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AVL: Die Grund­pfei­ler der Unter­neh­mens­kul­tur

Die AVL ist Weltmarktführer bei der Entwicklung zukunftsrelevanter Antriebstechnologien. Aber wie funktioniert das innovative Familienunternehmen im Inneren?
Die beiden Experten Kathryn List und Markus Tomaschitz im Talk über die Unternehmenskultur bei AVL.
Die beiden Experten Kathryn List und Markus Tomaschitz im Talk über die Unternehmenskultur bei AVL. Fotocredit: Foto Fischer.

Die AVL ist ein Tech­no­lo­gie- und Tech­nik­un­ter­neh­men mit einem welt­wei­ten Ruf. Mit rund 11.000 Mit­ar­bei­tern welt­weit hat AVL in den letzten Jahren eine beein­dru­cken­de Ent­wick­lung durch­ge­macht. Doch wie sieht die Unter­neh­mens­kul­tur bei AVL aus und wie wurde sie gestal­tet? Kathryn List und Markus Toma­s­chitz im Gespräch mit Klaus Höfler über Exper­ten­tum, Home­of­fice und die Wirk­kraft der Kunst.

Es gibt zwei Ebenen von Unter­neh­mens­kul­tur: die for­mel­le in Form von Leit­sät­zen und die infor­mel­le in Form „unge­schrie­be­ner Gesetze“. Wie sieht dieser Mix bei der AVL aus?

Markus Toma­s­chitz: Wir haben bei der AVL List fünf Werte, die die Eigen­tü­mer­fa­mi­lie vorgibt und die wesent­li­che Bestand­tei­le des unter­neh­me­ri­schen Han­delns der AVL sind: Kun­den­ori­en­tie­rung, Inno­va­ti­ons­kraft, Unab­hän­gig­keit, Inter­na­tio­na­li­tät und Pio­nier­geist. Das sind die offi­zi­el­len Leit­li­ni­en, die fest­ge­schrie­ben sind. Sie wirken wie eine Art Nord­stern: Selbst wenn alles aus­fällt, weist der Nord­stern, in welche Rich­tung es geht.

Die AVL ist aus einem Fami­li­en­be­trieb in den letzten Jahren rasant gewach­sen und hat heute welt­weit rund 11.000 Mit­ar­bei­ter. Welchen Ein­fluss hat das auf die Unter­neh­mens­kul­tur?

Toma­s­chitz: Mit der Größe eines Unter­neh­mens ver­än­dert sich auto­ma­tisch auch die Kultur. Dass sich da Sub­kul­tu­ren ent­wi­ckeln, ist klar – aber die große Klammer, die drüber gespannt ist, lautet: „Wir sind Exper­ten und wir lösen sehr, sehr kom­ple­xe Pro­ble­me.“

Aber das ist doch aus­tausch­bar. Es gilt ja auch für andere große und inno­va­ti­ve Tech­no­lo­gie- und Tech­nik­un­ter­neh­men. Was ist das Spe­zi­el­le an der Unter­neh­mens­kul­tur von AVL?

Toma­s­chitz: Der Unter­schied ist der: Bei anderen Unter­neh­men arbei­tet man immer an deren eigenen Spe­zi­al­the­men. Bei uns hat man die gesamte Breite einer Tech­no­lo­gie in ver­schie­de­nen The­ma­ti­ken und in der Anwen­dung ver­schie­de­ner Kunden. Das macht es so span­nend und hält die Mit­ar­bei­ter bei uns, weil es immer wieder neu ist und sich nie etwas ein­schleift.

Ist Routine für eine Unter­neh­mens­kul­tur för­der­lich oder besteht dadurch die Gefahr, dass sie sich ver­wäs­sert, weil sich „Das haben wir immer so gemacht“-Denken ein­nis­tet.

Kathryn List: Wenn man bei tech­ni­schen und fort­schritts­ge­trie­be­nen Fra­ge­stel­lun­gen sagt, das haben wir immer so gemacht, dann haben wir ein Problem.

Was wird von den Mit­ar­bei­tern demnach erwar­tet?

Toma­s­chitz: Wir sind ein inge­nieurs­ge­trie­be­nes Unter­neh­men, in dem es darum geht, dass sich die Mit­ar­bei­ter mit ihrer Hirn­leis­tung ein­brin­gen. Wir arbei­ten gemein­sam an Lösun­gen für Pro­ble­me von morgen. Das ergibt ein Umfeld, das von Exper­ten­tum und einer hohen Wett­be­werbs­ori­en­tie­rung gekenn­zeich­net ist. Aufgabe der für die Unter­neh­mens­kul­tur Ver­ant­wort­li­chen ist es, Rah­men­be­din­gun­gen zu schaf­fen und Res­sour­cen zur Ver­fü­gung zu stellen, mit denen diese vielen klugen und hoch moti­vier­ten Köpfe arbei­ten können.

