JUST-Redaktion|

Distance Lear­ning und Des­in­fek­ti­ons­mit­tel

Die Corona-Pan­de­mie und der Lock­down haben auch an der Mon­tan­uni Leoben einiges ver­än­dert. Mit schnel­len Maß­nah­men konnte der Betrieb aber auf­recht­erhal­ten werden. Rektor Wil­fried Eichl­se­der geht davon aus, dass die Stu­die­ren­den kein Semes­ter wegen Covid-19 ver­lie­ren werden.

Wie ist die Mon­tan­uni Leoben bisher durch die Corona-Krise gekom­men?

Rektor Wil­fried Eichl­se­der: Wir haben sofort und umfas­send auf die Pan­de­mie reagiert. Bereits am 11. März, also schon mehrere Tage vor dem Lock­down, haben wir ein Kri­sen­team auf­ge­stellt. Es besteht aus drei Task Forces – eine für die Lehre, eine für die For­schung und eine für den all­ge­mei­nen Betrieb. Das Kri­sen­team hat sich erst täglich getrof­fen, nachdem der Verlauf in ruhi­ge­re Bahnen gekom­men ist, tagt dieses Gremium im All­ge­mei­nen nur mehr einmal wöchent­lich.

Der Lock­down in Öster­reich kam ja dann am 16. März …

Eichl­se­der: Ab diesem Tag wurden auch bei uns die Türen geschlos­sen. Wir haben den Betrieb aber sehr schnell wieder auf­neh­men können, unsere Leh­ren­den haben in nur zwei, drei Tagen auf Distance Lear­ning umge­stellt, obwohl sie eigent­lich in den Oster­fe­ri­en waren. Das war, wenn ich so sagen darf, wirk­lich Mon­tan­uni-unique, dieses Tempo.

Wie ging es dann weiter?

Eichl­se­der: Wir hatten das Ziel, spä­tes­tens bis Ende Mai mit den Vor­le­sun­gen fertig zu sein, und haben ange­peilt, danach die Übungen in den Labors wieder anbie­ten zu können. Zum Glück konnten wir diese, zumin­dest teil­wei­se, schon am 23. April wieder öffnen – unter Sicher­heits­auf­la­gen natür­lich, wie zum Bei­spiel Mas­ken­pflicht in allen Gebäu­den. Unsere abso­lu­te Prio­ri­tät ist es gewesen, dass unsere Stu­die­ren­den wegen Corona kein Semes­ter ver­lie­ren.

Wird das gelin­gen?

Eichl­se­der: Wenn nichts Unvor­her­seh­ba­res pas­siert, denke ich schon. Wir haben im April die Labore erst mit einem Viertel der Mann­schaft wieder öffnen können, im Mai dann mit halber Beset­zung. Ab Anfang Juni war das ganze Team wieder da. Seit diesem Zeit­punkt haben wir sozu­sa­gen wieder Nor­mal­be­trieb.
Die Vor­le­sun­gen wurden und werden aller­dings nach wie vor in Form von Distance Lear­ning abge­hal­ten. Unsere Mit­ar­bei­ter waren natür­lich auch während der Zeit der Sperre nicht untätig: Sie haben im Home-Office wei­ter­ge­ar­bei­tet.

Wie sieht es bei den Prü­fun­gen aus?

Eichl­se­der: Die führen wir zum Teil über Video durch. Das funk­tio­niert gut. In der Praxis wird der Com­pu­ter des Prüf­lings durch Remote Desktop kon­trol­liert, welche Pro­gram­me aktiv sind. Dann erhält der Stu­die­ren­de seine Auf­ga­ben schrift­lich – Aufgabe nach Aufgabe – und arbei­tet sie ab. Die münd­li­chen Prü­fun­gen sind per Video­kon­fe­renz ohnehin kein Problem.

Abseits der Lehre – wie hat sich die Pan­de­mie da auf die Mon­tan­uni aus­ge­wirkt?

Eichl­se­der: Da sind teil­wei­se wirk­lich ori­gi­nel­le Dinge pas­siert. Unsere Che­mi­ker haben zum Bei­spiel ganz schnell selbst Des­in­fek­ti­ons­mit­tel her­ge­stellt, die ja zu Beginn von Covid-19 abso­lu­te Man­gel­wa­re waren. Als das bekannt wurde, haben wir Anfra­gen von Kran­ken­häu­sern aus ganz Öster­reich bekom­men, ob wir sie nicht belie­fern können. Wir haben auch Masken her­ge­stellt – auf 3D-Dru­ckern. Da gab es eben­falls Anfra­gen an uns.

