AVL: Elek­tro­mo­bi­li­tät auf dem Prüfstand

Das Thema Elektromobilität hat volle Fahrt aufgenommen! Vor dem Durchbruch bedarf es strenger Test erklärt Experte Urs Gerspach, Geschäftsführer dieses Bereichs bei AVL.
Urs Gerspach ist Geschäftsführer des Bereiches Mess- und Prüfsysteme beim Grazer Technologiekonzern AVL List GmbH und Experte für Elektromobilität.
Urs Gerspach ist Geschäftsführer des Bereiches Mess- und Prüfsysteme beim Grazer Technologiekonzern AVL List GmbH und Experte für Elektromobilität. Fotocredit: AVL/Toni Muhr.

Der Grazer Tech­no­lo­gie­kon­zern AVL List GmbH ist ein Pionier im Bereich der Ent­wick­lung und Her­stel­lung von Test­sys­te­men für Elek­tro­fahr­zeu­ge. Bereits vor mehr als 15 Jahren begann AVL damit, neue Test­sys­te­me für Elek­tro­mo­bi­li­tät zu ent­wi­ckeln. In diesem Bereich werden Prüf­stän­de ent­wi­ckelt und her­ge­stellt, auf denen viele Auto­mo­bil­her­stel­ler ihre Elek­tro­fahr­zeu­ge testen. Über die Her­aus­for­de­run­gen und Inno­va­tio­nen spricht Urs Gerspach, Geschäfts­füh­rer des Bereiches Mess- und Prüf­sys­te­me beim Grazer Tech­no­lo­gie­kon­zern AVL List GmbH.

Pionier im Test-Bereich Elek­tro­mo­bi­li­tät

AVL hat bereits sehr früh, und zwar schon vor über 15 Jahren begonnen, neue Test­sys­te­me für die Elek­tro­mo­bi­li­tät zu ent­wi­ckeln. „Bereits damals war das Hybrid­fahr­zeug Stand der Technik. Für diese Tech­no­lo­gie wurden neue Test­sys­te­me benötigt, um z.B. die Batterien, E‑Motoren und Inverter am Prüfstand testen zu können“, erklärt Urs Gerspach. Der AVL-Geschäfts­füh­rer hat die globale Ver­ant­wor­tung für Mess­tech­nik­pro­duk­te, Test­sys­te­me, aber auch für die Instal­la­ti­on und Inbe­trieb­nah­me der Prüf­stän­de vor Ort bei den welt­wei­ten Kunden.

Neue Technik, neue Her­aus­for­de­run­gen

Die Elek­tro­mo­bi­li­tät bringt viele neue Her­aus­for­de­run­gen mit sich. Unter anderem gibt es derzeit keine ein­heit­li­chen Standards für die Batterien. Jeder Kunde hat seine eigenen Anfor­de­run­gen an Kapazität und Leistung. Ange­fan­gen von der kleinsten Einheit, der Bat­te­rie­zel­le, bis hin zur Gesamt­bat­te­rie kommen unter­schied­li­che Test­sys­te­me und Test­pro­ze­du­ren zum Einsatz. Ein Beispiel dafür sind Kli­ma­kam­mern, in denen die Batterien bei Tem­pe­ra­tu­ren von minus 40 bis plus 80 Grad unter realen Fahr­test­zy­klen getestet werden können. Lade- und Ent­la­de­zy­klen unter extremen Tem­pe­ra­tu­ren lassen die Bat­te­rie­zel­len schneller altern als bei normalen Tem­pe­ra­tu­ren im Alltag, „Wir setzen die Bat­te­rie­zel­len extremen Bedin­gun­gen aus, um die Leis­tungs­fä­hig­keit, aber auch die Sicher­heit zu testen“, sagt Gerspach. Ein Test­pro­gramm kann dabei mehrere Monate dauern.

Test­sys­te­me im Detail

Derzeit verwenden viele Auto­mo­bil­her­stel­ler Lithium-Ionen-Batterien. Durch mecha­ni­sche Beschä­di­gun­gen der Zellen z.B. bei einem Unfall oder durch einen elek­tri­schen Kurz­schluss können Gase frei­ge­setzt werden und die Bat­te­rie­zel­len können in Brand geraten. „Dazu haben wir Test­sys­te­me ent­wi­ckelt, die genau dieses Fehl­ver­hal­ten simu­lie­ren und testen, aber in einem Brandfall auch effektiv löschen können. Neben dem Brand­schutz sind aller­dings sehr hohe Sicher­heits­an­for­de­run­gen zum Testen von Batterien notwendig, die wir einhalten müssen.“

