JUST-Redaktion|

Der Bergbau ist längst digital

Die Digi­ta­li­sie­rung und der Bergbau sind nicht von­ein­an­der zu ent­kop­peln. In einem Handy sind zum Bei­spiel mehr als 40 Metalle ent­hal­ten, die im Bergbau geför­dert werden.

Umge­kehrt hat die Digi­ta­li­sie­rung längst Einzug in eine der ältes­ten Akti­vi­tä­ten der Zivi­li­sa­ti­on gehal­ten. An der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben arbei­tet man an nach­hal­ti­gen Lösun­gen für den Bergbau.

„Es geht uns um Nach­hal­tig­keit im Bergbau“, unter­streicht Michael Tost, der Pro­fes­sor für nach­hal­ti­ge Berg­bau­tech­no­lo­gien am Lehr­stuhl für Berg­bau­kun­de, Berg­tech­nik und Berg­wirt­schaft an der Mon­tan­uni Leoben ist. Er hat dabei nicht nur, aber auch die soge­nann­ten Kon­flikt­mi­ne­ra­le im Auge. Dar­un­ter ver­steht man Ele­men­te wie Gold, Tantal, Wolfram oder Zinn, deren Abbau beson­ders große Ein­flüs­se auf die Umwelt und auf die Gesell­schaft hat, da sie zur Finan­zie­rung bewaff­ne­ter Kon­flik­te genutzt werden. In einem Handy kommen sie alle vor.

Aller­dings in Mengen, so Tost, die im Gramm­be­reich liegen. „Deshalb haben wir auch den Bezug dazu ver­lo­ren. Denn auch wenn in einem ein­zel­nen Handy nur wenig Metall verbaut ist, das zusam­men viel­leicht einen Wert von 2 Euro hat, so gibt es doch Mil­li­ar­den Smart­phones auf der Welt. Global gesehen kommen da enorme Mengen an Metall zusam­men. So betrach­tet können wir uns das Weg­wer­fen dieser Geräte nicht leisten.“

Bedau­er­li­cher­wei­se sei das Recy­cling von Metal­len aus Handys tech­nisch zwar durch­aus möglich, wirt­schaft­lich aber nicht sinn­voll. „Wir müssen die Pro­zes­se in der Her­stel­lung ändern, um das ren­ta­bel zu machen. Das fängt damit an, dass es bei­spiels­wei­se besser wäre zu schrau­ben statt zu kleben.“ Und es wäre nötig, nicht so viele ver­schie­de­ne Mate­ria­li­en in ein Gerät ein­zu­bau­en, die Hälfte würde nach Ansicht von Tost reichen. „Wir müssen schon im Design das spätere Recy­cling berück­sich­ti­gen.“

Eine große Her­aus­for­de­rung wird die Elek­tro­mo­bi­li­tät sein, ist Tost über­zeugt. „Der Bedarf an Lithium in der EU wird sich laut Pro­gno­sen ver­sech­zig­fa­chen! Das hat zur Folge, dass neue Vor­kom­men erschlos­sen werden müssen, aber auch dass der Bergbau zukünf­tig anders aus­se­hen wird müssen als heute.“
Einer­seits werde man sich um einen mög­lichst CO2-neu­tra­len Abbau bemühen müssen, vor allem aber könne für den Abbau nicht mehr so viel Land ver­braucht werden wie bisher. „Wenn über­haupt, dann muss der Tagbau so klein wie möglich gehal­ten werden“, fordert Tost.

Denkbar sei der Abbau unter Tage mittels Lösun­gen. „Man kann Bak­te­ri­en in die Lager­stät­ten ein­brin­gen, die zum Bei­spiel Kupfer aus dem Gestein lösen. Die ange­rei­cher­te Lösung pumpt man dann nach oben.“ Das habe den Vorteil, dass an der Ober­flä­che nur wenig Land ver­braucht werde, zudem blieben kaum Hohl­räu­me im Gestein zurück, die später ver­füllt werden müssen. Zudem müsse man den Was­ser­ver­brauch im Bergbau ein­schrän­ken.

