Unter­neh­mer­lounge WKO Stei­er­mark zu Start-Ups

Auch bei Innovation und Start-Ups muss am Ende des Tages die Kasse stimmen so die Meinung der Expertenrunde der Unternehmerlounge der WKO Steiermark.
In der Unternehmerlounge der WKO Steiermark diskutierten Barbara Eibinger-Miedl, Landesrätin für Wirtschaft und Innovation, Josef Herk, Präsident der WKO Steiermark, Samuel Koch, Buchautor und Start-up-Gründer, Georg Zenker, CEO des Vermögensberater Bogen & Partner.
In der Unternehmerlounge der WKO Steiermark diskutierten Barbara Eibinger-Miedl, Landesrätin für Wirtschaft und Innovation, Josef Herk, Präsident der WKO Steiermark, Samuel Koch, Buchautor und Start-up-Gründer, Georg Zenker, CEO des Vermögensberater Bogen & Partner. Fotocredit: Foto Fischer.

Inno­va­ti­on und Digi­ta­li­sie­rung sind zwei wichtige Stand­bei­ne des Wirt­schafts­stand­or­tes Stei­er­mark. Über den Status quo, Ver­bes­se­rungs­mög­lich­kei­ten und Chancen für Start-ups dis­ku­tier­te eine hoch­ka­rä­tig besetzte Runde in der Unter­neh­mer­lounge der WKO Stei­er­mark. Es dis­ku­tier­ten Barbara Eibinger-Miedl, Lan­des­rä­tin für Wirt­schaft und Inno­va­ti­on, Josef Herk, Präsident der WKO Stei­er­mark, Samuel Koch, Buchautor und Start-up-Gründer, Georg Zenker, CEO des Ver­mö­gens­be­ra­ter Bogen & Partner.

Die Stei­er­mark hat sich inter­na­tio­nal einen Ruf als Hoch­tech­no­lo­gie­land erworben. Der Slogan des Wirt­schafts­res­sorts lautete sogar „Inno­va­ti­on seri­en­mä­ßig!“ Sieht die Praxis am Wirt­schafts­stand­ort immer noch so aus?

Eibinger-Miedl: Der Slogan ist berech­tigt, auch wenn wir inzwi­schen lieber Inno­va­ti­on durch Koope­ra­ti­on sagen. Es macht den Standort Stei­er­mark aus, dass wir ein her­vor­ra­gen­des Ökosystem aus Unter­neh­men und Hoch­schu­len geschaf­fen haben. Neben der hohen F&E‑Quote können wir auch auf andere Parameter verweisen – zum Beispiel die Patente. Da haben wir eine Steil­kur­ve hingelegt und inzwi­schen zum unheim­lich starken Ober­ös­ter­reich auf­ge­schlos­sen.

Die hohe F&E‑Quote wird in erster Linie von großen bis mittleren Unter­neh­men getragen. Wie kann man auch die vielen kleinen Firmen bei der Inno­va­ti­on mit an Bord holen?

Herk: Wir haben natürlich große Para­de­un­ter­neh­men, die in der Ent­wick­lung sehr aktiv sind. Aber auch die KMU sind im Bereich F&E rege tätig. Unsere Aufgabe als WKO ist es, das zu trans­po­nie­ren. Wir müssen die Ver­net­zung zwischen Unis und Unter­neh­men weiter vor­an­trei­ben und Berüh­rungs­ängs­te abbauen. Es gibt da bereits zahl­rei­che Akti­vi­tä­ten. Zum Beispiel Sti­pen­di­en an den Unis oder die Einladung von Unter­neh­men an Forscher und Stu­die­ren­de. Generell wollen wir ein noch stärkeres Klima des Mit­ein­an­ders schaffen.

Es gibt eine Reihe von hoch­in­no­va­ti­ven Unter­neh­men, die sich am Weltmarkt her­vor­ra­gend schlagen. In aller Regel werden diese Betriebe nicht von jungen Uni­ab­sol­ven­ten geführt, sondern von über 40-Jährigen. Ähnliches gilt auch für die Ent­wick­lungs­ab­tei­lun­gen dieser Firmen. Wie verträgt sich das mit Ihrer Theorie von Fort­schritts­feind­lich­keit und Unver­ständ­nis der „Alten“?

