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Mur Valley statt Silicon Valley

Die Digi­ta­li­sie­rung schrei­tet in großen Schrit­ten voran und während zahl­rei­che Inno­va­tio­nen aus dem berühm­tes­ten Tal der ame­ri­ka­ni­schen Wüste bereits im Alltag der meisten Men­schen ange­kom­men sind, pas­sie­ren direkt vor unserer Haustür Ent­wick­lun­gen, welche ebenso bahn­bre­chend und zukunfts­wei­send sind.

Im Novem­ber ver­gan­ge­nen Jahres hat die SFG unter Ihrer Leitung die Risi­ko­ka­pi­tal­of­fen­si­ve gestar­tet, welche sich expli­zit an Start-ups aus dem Bereich Digi­ta­li­sie­rung richtet. Warum ist die Vergabe dieses Kapi­tals durch Ihre Insti­tu­ti­on so wichtig für den Stand­ort?

Chris­toph Ludwig • Am Anfang einer groß­ar­ti­gen Inno­va­ti­on stehen stets zwei Dinge: eine nie zuvor dage­we­se­ne Idee und die rich­ti­ge Portion Lei­den­schaft all jener, die an ihrer Ent­wick­lung betei­ligt sind. An Visio­nen mangelt es den stei­ri­schen Jung­un­ter­neh­mern kei­nes­wegs, viel­mehr fehlt in der Stei­er­mark – und darüber hinaus in ganz Öster­reich – der risi­ko­ar­me Zugang zu dem nötigen Start­ka­pi­tal, um diese inno­va­ti­ven Ideen auch tat­säch­lich umset­zen zu können.

Wirft man einen Blick auf andere Regio­nen welt­weit, in denen es eine starke Start-up-Szene gibt, wird schnell klar, dass durch die Ver­net­zung von Wis­sen­schaft und Wirt­schaft in der Stei­er­mark ganz großes Poten­zi­al ent­steht. Dieses wird zum Teil bereits genutzt, es schlum­mern hier aber noch weitaus mehr Res­sour­cen. Um diesen einen opti­ma­len Raum zur Ent­fal­tung geben zu können, mangelt es in Öster­reich an der Bereit­schaft pri­va­ter Geld­ge­ber, in die Ent­wick­lung zu inves­tie­ren. Wir als SFG sehen es nicht nur als unsere Aufgabe, dieses feh­len­de Kapital inno­va­ti­ven Start-ups zur Ver­fü­gung zu stellen, sondern auch ver­mehrt Inves­to­ren zur Betei­li­gung für diese wich­ti­ge Form der Wirt­schafts­för­de­rung zu gewin­nen. Daher ver­dop­peln wir jene Beträge, die Jung­un­ter­neh­men von einem Busi­ness-Angel zur Ver­fü­gung gestellt werden, und betei­li­gen uns mit bis zu 150.000 Euro.

Warum ist der Fokus auf Start-ups Ihrer Meinung nach so wichtig für die stei­ri­sche Wirt­schaft?

Ludwig • Die Start-ups von heute sind die Kraft­wer­ke unserer Wirt­schaft von morgen. Ein gutes Bei­spiel sind drei große Grazer Firmen – AVL, Anton Paar und Magna Steyr – deren Ent­wick­lung bei­spiel­haft ver­an­schau­licht, wie aus einem Start-up inner­halb einer Gene­ra­ti­on ein inter­na­tio­nal erfolg­rei­ches Unter­neh­men werden kann. Wir wollen die not­wen­di­gen Rah­men­be­din­gun­gen schaf­fen, um auch in diesem neuen Jahr­zehnt jungen Unter­neh­men eine solche Ent­wick­lung zu ermög­li­chen.

Was macht den Stand­ort rund um die stei­ri­sche Lan­des­haupt­stadt so beson­ders?

Ludwig • Das Mur Valley ist ein wahrer Schmelz­tie­gel an inter­na­tio­nal agie­ren­den Unter­neh­men, Hoch­schu­len und Kom­pe­tenz­zen­tren. Die Zusam­men­ar­beit all dieser Insti­tu­tio­nen schafft die opti­ma­len Vor­aus­set­zun­gen, um aus uni­ver­si­tä­ren Spin-offs erfolg­rei­che Start-ups zu ent­wi­ckeln sowie High-Poten­ti­als nicht nur aus­zu­bil­den, sondern auch aus anderen Regio­nen auf­grund der lokal ver­füg­ba­ren Mög­lich­kei­ten für uns zu gewin­nen. Dazu zählen For­schungs­zen­tren wie die Silicon Austria Labs, deren For­schung rund um elek­tronik­ba­sier­te Systeme eine inter­na­tio­na­le Vor­rei­ter­rol­le ein­nimmt und die Basis für völlig neue Pro­duk­te und Pro­zes­se im Rahmen der Digi­ta­li­sie­rung ermög­licht.

