Steiermark: Klima- und Energiestrategie 2030

Die Steiermark hat mit der Klima- und Energiestrategie 2030 ehrgeizige Ziele. Stichworte sind Ausbau der erneuerbaren Energie und die Förderung von Elektromobilität.
Über die Klima- und Energiestrategie 2030 diskutierten Heimo Aichmair, Ludwig Ems, Werner Erhart, Peter Gspaltl, Anton Lang und Kerstin Schropf.
Über die Klima- und Energiestrategie 2030 diskutierten Heimo Aichmair, Ludwig Ems, Werner Erhart, Peter Gspaltl, Anton Lang und Kerstin Schropf. Fotocredit: GEOPHO Jorj Konstantinov.

Das Land Steiermark hat sich mit der Klima- und Energiestrategie 2030 ehrgeizige Ziele gesetzt. So soll die Emission von Treibhausgasen um 36 Prozent gesenkt werden. Die tragenden Säulen der Strategie sind ein Ausbau der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen und der vermehrte Einsatz von Elektromobilität. Gedacht ist vor allem an den Ausbau der Photovoltaik, aber auch der Windkraft. Probeaktionen sollen den Steirern Elektroautos schmackhaft machen. Zu dem Thema unterhielten sich im JUST-Talk: Landesrat Anton Lang, Energiexperte Werner Erhart, PV-Berater Ludwig Ems, E-Mobilität Kenner Heimo Aichmaier, Junior Researcher Kerstin Schropf, Energieexperte Peter Gspaltl.

Wie will man die deutliche Reduktion der Treihausgas-Emissionen in den kommenden zwölf Jahren praktisch umsetzen?

Lang: Wir sind auf einem guten Weg. Laut dem aktuellen Klimaschutzbericht 2017 werden wir das EU-Ziel für 2020, nämlich die Treibhausgas-Emissionen um 16 Prozent gegenüber 2005 zu senken, erreichen. Sicher, wir dürfen uns nicht zurücklehnen, das tunwir auch nicht. Auch der Energiebericht 2017 zeigt eine positive Entwicklung. Der Anteil an erneuerbaren Energien hat sich in den vergangenen zehn Jahren stetig gesteigert und lag 2016 bei 30,5 Prozent. Bei der Windkraft haben wir unsere Hausaufgaben gemacht, wir liegen da bei der Leistung der Anlagen nach dem Burgenland und Niederösterreich an dritter Stelle, bei der Photovoltaik sind wir bei der Leistung der Anlagen sogar führend. Derzeit kommen 51 Prozent unserer Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie, darauf kann man schon stolz sein.

Ems: Ich sehe das auch so. Wir als Energieingenieure fühlen uns wohl in der Steiermark. Es gibt nur ein Problem – wir müssten zur Erreichung der Klimaziele bei der Photovoltaik 750 Megawatt Kapazität im Jahr dazubauen, das ist so viel, wie es derzeit überhaupt gibt. Wir haben die Technologie, wir haben die Flächen – 17,7 Quadratkilometer für Photovoltaik wären genug für ganz Österreich – und die Finanzmittel. Es fehlt aber an Firmen, die das umsetzen.

Lang: Die Fläche ist auf vorhandenen Hallen von Industrie und Gewerbe vorhanden. Ich gebe diesen Flächen eindeutig den Vorrang gegenüber wertvollen Grünflächen. Es fehlt hier aber vor allem an den geeigneten finanziellen Rahmenbedingungen für Großanlagen seitens des Bundes. Bei privaten Anlagen sollte der Eigenverbrauch im Vordergrund stehen.

Steht die Bauordnung dem Ausbau der Photovoltaik im Weg?

Ems: Wir brauchen bei den Treibhausgas-Emissionen vor allem eine Dekarbonisierung der Heizungen. Es ist untragbar, dass die Bauordnungen elektrische Heizungen im Geschoßbau verbieten. Stattdessen sollte man lieber Pilotprojekte in diese Richtung fördern!

Aichmaier: Die neuen Technologien sind offenbar in den Amtsstuben im Detail nicht bekannt. So sehen dann auch die Regelungen aus. Wenn zum Beispiel beim Einbau von Elektrizitätsspeichern jeder Eigentümer mitbestimmen darf, wird das nichts werden. Wir müssen innovationsfreundliche Gesetze machen und wir brauchen eine Investitionssicherheit.

Erhart: Der Zugang zu den Bundesförderungen für Photovoltaik ist nicht in jedem Bundesland gleich gut. In Niederösterreich gibt es bei PV-Anlagen nur mehr eine Anzeigepflicht, im Burgenland dauern die Verfahren sehr lange. Bis es dann eine Bewilligung gibt, sind die Fördertöpfe oft schon leer.