Koch: Darf ich aus meinem Buch zitieren. „Ich fordere euch auf, euch zurück­zu­zie­hen und beratende Funk­tio­nen im Hin­ter­grund ein­zu­neh­men.“ Ich komme aus der Start-up-Ecke, die ist in Öster­reich noch über­schau­bar. Die digitalen Groß­mäch­te haben ver­stan­den, dass Kun­den­zu­frie­den­heit das Wich­tigs­te ist, auch da hinken wir hinterher. Gerade die Jungen können viel dazu beitragen, auch große Konzerne endlich auf digitale Platt­for­men zu setzen.

Herk: Ich denke, die Jugend ist viel zu wenig aggressiv am Markt. Ich habe den Eindruck, dass sie sehr satt ist. Da wäre wesent­lich mehr Entre­pre­neur­ship möglich. Die Bereit­schaft, sich selbst­stän­dig zu machen, ist unter den jungen sehr gering. Wo sind die frischen Gedanken? Wir müssen den Grund­was­ser­spie­gel der Selbst­stän­dig­keit heben – auf allen Ebenen. Selbst­stän­dig­keit gehört schon in die Schultüte von Kindern.

Eibinger-Miedl: Es gibt junge Alte und alte Junge. Eines stimmt sicher – wir brauchen eine größere Start-up-Szene. In der Stei­er­mark schaffen wir gerade die Bedin­gun­gen dafür, auch um den Mit­tel­stand mit den Start-ups zusam­men­zu­brin­gen.

Zenker: Wir wachsen in einer Spar­buch­kul­tur auf, man kommt mit gar nichts anderem in Berührung. In den USA ist der Kapi­tal­markt im Gegensatz dazu omni­prä­sent. Schon in unserem Aus­bil­dungs­sys­tem wird kein Bewusst­sein für Eigen­in­itia­ti­ve geschaf­fen. Betriebs­wirt­schaft­li­che Themen müssen dort viel stärker prä­sen­tiert werden.

Koch: Erziehung ist ein absolutes Schlüs­sel­the­ma, das muss auch auf alter­na­ti­ven Platt­for­men geschehen. Gesell­schaft­lich müssen wir eine Sandbox schaffen, in dem sich Start-ups ungestört ent­wi­ckeln können. Die Finan­zie­rung ist auch so eine Sache, die ist äußerst schwierig.

Eibinger-Miedl: In der Stei­er­mark sind wir da vor­bild­lich! Die Wirt­schafts­för­de­rung SFG inves­tiert Venture Capital bis zu 1,25 Millionen € Eigen­ka­pi­tal in inno­va­ti­ve Start-ups. Unsere Risi­ko­ka­pi­tal­of­fen­si­ve wendet sich an hoch­in­no­va­ti­ve Kleinst- und Klein­un­ter­neh­men, das heißt mit nicht mehr als 50 Mit­ar­bei­tern, in der soge­nann­ten Seedphase, also vor maximal fünf Jahren gegründet. Außerdem müssen sie aus dem Bereich der digitalen Wirt­schaft kommen. Die SFG bietet ihnen bis zu 150.000 € Eigen­ka­pi­tal als Co-Invest­ment mit einem privaten Business Angel oder Venture. Capital-Firmen, die noch einmal zumindest gleich viel Kapital ein­brin­gen. Das Besondere an dem Programm ist die Buy-back-Option. Sie ermög­licht es dem Start-up, die SFG-Gesell­schafts­an­tei­le innerhalb von fünf Jahren zuzüglich einer fest­ge­leg­ten Ver­zin­sung wieder zurück­zu­kau­fen.

Zenker: Ich kann das nur bestä­ti­gen, die Stei­er­mark ist da Vorreiter und Vorbild. So etwas kennen wir bisher nur auf euro­päi­scher Ebene, vom EIF (Euro­päi­schen Inves­ti­ti­ons­fond).

Behindert der Fach­kräf­te­man­gel Inno­va­tio­nen?

Herk: Das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben einen Mit­ar­bei­ter­man­gel auf allen Ebenen. Eine Rot-Weiß-Rot-Card für qua­li­fi­zier­te Arbeits­kräf­te ist dringend notwendig. Einer aktuellen Umfrage des Instituts für Bil­dungs­for­schung der Wirt­schaft zufolge sehen 49 Prozent der hei­mi­schen Unter­neh­men ihre Inno­va­ti­ons­tä­tig­keit durch den Fach­kräf­te­man­gel bereits ein­ge­schränkt. Mit nach­hal­ti­gen Folgen, was die eigene Geschäfts­ent­wick­lung betrifft! 59 Prozent der Befragten geben an, dass der Mangel bereits zu Umsatz­ein­bu­ßen geführt hat. Und 83 Prozent der Betriebe befürch­ten, dass sich der Fach­kräf­te­man­gel in ihrer Branche in den nächsten drei Jahren noch ver­schär­fen wird. Aus diesem Grund haben wir die Fach­kräf­te­si­che­rung gemeinsam mit dem Thema fairer Wett­be­werb auch an die Spitze unserer inter­es­sen­po­li­ti­schen Arbeit gestellt.