Zuneh­mend komme die Digi­ta­li­sie­rung ins Spiel: Die Berg­bau­pla­nung erfolge schon heute nur mehr digital. „Da wird ein Abbild der Lager­stät­te erstellt, ein drei­di­men­sio­na­les Modell, mit dem dann gear­bei­tet wird. Das betrifft sowohl den Tagbau wie auch den Bergbau in der Tiefe. Für jeden Abbau wird ein digi­ta­ler Zwil­ling erstellt, an dem ver­schie­de­ne Vari­an­ten und ihre Folgen simu­liert werden können.“ So könne nicht nur die Effi­zi­enz gestei­gert, sondern auch ver­schie­de­ne Ein­flüs­se durch­ge­spielt werden. Ein Bei­spiel seien Wet­ter­ereig­nis­se und ihre mög­li­chen Folgen für einen Tagbau. „Man kann zum Bei­spiel den Abbau an tiefere Stellen ver­le­gen, wenn weiter oben Schnee pro­gnos­ti­ziert ist“, beschreibt Tost.

Eine weitere Anwen­dung der Digi­ta­li­sie­rung werden die Berg­bau­ma­schi­nen selbst sein. „Selbst­fah­ren­de Mul­den­kip­per können rund um die Uhr in Betrieb sein. Sie bewegen sich gleich­mä­ßi­ger als von Men­schen gesteu­er­te Fahr­zeu­ge, was einen gerin­ge­ren Kraft­stoff­ver­brauch bedeu­tet – egal, ob die Kipper mit Diesel oder mit Strom ange­trie­ben werden.“

Ein Thema sind für Tost auch selbst­fah­ren­de Maschi­nen, die unter Tag auto­ma­tisch den Lager­stät­ten folgen werden. „Sie brau­chen weniger Platz, kaum Kli­ma­ti­sie­rung – ihnen ist es gleich­gül­tig, dass mit der Tiefe die Tem­pe­ra­tur steigt. Und sie benö­ti­gen, wenn sie elek­trisch betrie­ben werden, auch keinen Sau­er­stoff.“ Das sei keine reine Utopie mehr, sein Lehr­stuhl betei­li­ge sich konkret an einem EU-Projekt, in dessen Rahmen fest­ge­stellt werden soll, welche Sen­so­ren und welche Kon­zep­te für solche Abbau­ro­bo­ter nötig sind und wie der Trans­port des abge­bau­ten Mate­ri­als an die Ober­flä­che von­stat­ten­ge­hen könne. Gerade in der kom­ple­xen Geo­lo­gie der Alpen würden solche Roboter viele Vor­tei­le mit sich bringen.

Ein wei­te­rer Bereich, erklärt Tost, ist die die digi­ta­le Daten­er­fas­sung im lau­fen­den Abbau. „Wir ver­su­chen hier an der Mon­tan­uni, Gebirgs­an­ker zu digi­ta­li­sie­ren.“ Gebirgs­an­ker sind Metall­kon­struk­tio­nen, mit denen Stollen- oder Tun­nel­wän­de sta­bi­li­siert werden. „Wir haben hier in Leoben leit­fä­hi­ge Kunst­stoff­fo­li­en ent­wi­ckelt, mit denen man auch eine Dehnung messen kann. Bringt man diese Folien an den Gebirgs­an­kern an, können wir in Echt­zeit die Kräfte messen, die das Gebirge auf den Anker ausübt, wenn es sich bewegt.“

Gene­rell, schil­dert Tost, sucht man an der Mon­tan­uni nach kos­ten­güns­ti­gen Lösun­gen für die Digi­ta­li­sie­rung des Berg­baus. „Jedes Handy enthält heute Beschleu­ni­gungs­sen­so­ren, die fast nichts kosten. Wir schauen uns an, ob diese Sen­so­ren in Berg­bau­ma­schi­nen ein­setz­bar sind, etwa in den großen Rad­la­dern. Wenn wir da Bewe­gungs­mus­ter erstel­len, kann deren Arbeit meis­tens effi­zi­en­ter gemacht werden.“

Betei­ligt ist die Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben auch an dem EU-Projekt DigiE­co­Quar­ry. Dabei werden Stein­brü­che und Schot­ter­gru­ben digital erfasst. Das gilt für alle Berei­che von der Abbau­vor­be­rei­tung über die Extrak­ti­on und den inter­nen Trans­port zum Lager bis hin zum Trans­port des Pro­duk­tes zu den Kunden. Derzeit werden nur rund ein Prozent der Daten aus diesem Sektor des Roh­stoff­ab­baus digital erfasst.

Kontakt:
www.unileoben.ac.at

Foto: Michael Tost, Pro­fes­sor für nach­hal­ti­ge Berg­bau­tech­no­lo­gien am Lehr­stuhl für Berg­bau­kun­de, Berg­tech­nik und Berg­wirt­schaft an der Mon­tan­uni Leoben

Foto­credit: MUL

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