Fusion mit Augenzwinkern
Wer Friedrich Guldas „Konzert für Cello und Blasorchester“ und Dimitri Shostakovichs Jazz- und Ballettsuiten in ein Konzert packt, muss dafür gute Gründe haben. Denn die Outputs des österreichischen Pianisten und des russischen Komponisten: zwei unterschiedliche Planeten. Cellist Friedrich Kleinhapl, der in seinem Programm „Gulda meets Shostakovich“ einen weiten Bogen spannt, hat gute Gründe. Sowohl Gulda als auch Shostakovich lehnten sich gegen ihr gesellschaftliches Umfeld auf. Gulda, der für seine Bach-, Mozart- und Beethoven-Interpretationen bekannt war, ließ etwa sein „Konzert für Cello und Blasorchester“ zwischen Mozart, Big Band, Pop und Rock sowie Ausseer Blasmusik ironisch mäandern und setzte sich damit über alle klassischen Konventionen hinweg. Im freien Westen wohlgemerkt.
Der unter dem Sowjetregime lebende und für seine monumentalen Symphonien bekannte Shostakovich verwunderte einst wiederum mit ironisch-witzigen und mitunter an launige Zirkusmusik erinnernden Suiten. Und dies, obwohl er jahrelang mit gepacktem Koffer auf seine Deportation wartete. Mit Akribie und Scharfsinn hat Cellist Kleinhapl Witz und Ironie von Gulda und Shostakovich freigelegt, deren Werke neu interpretiert und mit Humor auf die Bühne gebracht.
Virtuoser erklärbar
„Ich versuche ja immer auch junge, nicht so klassikaffine Menschen anzusprechen. Und das gelingt mir mit diesem Programm recht gut, würde ich meinen“, so der 57-Jährige, der zwischen den Stücken Kurzweiliges über Künstler und Werke zu erzählen weiß. Allein Shostakovichs Biografie wäre ja abendfüllend. Seine Rolle während Stalins Regime in der Sowjetunion: hochgradig spannend. Mal hat er mit den Wölfen geheult, mal wird er in einem Prawda-Artikel, den vermutlich Stalin nach seinem Besuch der Shostakovich-Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ selbst verfasst hat, massiv bedroht. „Im Grunde schwebte er von da an zwischen Auszeichnungen und Gulag oder Liquidation“, erzählt Kleinhapl, dessen Programm „Gulda meets Shostakovich“ nun in der imposanten Kulisse der Grazer Kasematten Station macht. Bleibt noch die Frage: Warum hat Shostakovich eigentlich Jazzsuiten ohne Jazz Akkorde komponiert? „Er bekam vom Regime den Auftrag, den Volkshunger nach der damals neuen Musik zu stillen, diese gleichzeitig aber von allen bourgeoisen Tendenzen zu befreien und somit quasi Jazz ohne Jazz zu machen“, so der Experte.
26. Juli 2023, Kasematten Graz
„Konzert für Cello und Blasorchester“ von Friedrich Gulda & Jazz und Ballettsuiten von Dimitri Shostakovich.