Koch: Für Junge ist nicht nur der Job wichtig, auch das Leben zählt. Wie schaut es denn da in der Stei­er­mark aus?

Eibinger-Miedl: Ich höre durchwegs, dass die Lebens­qua­li­tät in der Stei­er­mark her­aus­ra­gend ist. Die beste Mög­lich­keit, Hoch­qua­li­fi­zier­te her­zu­be­kom­men, ist, sie samt Familie einmal in die Stei­er­mark ein­zu­la­den.

Herk: Es ist ein toller Lebens­raum. Die Kultur, die Offenheit der Menschen, die moderaten Preise – das ist unser USP.

Eibinger-Miedl: Wir vergessen auch immer das Sicher­heits­the­ma. Anderswo werden die Kinder von Füh­rungs­kräf­ten in der gepan­zer­ten Limousine in die Pri­vat­schu­le gebracht. Bei uns gehen sie einfach zu Fuß hin.

Thema Digi­ta­li­sie­rung: Wie digital ist die Stei­er­mark? Mit Silicon Alps und anderen Initia­ti­ven gibt es massive Bestre­bun­gen, den Bereich stark zu nutzen, hält die Infra­struk­tur damit Schritt?

Eibinger-Miedl: Die For­schungs­in­fra­struk­tur ist erst­klas­sig. Wir haben nicht umsonst immer wieder Ansie­de­lun­gen von For­schungs­zen­tren. Wo noch Nach­hol­be­darf ist, ist die Breitband-Infra­struk­tur. Wir haben als Land Stei­er­mark mit Speedy eine eigene Glas­fa­ser­ge­sell­schaft gegründet und kümmern uns um die Regionen, wo der Markt versagt hat. Die Breit­band­stra­te­gie müssen wir erweitern und 5G ein­be­zie­hen.

Koch: Öster­reich hat beim Thema Breitband ohnehin einen großen Vorsprung gegenüber Deutsch­land. Dort geht außerhalb der Metro­po­len wie München oder Berlin gar nichts.

Wie digital muss eine Region sein, um für Inves­to­ren besonders inter­es­sant zu sein?

Zenker: Grund­sätz­lich haben wir als Inves­to­ren keinen Bran­chen­fo­kus. Es ist klar, dass wir inno­va­ti­ve und stark wachsende Unter­neh­men suchen, da ergibt sich auto­ma­tisch, dass eine digitale Kom­po­nen­te dabei ist.

Die „Jungen“ kommen mit der Digi­ta­li­sie­rung der Welt schneller zurecht als die „Alten“, das ist unbe­strit­ten. Aber reicht es, sich in Social Medias zu bewegen und PC, Tablet und Handy schnell bedienen zu können, um sich in einer digi­ta­li­sier­ten (Arbeits-)Welt zu behaupten?

Koch: Natürlich braucht es mehr. Auch digitale Werkzeuge müssen sehr gut erlernt werden. Man muss wissen, wie man Websites erstellt, Links richtig setzt oder Postings ordent­lich verfasst. Dazu kommt, dass sich die Platt­for­men sehr schnell ändern. Heute ist es Instagram, morgen wieder etwas ganz anderes. Man muss das Handwerk beherr­schen, das gilt auch für die Jungen. Im Grunde braucht es drei Dinge, um sich in der digitalen Welt durch­set­zen zu können: Selbst­be­wusst­sein, Arbeits­ethik und, so seltsam es im Zusam­men­hang mit der Schnel­lig­keit, die im digitalen Umfeld üblich ist, klingen mag: Geduld. Die Dinge kommen auch im Internet nicht irgend­wo­her, sie brauchen Arbeit.

Sind „die Jungen“ innovativ?

Koch: Inno­va­ti­on kommt mit der Tech­no­lo­gie. Ich glaube, wir Jungen wenden unseren Willen zur Inno­va­ti­on durchaus auch auf andere Lebens­be­rei­che als das Internet an. Das Thema Selbst­ver­wirk­li­chung wird anders betrach­tet. Wir haben ein globales Bewusst­sein ent­wi­ckelt, das ermög­licht uns ein anderes Denken und einen anderen Blick­win­kel.