Die For­schung ist während Corona normal wei­ter­ge­gan­gen?

Eichl­se­der: Zum Glück spüren wir da relativ geringe Aus­wir­kun­gen. Die meisten Firmen haben ihre Koope­ra­tio­nen mit uns wei­ter­ge­führt. Sicher kam es ver­ein­zelt zu Auf­trags­stopps. Manche Firmen haben die For­schung redu­ziert, aber in der Mehr­zahl wurden zwar unter­neh­me­ri­sche Tätig­kei­ten her­un­ter­ge­fah­ren, die For­schung und Ent­wick­lung aber bei­be­hal­ten. Manche Betrie­be haben sie sogar inten­si­viert. Gene­rell hoffe ich, dass bei der For­schung die Situa­ti­on erst einmal so bleibt, wie sie ist.

Können Sie eine Pro­gno­se abgeben, wie es an der Mon­tan­uni­ver­si­tät wei­ter­geht?

Eichl­se­der: Nein, das wissen wir nicht. Ins­ge­samt glaube ich aber, dass wir in Leoben einige Vor­tei­le haben. Wir sind eine kleine Uni­ver­si­tät mit ent­spre­chend kleinen Struk­tu­ren. Darum können wir auf neue Aspekte der Pan­de­mie und ihrer Bekämp­fung sehr rasch reagie­ren. Auch geo­gra­fisch sind wir eine Uni­ver­si­tät der kurzen Wege – unsere Insti­tu­te befin­den sich alle auf dem­sel­ben, über­schau­ba­ren Areal.

Ich glaube, dass wir mit dem Hybrid­mo­dell Prä­senz­leh­re und Distance Lear­ning erst einmal gut wei­ter­ma­chen können. Aller­dings wissen wir nicht, wie sich Covid-19 auf unsere Kol­le­gen und Stu­die­ren­den aus dem Ausland aus­wir­ken wird – egal ob sie aus der EU oder anderen Regio­nen kommen.

Ver­las­sen wir das Thema Corona, kommen wir zur all­ge­mei­nen Situa­ti­on der Mon­tan­uni Leoben. Haben Sie genü­gend Stu­die­ren­de?

Eichl­se­der: Wir könnten immer mehr gebrau­chen. Vor allem wollen wir mehr Absol­ven­ten – derzeit sind es rund 250 im Jahr. Die Drop-out-Rate ist natür­lich auch sehr hoch.

Warum ist sie so hoch? Sind die Studien an der Mon­tan­uni so schwer?

Eichl­se­der: Nein, das ist gar nicht der Grund. Wir haben einen ziem­lich hohen Anteil an soge­nann­ten Job-out-Stu­die­ren­den. Das sind junge Leute, die von Unter­neh­men schon vor Ende ihres Stu­di­ums ange­heu­ert werden – zu sehr guten Bedin­gun­gen. Dieses Phä­no­men ist in Leoben sehr aus­ge­prägt.

Warum inter­es­sie­ren sich so wenige junge Men­schen für ein tech­ni­sches Studium an der Mon­tan­uni?

Eichl­se­der: Viele kommen erst gar nicht zu uns. Das hat den­sel­ben Grund wie die Drop-out-Rate: Gerade HTL-Absol­ven­ten wären prä­de­sti­niert, bei uns zu stu­die­ren. Aber sie werden von den Firmen unmit­tel­bar nach der Matura abge­holt, weil die ver­zwei­felt Tech­ni­ker suchen.

Wo sehen Sie den Grund für die weit ver­brei­te­te Tech­nik­skep­sis, die in gerin­ges Inter­es­se für den MINT-Bereich mündet?

Eichl­se­der: Ich denke, dass es dafür zwei Haupt­ur­sa­chen gibt. Die eine ist, dass es nach der Auf­bruch­stim­mung der 60er- und 70er- Jahre, in der die Technik von der Gesell­schaft extrem positiv beur­teilt worden ist, so in der Mitte der 80er- Jahre ein Umden­ken gegeben hat. Die Umwelt wurde plötz­lich wich­ti­ger und diese Wer­te­ver­schie­bung hat zu Skepsis gegen­über jeder Art von Tech­no­lo­gie geführt.

Der zweite Grund – aber das ist meine ganz per­sön­li­che Theorie – ist, dass es für Kinder und Jugend­li­che kaum mehr Technik zum Angrei­fen gibt. Meine Gene­ra­ti­on hat gebas­telt und sich mit Technik beschäf­tigt. Matador, Fischer Technik, Metall­bau­käs­ten, selbst das gute alte Lego waren Ein­stiegs­mög­lich­kei­ten in die Technik. Elek­tro­nik bietet diese Mög­lich­keit nicht oder nur in sehr gerin­gem Maß.

