungsbereiche für Wasserstoff

Eine weitere Verwendungsmöglichkeit für Wasserstoff ist die Herstellung von E-Fuels. Dabei werden Kohlenwasserstoffe aus ihren Grundsubstanzen mit der Hilfe von Elektrizität synthetisch erzeugt. Sie können dann in klassischen Verbrennungsmotoren verwendet werden. AVL konzentriert sich hierbei vor allem auf die Effizienzsteigerung bei der E-Fuels-Produktion.

Langfristig, so Rechberger, werden sich diese synthetischen Treibstoffe wohl in der Luftfahrt und im Offroad-Bereich durchsetzen. „Im Pkw-Sektor werden sich eher Brennstoffzellen und Batterien durchsetzen.“ In der Luftfahrt stehe der Einsatz von Wasserstoff aber noch ganz am Anfang. Airbus experimentiere mit Brennstoffzellen, die die Energie für Elektromotoren liefern sollen. Rechberger ist aber sicher, dass sich diese Technologie eher für Kurzstreckenflugzeuge eignet: „Auf der Mittel- und Langstrecke wird man wohl auf E-Fuels zurückgreifen.“

Wasserstoff als systemischer Energieträger

Große Erwartungen setzen die AVL-Forscher*innen darin, dass Wasserstoff das Erdgas ersetzt, was die Energiegewinnung im Winter betrifft. „Wasserstoff muss aus unserer Sicht in der kalten Jahreszeit systemischer Energieträger werden“, ist Rechberger überzeugt. Dazu könnten bestehende Gaskraftwerke auf den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden. „Das geht relativ leicht. Sollten neue Gaskraftwerke gebaut werden, muss man sie unbedingt so konzipieren, dass der Betrieb mit beiden Energieträgern möglich ist.“

AVL hat ein Szenario erstellt, wie das österreichische Energiesystem im Jahr 2050 aussehen kann. Simuliert werden der Energieverbrauch und die Erzeugung im Stundentakt. Angenommen wird eine völlige Dekarbonisierung sowie die Verringerung des Personenverkehrs in Autos um 25 Prozent und das Gleichbleiben des Gütertransports auf der Straße, wie sie im Mobilitätsmasterplan 2030 vorgesehen sind. Darüber hinaus liegt der Simulation die Annahme zugrunde, dass durch thermische Isolierung und einen Umstieg auf Wärmepumpen der Energieverbrauch für das Heizen von Gebäuden stark gesenkt werden kann. Außerdem sollen 30 Prozent des benötigten Wasserstoffs in Österreich produziert werden.

Fehlende Energie

„118 Terawattstunden elektrische Energie würden unserem Szenario zufolge im Jahr 2050 aus erneuerbaren Quellen kommen. 2019 waren es 54 Terawattstunden. Der Verbrauch wird von 54 auf 136 Terawattstunden steigen. Dafür geht die Nutzung fossiler Energie durch Endverbraucher von 180 auf null Terawattstunden zurück.“ Unterm Strich würden Österreich allerdings rund 25 Terawattstunden Energie im Jahr fehlen, wobei sich das Defizit auf die Wintermonate konzentriert.

Die AVL-Experten schätzen den gesamten Wasserstoffbedarf für Österreich auf mehr als 53 Terawattstunden. Sollten verstärkt Wasserstoffkraftwerke zum Einsatz kommen, würde der Bedarf sogar auf 80 Terawattstunden steigen. Ein signifikanter Teil dieses Wasserstoffes müsste importiert werden. „Eine lokale Produktion, die diesen Bedarf zur Gänze abdeckt, erscheint uns unrealistisch“, erklärt Rechberger. Aus dem Szenario gehe klar hervor, „dass Wasserstoff und Wasserstoffderivate eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung spielen und die erneuerbare Energie für Mobilität, Industrie und Energieversorgung bereitstellen werden.“

Mehr Informationen:
www.avl.com

Credit: AVL

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