Was würden Sie dem poten­zi­el­len Gründer eines inno­va­ti­ven Start-ups, das sich mit digitalen Produkten beschäf­ti­gen will, raten?

Zenker: Als aller­ers­tes, mit möglichst wenig Aufwand eine Markt­fä­hig­keits­prü­fung vor­zu­neh­men. Dafür braucht es nur wenig Kapital. Es geht darum, her­aus­zu­fin­den, wie ich optimal von meinen Kunden lernen kann. Der größte Fehler für ein Start-up ist es, um viel Geld ein Produkt zu 99 Prozent fertig zu ent­wi­ckeln und dann zu sehen, das kauft keiner. Besser ist es, das Produkt gemeinsam mit den Kunden fertig zu ent­wi­ckeln. Wenn ein Produkt eine Branche verändern soll. Das wollen ja viele Start-ups erreichen, muss der Kunde auch erst einmal damit umgehen lernen. Wichtig ist es auch, zu prüfen, welcher Investor in welcher Gesell­schafts­struk­tur zu mir passt. Denn Inves­to­ren bleiben für gewöhn­lich lange in der Firma. Ein schönes Beispiel ist Dropbox. Es hätte Millionen gekostet, einen voll funk­ti­ons­fä­hi­gen Pro­to­ty­pen zu ent­wi­ckeln. Was hat der Gründer gemacht? Ein Video, das zeigte, was das Ding können soll. Schon hatte er Inves­to­ren.

Koch: Ich brauche zahlende Kunden, sonst ent­wi­ckelt sich nur Frus­tra­ti­on. Ich sage immer: Verkaufe nicht deine Seele, du hast nur eine.

Herk: Ich sehe das wie ein Stra­ßen­mu­si­ker – der Hut lügt nicht. Wenn am Ende des Tages nichts drinnen ist, sollte ich etwas anderes machen.

Eibinger-Miedl: Gründer sollten sich nicht scheuen, um För­de­run­gen anzu­fra­gen. Wir haben viele Instru­men­te, die helfen können. Es braucht Selbst­be­wusst­sein und den Mut, auch scheitern zu können.

Herk: Da gibt es zum Glück einen Para­dig­men­wech­sel. Scheitern ist heute erlaubt. Darum rate ich: Glaub an deine Idee und raus auf die Bühne.

 

Info
Über Inno­va­ti­on, Digi­tal­sie­rung und Start-ups dis­ku­tier­ten in der Unter­neh­mer­lounge WKO Stei­er­mark die Wirt­schafts­lan­des­rä­tin Barbara Eibinger-Miedl,  WKO-Stei­er­mark-Präsident Josef Herk,  Autor und Start-up-Gründer Samuel Koch und Georg Zenker, Investor und Ver­mö­gens­be­ra­ters.

Barbara Eibinger-Miedl
Ist seit 2017 Lan­des­rä­tin für Wirt­schaft und Inno­va­ti­on. Sie stammt aus einer Unter­neh­mer­fa­mi­lie. Sie hat Abschlüs­se in Rechts­wis­sen­schaf­ten und Betriebs­wirt­schafts­leh­re. Ihre poli­ti­sche Laufbahn begann in der Jungen Wirt­schaft.

Josef Herk
Ist seit 2011 Präsident der WKO Stei­er­mark. der gelernte Karos­se­rie­bau­er und Kfz-Mecha­ni­ker führt seit 1988 einen Karos­se­rie- und Lackier­be­trieb in Knit­tel­feld. Vor allem die (Aus-)Bildung junger Talente ist sein Anliegen. Herk hat für heuer die Berufs­eu­ro­pa­meis­ter­schaf­ten Euro­s­kills nach Graz geholt.

Samuel Koch
Ist Autor des Buches „Die Welt, die ihr nicht mehr versteht“. Darin stellt er die These auf, über 40-Jährige hätten wenig bis keine Ahnung von der digitalen Welt und sollten Jüngeren Platz machen. Koch ist auch Gründer zweier Start-ups, Galacta und WizHub.

Georg Zenker
Ist CEO des Ver­mö­gens­be­ra­ters Bogen & Partner, Private Equity Investor und Ver­mö­gens­ver­wal­ter. Der gelernte Betriebs­wirt trak­tier­te schon in der Schule seine Lehrer mit Fragen zur Wirt­schaft. Zenker ist einer von acht EIF zer­ti­fi­zier­ten Business Angels in Öster­reich.

 

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