Start-up-Gründungen: Wachstum trotz Krise

Trotz Krisen und Corona-Pandemie nimmt die Zahl der Start-up-Gründungen zu. Es wird antizyklisch in Innovation investiert. Eine Expertenrunde erklärt die Hintergründe.
Christoph Ludwig ist Geschäftsführer der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft SFG und diskutierte mit weiteren Experten über das Wachstum der heimischen Start-up-Gründungen.
Christoph Ludwig ist Geschäftsführer der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft SFG und diskutierte mit weiteren Experten über das Wachstum der heimischen Start-up-Gründungen. Fotocredit: Oliver Wolf.

Start-up-Gründungen nehmen hierzulande stark zu! Ein Aufwärtstrend dem auch diverse Krisen und selbst die Covid-19-Pandemie nichts anhaben konne. Eine Runde an Experten klärt im JUST-Talk über die Hintergründe auf. Es diskutierten Henrietta Egerth, Geschäftsführerin der FFG, Michael Kopiunig, Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer Steiermark, Christoph Ludwig, Geschäftsführer der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Investor Georg Zenker und Martin Mössler, Geschäftsführer des Science Park Graz.

Was tut sich auf dem Gründermarkt? Beeinflusst Corona auch die Tätigkeit der Start-ups und macht es die Pandemie schwerer, ein Unternehmen zu gründen?

Egerth: Seit Jänner verzeichnen wir bei der Forschungsförderungsgesellschaft 30 bis 50 Prozent mehr Einreichungen bei unseren Basisprogrammen. Vor allem mittelständische Unternehmen und Start-ups sind stark an Innovationsförderungen interessiert. Angesichts der Pandemie setzen sie darauf, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, um nach der Krise durchstarten zu können. Ökonomen raten ebenfalls dazu, jetzt antizyklisch zu investieren, vor allem in Innovation und Bildung.

Ludwig: Ich kann da nur zustimmen. Die Start-ups sind die Lebensader einer Region. Wir sehen bei der Steirischen Wirtschaftsförderung ebenfalls eine erhöhte Nachfrage nach Förderungen. Wir werden die Zahl unserer Förderfälle heuer verdoppeln. Auch ohne Covid-19 hätten wir einen starken Anstieg gehabt, nämlich um 300 bis 400 Förderfälle mehr. Allein das hätte ein Plus von 10 bis 15 Prozent bedeutet. Gefragt sind derzeit Unterstützungen bei der Schaffung von Telearbeitsplätzen, auch weil es momentan besondere Möglichkeiten gibt. Gefördert werden können da bis zu 70 Prozent der Anschaffungskosten, dazu kommen noch einmal 14 Prozent vom Bund. Außerdem gibt es zahlreiche andere Chancen, Bundesförderungen zu erhalten.

Mössler: Das Innovationsgeschäft ist von vornherein stark antizyklisch ausgerichtet. Gerade jetzt haben wir eine besondere Verantwortung. Je besser wir jetzt in der Krise arbeiten, desto stärker werden wir in der Zukunft dastehen. Für uns als Standort Steiermark lohnt sich gerade die lange, enge Zusammenarbeit mit der FFG und der ausgezeichnet aufgestellten SFG.

Wie sehen die Parameter aus, die ein Start-up erfolgreich machen?

Mössler: Generell müssen sich Start-ups vor dem Beginn ihrer Tätigkeit fragen: „Gibt es eine Problem, für das ich die Lösung habe und gibt es einen Markt dafür?“ Es ist manchmal schade, dass tolle Entwicklungen keine Kunden finden, einfach weil das Problem dahinter nicht virulent ist. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob das Team eines Start-ups auch zusammenhalten kann. Es gibt viele Investoren, die vor allem auf ein stabiles Team achten.