Das ist ein hoch­ra­tio­na­ler Ansatz. Gleich­zei­tig funk­tio­niert Kultur aber sehr wesent­lich auf der emo­tio­na­len Ebene. Wie lässt sich das syn­chro­ni­sie­ren?

List: Das ist genau der Punkt. Wir sind hier unter vielen Inge­nieu­ren. Da kommen manche Dinge ein biss­chen zu kurz (lacht). Auch deshalb haben wir die „Cul­tu­ral Foun­da­ti­on“ gegrün­det. Ich nenne sie manch­mal scherz­haft „ein biss­chen sub­ver­siv“. Wir machen Pro­jek­te, bei denen man Emotion zeigen kann. Manch­mal geht es gar nicht um das Objekt, das ent­steht oder pro­du­ziert wurde, sondern darum, dass die Leute in Kontakt kommen und mit­ein­an­der spre­chen.

Wie gelingt das?

List: Wir hatten vor Jahren einmal unter den Mit­ar­bei­ter auf­ge­ru­fen, Fotos oder Bilder zum Gestal­ten von kahlen Büro­wän­den zu Ver­fü­gung zu stellen. Da haben viele gezö­gert und sich gefragt, was wohl die Kol­le­gen dazu sagen oder darüber denken würden. Das genau ist der Punkt: Wenn man etwas von sich zeigt, dann öffnet das Türen zu einer anderen Art von Dialog. Dann kann man plötz­lich über andere Sachen reden oder anders über die Arbeit spre­chen – und kommt so zu neuen Lösun­gen. Diese Art von Kom­mu­ni­ka­ti­on gehört daher geför­dert.

Wie lässt sich diese infor­mel­le Kultur bei AVL beschrei­ben?

Toma­s­chitz: Wir haben in der Zen­tra­le in Graz Men­schen aus 50 Natio­nen. Da gibt es natür­lich auch „heim­li­che Spiel­re­geln“. Sie sind inso­fern span­nend, weil sie sich unter­schied­lich ent­wi­ckeln. Im Head­quar­ter, wo viele Men­schen arbei­ten, ist es ein Stück weit anders als an klei­ne­ren Stand­or­ten weiter draußen, die natür­lich auch von den Kul­tu­ren in den jewei­li­gen Ländern abhän­gig und geprägt sind. Jede Kultur bringt da gute Seiten und weniger gute Seiten. Das ist ganz normal. Aber über dieser Mul­ti­kul­tu­ra­li­tät steht eine ganz große Klammer: Man arbei­tet bei einem Welt­markt­füh­rer, dessen Unter­neh­mens­kul­tur von einer enormen Moti­va­ti­on und Krea­ti­vi­tät geprägt ist.

Erleich­tert dieser ver­bin­den­de Exzel­lenz­an­spruch die Zusam­men­ar­beit, weil er als gemein­sa­mer Nenner Dis­kre­pan­zen auf Basis kul­tu­rel­ler Unter­schie­de abdämpft? Sind die klas­si­schen mul­ti­kul­tu­rel­len Knautsch­zo­nen ein­ge­eb­net?

List: Es gibt sie sicher in den Leuten, aber im kon­kre­ten Arbeits­all­tag im Unter­neh­men gibt es sie nicht. Das können wir uns nicht leisten.

Toma­s­chitz: Es herrscht eine Hand­werks­kul­tur vor, die davon gelei­tet ist, Dinge ihrer selbst willen gut zu machen.

List: Hier kommt wieder die Kultur ins Spiel. Es ist Aufgabe der Künst­ler, unsere Welt anzu­schau­en, zu eva­lu­ie­ren, zu reflek­tie­ren und uns ihre Sicht­wei­se zurück­zu­spie­len, damit wir etwas Sinn­vol­les daraus machen können. Es wird nie heißen: Nein, das brau­chen wir nicht. Weil diese eine Idee oder Erfin­dung könnte der Weg zu einer anderen Lösung sein.

Unter­neh­mens­kul­tur als rezi­pro­ke Wirk­kraft? Der Mensch prägt die Kultur und die Kultur prägt den Men­schen.

Toma­s­chitz: Ja, man wird mit­ge­ris­sen. Da müssen wir bei aller Krea­ti­vi­tät, die vor­han­den und not­wen­dig ist, um neue Lösun­gen zu kre­ieren, aber die Leute manch­mal raus aus dem Detail holen. Wir müssen die Mit­ar­bei­ter eher bremsen. Der Denk­an­satz, wir gehen nicht vorher nach Hause, bevor die Aufgabe nicht gelöst ist, ist mit dem öster­rei­chi­schen Arbeits­recht nicht immer ganz leicht zu ver­bin­den.