Lang: Ich bin grundsätzlich für eine Vereinfachung, auch in der Bauordnung. Aber so schlecht kann die Lage in der Steiermark mit rund 16.000 PV-Anlagen nicht sein. Im Geschoßbau haben wir als erstes Bundesland rund zwei Millionen € Förderungen für PV-Gemeinschaftsanlagen zur Verfügung gestellt, die 890 Wohneinheiten versorgen.

Gspaltl: Bei der Elektroheizung wird Infrarot immer gefragter. Allerdings haben wir ein Projekt durchgeführt. In zwei identen Wohnhäusern wurde das eine mit Fernwärme, das andere mit Infrarot beheizt. Und da hat Infrarot bei den Bewohnern deutlich schlechter abgeschnitten.

Ems: Infrarot ist auf den Markt gekommen, weil die Menschen günstig in ihre Heizung investieren wollten. Heute gibt es viel bessere Elektro-Heizungssysteme, zum Beispiel eine Heizfolie im Fußboden. Die ist ganz dünn und kann in jede Wohnung unter dem Estrich eingebaut werden. Auf Dauer will niemand mehr 13 Prozent der Baukosten allein in die Heizungsanlage stecken.

Aichmaier: Die Technologie ermöglicht viel mehr, als die Vorschriften erlauben. Wenn Dinge wie Photovoltaik, dezentrale Energiespeicher, Smart Meter oder smarte Netze kommen, muss die Politik viel schneller reagieren.

Wie sieht es bei der Windkraft in der Steiermark aus in Bezug auf die Klima- und Energiestrategie 2030?

Lang: 400 Megawatt Leistung sind bereits in Betrieb oder in Umsetzung, wir sind da durchaus ein Vorzeigestandort. In der Raumordnung haben wir ein Sachprogramm Windkraft aufgelegt. Die Steiermark wurde schon frühzeitig in Zonen aufgeteilt: Vorrang, Eignung und Ausschluss. Mit einer Vorrangzone wird das öffentliche Interesse an einer Stromversorgung durch Windkraft bekundet, was im jedenfalls erforderlichen UVP-Verfahren eine entscheidende Rolle spielt. Entscheidend ist auch, dass neue Anlagen eine Leistung von mindestens 20 Megawatt bringen, damit geeignete Standorte mit Eingriff in Natur und Landschaft auch wirklich effizient genutzt werden. Das Potenzial liegt bei ungefähr weiteren 1.000 Gigawatt.

Eine wesentliche Säule der Klima- und Energiestrategie ist die Elektromobilität. Wie kann man die forcieren?

Aichmaier: Mit Klein-Klein-Förderungen wie derzeit sicher nicht. Ankaufsförderungen sind immer schlechter als steuerliche Anreize.

Lang: Es gibt so viele negative Meinungen über E-Mobilität, die völlig unbegründet sind. Sie verschwinden meist, wenn man einmal selber ein E-Auto fährt. Wir hatten deshalb die Aktion „6 Tage – 60 Euro“. Da konnte man ein Elektroauto ausleihen und selbst testen. Sicher ist das auch eine Förderung, aber da ging es um das Kennenlernen von Elektrofahrzeugen. Fast alle, die das Angebot genutzt haben, waren hellauf begeistert. Aktuell haben wir ein ähnliches Programm, „2 Tage testen – 20 Euro“, laufen. Wir sind bundesweit top bei den Neuzulassungen von E-Autos und werden unser Ziel bis 2020, nämlich 10.000 E-Autos, wie es aussieht, erreichen.

Aichmaier: Es geht vor allem um Lademöglichkeiten. Aufladen muss am Wohnort und am Arbeitsplatzt möglich sein, wenn möglich direkt aus vor Ort mit Photovoltaik gewonnener Energie. Die Eigenerzeugung auch selbst zu verbrauchen, ist der sinnvolle Weg.

Kerstin Schopf: Ja, das Laden zu Hause ist sehr wichtig. Wenn es auch am Arbeitsplatz eine Lademöglichkeit gibt, würde das die Stromnetze nicht so stark belasten. In der täglichen Fahrpraxis überwiegen ohnehin die Kurzstrecken, das wäre dann abdeckbar.

Aichmaier: Auch hier ist wieder die Bauordnung gefragt. Bei Neubauten sollte ein Stromanschluss mit Elf-Kilovolt-Dreiphasen-Strom vorgeschrieben sein. Wir haben das nicht, brauchen das aber für Ladestationen.