Zenker: Ich kann mich anschließen, diese beiden Kriterien zählen. Corona ist – ohne zynisch sein zu wollen – ein ideales Umfeld, in dem sich Start-ups in einer sehr schwierigen Marktsituation behaupten können. Junge Unternehmen haben sogar einen großen Vorteil: Sie sind schlank aufgestellt und können rasch reagieren. Wer sich jetzt beweist, der ist ein ideales Ziel für Investoren. Sie werden gern Kapital zur Verfügung stellen.

Kropiunig: Als Anwälte sehen wir in der Pandemie, dass gute Unternehmen weiterhin gut funktionieren. Es wird rasch auf neue Rahmenbedingungen reagiert. Schwierig ist momentan die Finanzierung durch Banken, weil Businesspläne nötig und diese unmöglich zu erstellen sind. Darum bräuchte es vermehrt Venture Capital. Wir als Anwälte schauen auch verstärkt auf den Interessensausgleich zwischen Gründer und Investor. Letzterer darf nicht nach zwei oder drei Jahren mit der Geschäftsidee im Gepäck verschwinden. An Bedeutung gewonnen hat eindeutig Private Equity – es gibt viele Privatinvestoren, die gerne gute Ideen finanzieren.

Egerth: Es gibt sehr viel Geld für Investitionen in Österreich. Zum Teil mangelt es aber an guten Targets.

Wie wichtig ist das Umfeld für Start-ups?

Henrietta Egerth: Das entsprechende Ökosystem ist eine Grundvoraussetzung für eine positive Entwicklung. In Österreich haben wir einen guten Nährboden für Start-ups und Spin-offs. Besonders günstig sind da natürlich bundesländerübergreifende Strukturen wie zum Beispiel der steirische Green Tech Cluster. Zusätzlich zu diesen Ökosystemen haben wir auch starke Finanzierungsinstrumente der öffentlichen Hand. Gefragt sind selbstverständlich aber auch Investoren.

Christoph Ludwig: Die Ökosysteme bei uns stimmen, die Gründer müssen sich wohlfühlen und wir tun sehr viel dafür, dass es so ist. Wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen. In der Steiermark funktioniert das sehr gut, aber wir wollen noch mehr Start-ups und Spin-offs aus unseren Universitäten herausbekommen. Aktuell setzen wir als SFG Initiativen, um die Gründerszene weiter zu stärken. Vor wenigen Tagen ist KAIT angelaufen, der Kapfenberger Accelerator für IT – ein von der SFG gefördertes Projekt der FH Joanneum. Gründungen finden ja nicht nur im Großraum Graz statt und mit der Montanuniversität Leoben gibt es in der Obersteiermark einen hervorragenden wissenschaftlichen Partner.

Die Schwerpunkte Digitalisierung, Greendeal, IT und Frauen sowie Regionalität finden sich in unserer Förderungs-DNA. Mit der Initiative schaffen wir einen Geburtsort für junge, innovative Ideen. Neu ist auch unser Programm Startklar Plus. Mit diesem fördern wir bis zu 80 Prozent der Kosten (auch interne Personalkosten). Die nicht rückzahlbare Förderung hat eine Höhe von bis zu € 100.000. Unser Ziel dabei ist es, Unternehmen, die jünger als fünf Jahre sind und die vor der ersten Investorenrunde stehen, zu stärken. Die Start-ups sollen die Chance haben im Land zu bleiben und sich nicht ins Ausland verkaufen zu müssen.

Martin Mössler: Gerade für Start-ups ist die Anschlussfinanzierung eine große Herausforderung. Sie sind dann in einer sehr vulnerablen Situation. Startklar Plus kommt da präzise zum richtigen Zeitpunkt. Ein guter Investor achtet darauf, dass Gründer nicht Angestellte sein wollen. Startklar Plus hilft auch da, die Eigenverantwortung aufrechtzuerhalten.