Was kann man gegen die Tech­nik­skep­sis tun?

Eichl­se­der: Wir als Mon­tan­uni haben das Projekt School@MUL ins Leben gerufen. Dabei ver­su­chen wir, Kindern von der Volks­schu­le n bis 14 Jahre Begeis­te­rung für Technik zu ver­mit­teln. Eigent­lich war es unser Plan, eigene Lern­la­bors ein­zu­rich­ten, aber das mussten wir wegen Corona leider ver­schie­ben. Wir wollen auch die Lehrer ins Labor holen, denn die sollen ja tech­ni­sches Wissen wei­ter­ge­ben und das Inter­es­se dafür wecken. Die Lehrer sollen von uns die Grund­be­grif­fe der Technik an ihre Schulen mit­neh­men.

Das Projekt School@MUL – MUL steht für Mon­tan­uni Leoben – wird auch von nam­haf­ten Firmen unter­stützt. Unter ihnen finden sich Kon­zer­ne wie die Voest, AT&S oder die Pierer Group. Gerade die Indus­trie sucht ja hän­de­rin­gend Tech­ni­ker.

Die Berufs­aus­sich­ten sind für Absol­ven­ten der Mon­tan­uni also gut?

Eichl­se­der: Auf jeden Fall. Wie schon gesagt, gar nicht so wenige Stu­die­ren­de werden ja bereits vor dem Abschluss von uns abge­wor­ben. Es hat immer Stellen für unsere Absol­ven­ten gegeben, selbst in Kri­sen­zei­ten waren Flauten auf dem Arbeits­markt für Tech­ni­ker immer schnell vorbei. Und es sind schöne Jobs, die unseren jungen Leuten offen­ste­hen.

Inwie­fern?

Eichl­se­der: Ich nehme da meine eigene Kar­rie­re als Bei­spiel: Ich habe immer auf Augen­hö­he mit anderen gear­bei­tet, habe die ganze Welt gesehen und viele ver­schie­de­ne Kul­tu­ren ken­nen­ge­lernt. Es war unglaub­lich viel­sei­tig, von Tätig­kei­ten in der Wirt­schaft bis zum Manage­ment. Und jetzt darf ich Rektor einer ange­se­he­nen Uni­ver­si­tät sein. Ich kann mir nichts Tol­le­res vor­stel­len.

Ist der Stand­ort der Mon­tan­uni im relativ kleinen Leoben ein Nach­teil?

Eichl­se­der: Ja, auch wenn es für mich per­sön­lich auch viele Vor­tei­le hat. Es ist wahr­schein­lich eine Frage des Alters. Ich schätze die Lebens­qua­li­tät und bin froh, hier zu arbei­ten und zu leben. Leoben hat sich ja auch ver­än­dert, dass es eine Klein­stadt ist, ist kein K.o.-Kriterium mehr. Die Bahn­ver­bin­dun­gen nach Graz oder Wien sind toll, man ist schnell dort. Und eine stu­den­ti­sche Sub­kul­tur hat sich auch in Leoben ent­wi­ckelt.

Darüber hinaus schafft die Tat­sa­che, dass wir eine kleine Uni sind, einen ganz beson­de­ren und engen Zusam­men­halt. Die Bindung ist hoch.

Mehr Infor­ma­tio­nen:

www.unileoben.ac.at

Ent­gelt­li­che Medi­en­ko­ope­ra­ti­on: Die redak­tio­nel­le Ver­ant­wor­tung liegt beim JUST.

Foto­credit: Foto Frei­sin­ger

Weitere Beiträge

Arosa auf den Spuren des Lang­wie­ser Via­dukts

Anläss­lich des 111-jäh­ri­gen Jubi­lä­ums des Lang­wie­ser Via­dukts – einst die größte und weitest gespann­te Stahl­be­ton-Eisen­bahn­brü­cke der Welt – hat das neue Viadukt Museum Lang­wies eröff­net. Direkt beim Bahnhof Lang­wies gelegen, lädt das Museum alle Inter­es­sier­ten an Eisen­bahn­ge­schich­te, Archi­tek­tur, Technik und alpiner Kultur ein, die fas­zi­nie­ren­de Geschich­te des Via­dukts und der Chur-Arosa-Bahn­li­nie zu ent­de­cken.

Story lesen