List: Wobei es diesen Wunsch und die Neugier nach einer per­sön­li­chen Begeg­nung mit etwas, das, oder jeman­dem, der fremd ist, braucht. Wir stellen Teams teil­wei­se absicht­lich mit Mit­ar­bei­tern aus ver­schie­de­nen Ländern zusam­men, um mög­lichst viele unter­schied­li­che Sicht­wei­sen und Blick­win­kel zu bekom­men. So ent­steht ein respekt­vol­ler Umgang mit­ein­an­der. Aber um andere Kul­tu­ren respek­tie­ren zu können, muss man zunächst seine eigene lieben und respek­tie­ren.

Wie sehr bremsen Kon­takt­ein­schrän­kun­gen wie während der Pan­de­mie oder Dis­lo­zie­run­gen – Stich­wort Home­office – diesen Prozess des Mit­ein­an­der?

Toma­s­chitz: Die Bindung zum Unter­neh­men nimmt ab, wenn man im Home­of­fice ist. Das ist schon spürbar. Die Mit­ar­bei­ter wollen aber umge­kehrt auch nicht ewig weg und alleine sein. Sie merken, dass es schon wichtig ist, dass man sich reibt. Aber ein bis zwei Tage in der Woche arbei­ten viele von daheim.

List: Man muss sich als Unter­neh­men Loya­li­tät auch ver­die­nen. Wir tun alles, was wir tun können, dass die Online­prä­senz auch „leben­dig“ ist – aber man kann nicht den ganzen Tag vor dem Bild­schirm sitzen und begeis­tert sein.

Wie wichtig sind Symbole wie offene Büro­tü­ren, gemein­sa­mes Essen oder Aus­flü­ge und andere Team­buil­ding­pro­gram­me, um eine Unter­neh­mens­kul­tur nie­der­schwel­lig zu ver­mit­teln?

List: Sehr wichtig, weil es wichtig ist, die Men­schen nicht nur im Kopf, sondern im Herzen abzu­ho­len. Aber bei allem Idea­lis­mus bleibt doch der in den Bilan­zen zähl­ba­re Geschäfts­er­folg die Mess­lat­te.

Toma­s­chitz: Ja, aber die pro­ble­ma­ti­sche­re Seite bei uns ist, dass die Mit­ar­bei­ter getrie­ben sind von dem Anspruch, es immer noch besser zu machen, weil es nie perfekt ist. Aber irgend­wann muss man diesen Prozess stoppen und sagen: Das ist es, was der Kunde will und zahlt, und mehr geht an dieser Stelle nicht.

List: Es geht schon darum, tech­ni­sche Pro­ble­me zu lösen. Aber wenn es nur um die Technik ginge, bestün­de die Gefahr, dass Dinge umge­setzt werden, die zwar nicht essen­zi­ell not­wen­dig, aber tech­nisch möglich sind, um das Produkt attrak­ti­ver zu machen. Das wäre zu wenig.

Toma­s­chitz: Wir haben im letzten Jahr viel in Mit­ar­bei­ter­bin­dung inves­tiert – da geht es nicht immer um hohe Geld­sum­men, denn vieles, was die Men­schen stört, kostet gar nicht viel. Viel­mehr geht es darum, Zeit und Inter­es­se ein­zu­brin­gen und einen respekt­vol­len Umgang zu pflegen, indem man die Men­schen ernst nimmt. Wir fahren da jetzt eine Rendite ein, von der wir nicht gedacht haben, dass wir sie in diesem Ausmaß bekom­men. Jetzt, wo der Arbeits­markt heiß umkämpft ist, bleiben die Leute trotz­dem bei uns.

Ist Unter­neh­mens­kul­tur kon­junk­tur­ab­hän­gig? Fällt sie leich­ter, wenn es der Wirt­schaft und dem Unter­neh­men gut geht?

Toma­s­chitz: In guten Zeiten muss man mehr machen. In Zeiten, wo es wirt­schaft­lich nicht so gut geht, muss man an Fix­punk­ten fest­hal­ten. Wenn man etwas zurück­neh­men muss, muss man es aber erklä­ren. Dann wird es auch ver­stan­den.

List: Im Mit­tel­punkt – und das ist ein wesent­li­cher Leit­satz unserer Unter­neh­mens­kul­tur steht bei allem, was wir tun, wie wir es tun, jeden­falls immer der Mensch.

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