Wie will man die Ladestruktur bei einem viel stärkeren Einsatz von E-Mobilität gestalten?

Gspaltl: Dafür sind in erster Linie die Energieversorgungsunternehmen zuständig. Solange Elektrofahrzeuge nur Zweitautos sind, ist die Infrastruktur noch zweitrangig. Wir sind aber darauf vorbereitet, dass sich das ändert. Bei Gewerbebauten ist zum Beispiel eine entsprechende Stromversorgung bereits vorgeschrieben. Bei den Ladestationen selbst gibt es das Projekt Panther der Estag, das Ladestationen alle 15 Kilometer vorsieht – in der gesamten Steiermark.

Lang: Fehlende Ladestationen sind sicher keine Ausrede mehr, kein E-Fahrzeug zu benutzen.

Aichmaier: Die Angst, zu wenig Reichweite zu haben, ist eigentlich die Angst, keine Ladestation zu finden.

Lang: Ich meine, Diskussionen um Details der Ladestruktur sind der Zeit einen Schritt voraus. Wir können das teuerste Ladesystem der Welt aufziehen, solange die Menschen keine Elektrofahrzeuge benutzen, nützt das nichts. Wir müssen zuerst Anreize schaffen, damit sich die Bevölkerung mit der EMobilität auseinandersetzt. Es geht um Bewusstseinsbildung. Das grundsätzliche Interesse ist ja da. Das E-Bike ist da ein gutes Beispiel. Heute wird es von Menschen benutzt, die vor fünf Jahren nicht einmal im Traum daran gedacht hätten. Sie haben es irgendwo, oft im Urlaub, kennengelernt und entdeckt, wie toll die E-Bikes sind.

Emissionsvermeidung ist auch durch Recycling möglich. Wie ist da der Ist-Stand in der Steiermark?

Schropf: Wir müssen Energie und Rohstoffe möglichst effizient nutzen. Eine Kreislaufwirtschaft ist dabei nicht von der Hand zu weisen.

Lang: Wir zeichnen uns in der Steiermark beim Abfall durch eine hohe Trennungsquote aus. In Retznei werden Ersatzbrennstoffe für die Zementindustrie aus Kunststoffabfällen erzeugt und eingesetzt. Überhaupt ist die Industrie stark in das Energiekonzept eingebunden. So nutzen wir fast die gesamte Industrieabwärme mittlerweile für Fernwärme.

Emissionsbegrenzung kann auch durch eine Dekarbonisierung der Industrie erreicht werden. Wie kann diese gelingen?

Schropf: Dekarbonisierung ist eminent wichtig. Wir sind gerade dabei, einige Leuchtturmprojekte umzusetzen. Darunter ist ein Lufttrennverfahren zur Sauerstoffgewinnung in der Stahlindustrie. Sauerstoff soll durch Elektrolyse vor Ort gewonnen und nicht mehr zugekauft werden. Stahlerzeugung wird dadurch energieeffizienter. Die Dekarbonisierung wird in Österreich nur dann gelingen, wenn bei der Umstellung der industriellen Prozesse auf erneuerbare Energie Standortsicherheit gegeben ist und Österreich seine Vorreiterrolle als Exporteur hochwertiger Technologien beibehalten kann. Dass das geht, wollen wir in der Vorzeigeregion New Energy for Industry zeigen.

Zu den Personen:

Heimo Aichmaier ist Geschäftsführer der Austrian Mobile Power, einer Allianz aus den Bereichen Fahrzeugtechnologie, Systemanbieter, Energieversorger und Anwendertechnologien zur Förderung der Elektromobilität.

Ludwig Ems ist Geschäftsführer der Erhart-Ems Green Tech Solutions GmbH. Ems ist staatlich geprüfter Energieberater. Weiters ist er als Unternehmensberater und Betreiber des Gründerzentrums Fürstenfeld tätig.

Werner Erhart ist ebenfalls Geschäftsführer der Erhart-Ems Green Tech Solutions GmbH. Er ist Experte für Wärme- und Energietechnik.

Peter Gspaltl ist im Büro von Landesrat Anton Lang unter anderem für Umwelt, Technik, Klimaschutz, erneuerbare Energie zuständig.

Anton Lang ist seit 2016 Landesrat für Verkehr, Umwelt, erneuerbare Energien, Sport und Tierschutz, seit Juli 2017 auch Finanzlandesrat.

Kerstin Schropf ist Junior-Researcher-Angestellte am Lehrstuhl für Energieverbundtechnik an der Montanuniversität Leoben. Ihre Forschungsschwerpunkte sind effiziente Energiesysteme sowie kommunale Ver- und Entsorgungssysteme.

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