Georg Zenker: Die Frage nach einem verkappten Angestelltendasein stellt sich bei einem guten Gründerteam ohnehin nicht. Ein Investor würde so eine Mannschaft nie aushebeln, wir sind als Investoren ja froh, wenn wir passiv bleiben können. In den ersten Jahren fehlen aber manchmal die wirtschaftlichen Kompetenzen, da helfen wir natürlich gerne.
Nicht nur die Gründung eines Start-ups ist ein Sprung ins kalte Wasser, auch Unternehmensnachfolgen oder Übernahmen durch Mitarbeiter sind eine Herausforderung …

Michael Kropiunig: Gerade bei Nachfolgen ist absolute Transparenz vonnöten. Jeder Altunternehmer trägt einen Rucksack mit sich, den muss man ihm abnehmen. Er muss aber auch bereit sein, loszulassen und sich nicht mehr einzumischen. Bei Neugründungen stellen sich andere Fragen: Welche Regularien muss ich beachten? Gründer sind oft nur auf das Technische konzentriert. In der Pandemie haben wir gesehen, dass Leute Schutzmasken importiert haben, die dann nicht der Norm entsprochen haben und eigentlich gar nicht auf den Markt gebracht hätten werden dürfen.

Wie ist die Stimmung in der Szene in Bezug auf Start-up-Gründungen?

Martin Mössler: Man hat gesehen, dass viele B2B-Modelle eingebrochen sind. Die weitaus weniger beliebten Business-to-Customer-Modelle funktionieren hingegen noch ganz gut. Darum macht es Sinn, hier ein wenig zu diversifizieren und neue Kundenstöcke aufzubauen. Auch bei der Tätigkeit an sich lohnt es sich, auf einen guten Mix aus Hard- und Software zu setzen. Nur Apps zu produzieren, ist zu wenig. Insgesamt ist die Situation unberechenbar. Es besteht nur geringe Planungssicherheit. Start-ups sind zwar leichter zu steuern als große Unternehmen, wegen des geringen Eigenkapitals aber auch anfälliger. Eigenkapital ist das Gewicht, das dem Schiff während des Sturms Stabilität verleiht.

Georg Zenker: In Österreich sind Wachstumsfinanzierungen ein großes Thema. Wir können in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Wirtschaftsfonds den Anschluss an internationale Private-Equity-Geber legen. Es gibt auch eine Orientierung hin zu einer besseren Welt: Green Tech und Social Impact gewinnen massiv an Bedeutung für Investoren. Das sind die Geschäftsmodelle für zukünftige Generationen.

Was ist für Start-ups besser – Venture Capital oder das Modell der Business Angels?

Georg Zenker: Die Grenzen verschwimmen zunehmend. Früher haben sich Business Angels als Coach gesehen, erfolgreiche Venture-Capital-Geber tun das heute ebenso. Ein Business Angel hat wahrscheinlich einen direkteren Bezug zum Unternehmen, er hat meist keinen fixen Zeithorizont für sein Investment. Historisch gesehen sind für Start-ups anfangs eher Business Angel, in einer späteren Phase dann das Venture Capital interessanter.

Martin Mössler: Es gibt nur wenige Venture-Capital-Geber, die nicht exitgetrieben sind. Ein Start-up, das keine Exitstrategie akzeptiert, wird auch kein Venture Capital bekommen.
In diesem Zusammenhang ist auch der Kommerzbereich der Steiermärkischen Sparkasse unter ihrem Vorstand Oliver Kröpfl zu nennen, welcher exzellente Arbeit für den Start-up Standort Steiermark leistet.

Christoph Ludwig: Aus diesem Grund hat die SFG eine Risikokapital-Offensive gestartet. Wir verdoppeln das Geld, das ein Business Angel bereitstellt. Wir sehen das als Markthebel und uns als Impulsgeber. Die SFG gibt ihre Anteile nach vorher definierten Regeln wieder ab und setzt das Geld dann neu ein.

Michael Kropiunig: Für Jungunternehmer sind Business Angels definitiv die geeigneteren Partner. Schon deshalb, weil eine Idee zu haben nicht automatisch heißt, dass kaufmännisches Wissen vorhanden ist.

Henrietta Egerth: Es geht bei Gründungen auch um Mentoren, wir haben da eine hohe Quote.