Dyna­mi­sches Tätig­keits­feld

In der Ent­wick­lung der Elek­tro­mo­bi­li­tät herrscht aktuell eine extreme Dynamik. „Derzeit sind Fahrzeuge mit über 100 Kilo­watt­stun­den Spei­cher­ka­pa­zi­tät am Markt. Diese Kapazität wird sich in Zukunft aber deutlich steigern. Tesla setzt bis jetzt 400-Volt-Technik ein, Porsche 800 Volt und es gibt Her­stel­ler, die bereits Elek­tro­au­tos mit 1000-Volt-Technik ent­wi­ckeln. Wir können unseren Kunden bereits Test­sys­te­me bis 2000 Volt liefern. Solch hohe Span­nun­gen sind heute für den Einsatz in sta­tio­nä­ren Bat­te­rie­spei­chern oder Lkws notwendig.“ Treiber für die Branche sei aber nach wie vor der elek­trisch ange­trie­be­ne Pkw. Die Batterien werden mit­tel­fris­tig billiger werden, als sie es heute sind, so die Ein­schät­zung von Gerspach. Darüber hinaus wird auch an neuen Mate­ria­li­en und Bat­te­rie­bau­for­men geforscht wie der Fest­stoff­bat­te­rie, die die Brand­ge­fahr deutlich senken wird.

Die wich­tigs­ten Themen bei der Zunahme der Elek­tro­mo­bi­li­tät sind für den Geschäfts­füh­rer der Ausbau der Lade­infra­struk­tur, die Erhöhung der derzeit ver­füg­ba­ren Reich­wei­te sowie eine Ver­kür­zung der Lade­zei­ten. Um die Akzeptanz beim Endkunden zu steigern, wird es wichtig sein, umgehend Lösungen für diese tech­ni­schen Her­aus­for­de­run­gen anzu­bie­ten. Seitens der Fahr­zeug­her­stel­ler ist bereits ein Wettlauf im Gang, um Reich­wei­ten von bis zu 1.000 Kilo­me­tern und Lade­zei­ten von deutlich unter 20 Minuten zu rea­li­sie­ren.

Simu­la­ti­ons­soft­ware

Ein wichtiges Tool in dieser rasanten Ent­wick­lung ist der Einsatz von Simu­la­ti­ons­um­ge­bun­gen, die mitt­ler­wei­le aus der Fahr­zeug­ent­wick­lung nicht mehr weg­zu­den­ken sind. Auf den AVL-Prüf­stän­den, in denen reale Hardware getestet wird, können wir in Kom­bi­na­ti­on mit unserer AVL-Simu­la­ti­ons­­­soft­ware die Realität sehr wirk­lich­keits­ge­treu nach­bil­den. „Dabei steuern wir reale Hard­ware­kom­po­nen­ten mit ent­spre­chen­der Simu­la­ti­ons­soft­ware an, um ver­schie­de­ne Anfor­de­run­gen zu testen“, schildert Gerspach.

Im Bereich der E‑Mobilität wird der Fokus heute auch auf das Emulieren (d.h. hier wird ein Ergebnis nach­ge­ahmt) gelegt. „Wenn zum Beispiel in einer frühen Ent­wick­lungs­pha­se der E‑Motor noch nicht zur Verfügung steht, wird dieser durch unser Test­sys­tem einfach per Software nach­ge­ahmt (emuliert). Wir können damit bereits das Gesamt­sys­tem Fahrzeug mit Batterie und Inverter, aber ohne E‑Motor am Prüfstand testen. Mit unseren AVL-Test­sys­te­men kann man natürlich auch die Batterie und im Endeffekt fast alle Kom­po­nen­ten eines E‑Fahrzeugs emulieren bzw. nachahmen. Dies hilft Kosten und Zeit in der Ent­wick­lung zu sparen, da unsere Kunden die Erprobung des E‑Fahrzeuges nicht mehr auf der Straße durch­füh­ren, sondern auf den Prüfstand verlegen“.

Eine besondere Her­aus­for­de­rung stellt bei Simu­la­tio­nen die interne Zell­che­mie der Batterie dar. „Es gibt Kunden, die 10.000 Bat­te­rie­zel­len in einem Labor testen. Da wird die Prüf­tech­nik schon sehr anspruchs­voll.“ Ziel ist es, die Daten für ein genaues simu­lier­tes Modell der Bat­te­rie­che­mie zu sammeln. „Dafür braucht es sehr viel Gehirn­schmalz und ein sehr gutes Ver­ständ­nis der Zell­che­mie, aber auch hier machen wir sehr große Fort­schrit­te mit unserer Simu­la­ti­ons­soft­ware.“ Trotzdem können selbst die besten Simu­la­tio­nen nach Ansicht von Gerspach den realen Test nicht hun­dert­pro­zen­tig ersetzen. „Das Testing wird nie ver­schwin­den.“

Was­ser­stoff als Treib­stoff der Zukunft

Bei Nutz­fahr­zeu­gen wird es eher auf den Einsatz von Brenn­stoff­zel­len und damit auf Was­ser­stoff als Treib­stoff hin­aus­lau­fen“, ist Gerspach überzeugt. „Auch dafür liefert AVL die Test­sys­te­me.“ Die Ent­wick­lung bei Batterien sei derzeit weiter als jene der Brenn­stoff­zel­len, aber es werde schnell aufgeholt.