Die COMET-For­schungs­zen­tren bilden eine essen­zi­el­le Schnitt­stel­le zwi­schen For­schung und Wirt­schaft, Uni­ver­si­tä­ten und Unter­neh­men und treiben so die Ent­wick­lung neuer Inno­va­tio­nen auf wis­sen­schaft­li­cher und wirt­schaft­li­cher Ebene voran. Mit einer Betei­li­gung an 25 der öster­reich­weit ins­ge­samt 42 COMET-For­schungs­zen­tren trägt die Stei­er­mark einen wesent­li­chen Teil zu diesem For­schungs­pro­gramm auf inter­na­tio­na­lem Spit­zen­ni­veau bei.

Sind sich die High-Poten­ti­als der Branche dieser Stärken des Stand­orts Graz und seiner Umge­bung über­haupt bewusst?

Ludwig • Genau da liegt ein großes Problem in der Wahr­neh­mung, denn in den Köpfen vieler domi­niert nach wie vor das Silicon Valley in Kali­for­ni­en als jener Ort, an dem sich attrak­ti­ve Jobs, inter­es­san­te Her­aus­for­de­run­gen und hohe Gehäl­ter treffen. Exper­ten aus aller Welt zieht es so in die Wüste, mit­un­ter weit weg von ihrer Familie und der Kultur, der sie ent­stam­men.

Das ist ein ein­schnei­den­der Schritt, der nicht allen leicht­fal­len dürfte. Was ist also mit jenen, die an einer unserer Uni­ver­si­tä­ten oder Fach­hoch­schu­len aus­ge­bil­det wurden und nun auf Job­su­che sind oder bereits einen Plan für ihr eigenes Start-up im Kopf haben?

Ludwig • Natür­lich ist es ein großes Ziel unserer Risi­ko­ka­pi­tal­of­fen­si­ve genau diese Men­schen in unserer Region zu halten, ihnen hier Arbeits­plät­ze mit großem Poten­zi­al zu bieten und sie selbst bei der Rea­li­sie­rung inno­va­ti­ver Ideen zu unter­stüt­zen. Das Mur Valley ist aber nicht nur für Start-ups beson­ders attrak­tiv, sondern auch als Stand­ort für inter­na­tio­na­le Unter­neh­men von großer Bedeu­tung. Diese eröff­nen damit nicht nur eine weitere Nie­der­las­sung, sondern betrei­ben hier zen­tra­le Bestand­tei­le ihrer For­schung und Inno­va­ti­on. Der Grund dafür ist, dass sie bei uns die rich­ti­gen Rah­men­be­din­gun­gen finden. Das sind nicht nur die gut aus­ge­bil­de­ten Absol­ven­ten unserer Hoch­schu­len, sondern auch eine attrak­ti­ve Umge­bung im Herzen Europas, in der Kunst, Kultur und Nah­erho­lung in der Natur eine wich­ti­ge Rolle spielen.

Auch bereits bestehen­de Unter­neh­men müssen an der Digi­ta­li­sie­rung teil­neh­men, um in Zukunft wett­be­werbs­fä­hig zu bleiben und sich einen Markt­vor­teil zu sichern. Gibt es auch für sie geziel­te För­der­mög­lich­kei­ten?

Ludwig • Hier gilt es vor allem, Mög­lich­kei­ten zur Wei­ter­bil­dung von Mit­ar­bei­tern wie auch der Geschäfts­lei­tung zu schaf­fen und den aktiven Erfah­rungs­aus­tausch zwi­schen den ein­zel­nen Unter­neh­men zu fördern. Eine Mög­lich­keit dafür bieten bei­spiels­wei­se die soge­nann­ten Impuls-Qua­li­fi­zie­rungs­ver­bün­de, welche vom AMS, der alea + partner GmbH und der SFG initi­iert wurden.

Ein wei­te­res hoch­bri­san­tes Thema für bereits bestehen­de Unter­neh­men, vor allem im pro­du­zie­ren­den Bereich, ist die Imple­men­tie­rung von künst­li­cher Intel­li­genz in ihre Pro­zes­se. Der vor Kurzem ins Leben geru­fe­ne Digi Hub Styria macht KMUs das Wissen rund um die Mög­lich­kei­ten künst­li­cher Intel­li­genz zugäng­lich, sorgt für eine geziel­te Ver­net­zung und zeigt so Wege auf, wie neue Systeme im Zuge der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on in das eigene Unter­neh­men inte­griert werden können.

Chris­toph Ludwig
Der gebür­ti­ge Grazer Chris­toph Ludwig ist seit 1. April 2019 Geschäfts­füh­rer der Stei­ri­schen Wirt­schafts­för­de­rungs­ge­sell­schaft und setzt sich unter anderem für den Ausbau der stei­ri­schen Vor­rei­ter­rol­le in Sachen Digi­ta­li­sie­rung ein.

Foto­credit: Anna Lisa Kiesel

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