Corona hat uns gezeigt, wie abhängig wir von anderen Ländern sind, zum Beispiel bei Medikamenten. Wie viel Produktion soll und kann man nach Österreich zurückholen?

Henrietta Egerth: Es geht auch darum, Abwanderung zu verhindern und Neuansiedelungen zu forcieren. Wir als FFG fahren da das volle Programm, wir setzen alle Instrumente ein, die mit den europäischen Wettbewerbsregeln in Einklang stehen.

Covid-19 hat die Frage aufgeworfen: Wie viel Autarkie und wie viel Globalisierung braucht es? Bei den Masken geht es zum Beispiel darum, ob die Erzeugung in Österreich oder eine ordentliche Lagerhaltung wirtschaftlich sinnvoller ist. Wir dürfen da nicht in Sozialromantik verfallen. Die Einstellung, wir produzieren alles in Österreich nützt nichts, wenn auf Dauer kein Markt für die Produkte da ist. Wir müssen unseren Fokus darauf richten, wie und mit welchen Produkten wir aus der Krise wieder herauskommen. Nachhaltiges Investieren gewinnt zunehmend Bedeutung für Investoren und Kreditgeber. Wir haben da, denke ich, durchaus gute Chancen.

Christoph Ludwig: Auch in der Steiermark haben wir tolle Ansiedelungsprojekte in der Pipeline, können aber noch nicht darüber sprechen. Trotz Corona sind große Unternehmen und Konzerne bereit, hier zu investieren. Andererseits gibt es leider Bestrebungen von Konzernen, Fabriken in Europa zu schließen. Als Wirtschaftsstandort Steiermark können wie verlieren oder gewinnen, beides kommt vor.

Schon in der Finanzkrise ist es der Steiermark ganz gut gelungen, die Probleme zu meistern. Die SFG als Standortagentur arbeitet flexibel und sehr aktiv. Wegen der Pandemie ist da einiges möglich, was sonst nicht geht.

Michael Kropiunig: Ich sehe den Wirtschaftsstandort Steiermark sehr gut aufgestellt. Allerdings befinden wir uns in einem Deutungsvakuum, was nach Corona passieren wird. Die Stundungen durch Finanz und Sozialversicherungen oder Banken bedeuten ja nicht, dass die Schuld erlassen ist. Für manche Unternehmen bedeutet das, dass sie das, was sie nicht verdient haben, dann nachzahlen müssen. Es ist offen, ob sie das schaffen. Die Planung ist für Unternehmen derzeit eine Katastrophe. Vieles von dem, was in Pressekonferenzen angekündigt wird, findet sich dann nicht oder anders in den Verordnungen. Was das angeht, muss man noch viel verbessern.

Info:
Henrietta Egerth ist Geschäftsführerin der FFG. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft ist eine Organisation zur Förderung von Forschung und Innovation im Bereich der anwendungsorientierten und industrienahen Forschung in Österreich und befindet sich zu 100 Prozent im Eigentum der Republik.

Michael Kropiunig ist Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer Steiermark. Er ist seit 2001 selbstständiger Rechtsanwalt und betreibt eine Kanzlei in Leoben. Zu den Spezialgebieten zählen Vertragsrecht und Betriebsübergaben.

Christoph Ludwig ist Geschäftsführer der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft SFG, die im Eigentum des Landes Steiermark steht. Diese sieht sich vor allem als Standortagentur, die den Wirtschaftsstandort Steiermark stärken hilft.

Martin Mössler ist Geschäftsführer des Science Park Graz. Der Business-Inkubator der Universitäten unterstützt seit 2002 Start-ups und Spin-offs aus dem Wissenschaftsbereich. Derzeit haben rund 50 Unternehmen im Science Park angedockt.

Georg Zenker ist einer der erfolgreichsten österreichischen Investoren. Als einer von einer Handvoll heimischen Kollegen ist er vom Europäischen Investitionsfonds EIF zertifiziert. Jeder Euro, den er in ein Unternehmen investiert, wird ohne Rückfrage oder Prüfung vom EIF verdoppelt.

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