Das Nach­tan­ken wäre mit Was­ser­stoff deutlich einfacher zu lösen als mit Akkus. „Leider ist der Wir­kungs­grad bei Brenn­stoff­zel­len nicht sehr hoch. Das spielt aller­dings dann keine große Rolle mehr, wenn zur Was­ser­stoff­er­zeu­gung grüne Über­schuss­ener­gie verwendet wird.“ Auch bei der Brenn­stoff­zel­len-Tech­no­lo­gie besteht noch großer For­schungs­be­darf. „Wir reden da über ein hoch­kom­ple­xes Aggregat, bei dem erheb­li­ches Ent­wick­lungs­po­ten­zi­al vorhanden ist. Die Her­stel­ler beschäf­ti­gen sich jeden­falls mit der Materie – wir bauen gerade für ver­schie­de­ne Fahr­zeug­her­stel­ler Brenn­stoff­zel­len-Prüf­stän­de in aller Welt“.

Neue Gesetze für Abgas­grenz­wer­te

Die Business Units im Geschäfts­be­reich von Herrn Gerspach beschäf­ti­gen sich nicht nur mit Elek­tro­mo­bi­li­tät. Eines der zahl­rei­chen weiteren Geschäfts­fel­der sind Mess­sys­te­me für die zukünf­ti­ge neue Abgas­ge­setz­ge­bung, die strengere Grenz­wer­te für CO2- und Partikel-Emis­sio­nen festlegen wird. In relativ naher Zukunft werden in dieser neuen EU-Gesetz­ge­bung Partikel mit einem Durch­mes­ser von zehn Nano­me­tern als Grenzwert fest­ge­legt. „Wir bei AVL haben schon jetzt Mess­ge­rä­te ent­wi­ckelt, die so kleine Partikel detek­tie­ren können.“

Wichtig sei auch die möglichst genaue Messung des CO2-Ausstoßes von Ver­bren­nungs­mo­to­ren. „Je präziser die Messung, umso besser ist das für die Her­stel­ler“, so Gerspach. Dabei gehe es nicht nur um die Ein­hal­tung von Umwelt­nor­men, sondern auch um den Kraft­stoff­ver­brauch. „Wir bieten In-Vehicle-Mess­sys­te­me an. Diese stellen fest, was tat­säch­lich aus dem Auspuff her­aus­kommt – im realen Fahr­be­trieb.“

Zukunft der Mobilität

Der Ver­bren­nungs­mo­tor wird uns noch eine Zeit lang begleiten: „Aller­dings in zuneh­men­dem Maße in Form eines Hybrid­an­triebs.“ AVL baut deshalb bestehen­de Prüf­stän­de bei den Her­stel­lern um, damit Hybrid­fahr­zeu­ge darauf getestet werden können. „Es gibt aber Kunden, die reine Elektro-Prüf­stän­de anfordern. Manche unserer Kunden kommen zu uns mit der Anfor­de­rung, bestehen­de Ver­bren­nungs­mo­to­ren-Prüf­fel­der komplett auf Elek­tri­fi­zie­rungs-Test­sys­te­me umzu­rüs­ten.“

Nicht nur die Her­stel­ler von Seri­en­fahr­zeu­gen zählen zu den Kunden der AVL, sondern auch fast alle Kunden aus dem Motor­sport­be­reich. Dort wird unter anderem die gesamte Formel 1 mit AVL Prüf­stän­den für die hoch­mo­der­nen Renn­mo­to­ren aus­ge­stat­tet. „Wir liefern gerade ein komplett neues Prüffeld an Red Bull Power­trains. Das Formel-1-Team will jetzt selbst Motoren ent­wi­ckeln, nachdem der bisherige Partner Honda in diesem Bereich aussteigt. „Wir sind stolz darauf, wenn unsere Kunden uns ver­si­chern, dass AVL die welt­bes­ten Renn­sport­prüf­stän­de liefert, und die Formel 1 ist nun einmal die Königs­klas­se“, freut sich Gerspach.

Der Artikel erschien zuerst in “JUST-Science”. Das Magazin wird mit finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung in völliger Unab­hän­gig­keit von der JUST-Redaktion gestaltet.

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