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Kom­fort­zo­ne war gestern

30.639 weiß-grüne Betrie­be sind in weib­li­cher Hand – Tendenz stei­gend. Aller­dings werden auch die Her­aus­for­de­run­gen nicht kleiner, alte wie neue. Gabi Lechner, Vize­prä­si­den­tin der WKO Stei­er­mark und Lan­des­vor­sit­zen­de von „Frau in der Wirt­schaft“ über Stra­te­gien, wie man sich best­mög­lich wappnen kann.

Stei­ri­sche Unter­neh­me­rin­nen sind weiter auf der Über­hol­spur: Mehr als ein Drittel der Betrie­be wird von Frauen geführt. Der Anteil bei den Grün­dun­gen liegt bei 46,4 Prozent, vor zehn Jahren betrug er 39,3 Prozent. Die Ent­wick­lung stimmt Gabi Lechner, Lan­des­vor­sit­zen­de von „Frau in der Wirt­schaft“, positiv. Gleich­zei­tig mahnt sie Frauen, tra­dier­te Ungleich­hei­ten nicht hin­zu­neh­men und Zeit und Mut in das per­sön­li­che Fort­kom­men zu inves­tie­ren.

Worin liegen die großen Her­aus­for­de­run­gen für Unter­neh­me­rin­nen?

Sie haben zuletzt schier Unglaub­li­ches geleis­tet, von der Mehr­fach­be­las­tung in der Pan­de­mie bis zur Bewäl­ti­gung des Arbeits- und Fach­kräf­te­man­gels. Oft lag und liegt es an ihnen, wirt­schaft­li­che und fami­liä­re Her­aus­for­de­run­gen unter einen Hut zu bekom­men. Während des ersten Lock­downs waren über 50 Prozent nicht unter­neh­me­risch tätig, sondern mit Kin­der­be­treu­ung und Home­schoo­ling beschäf­tigt. Es muss endlich selbst­ver­ständ­lich sein, dass Männer Auf­ga­ben in der Familie zu glei­chen Teilen über­neh­men. Ich setze da auf die jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen. Auch die Bezah­lung ist nach wie vor ungleich. Es braucht eine gesell­schafts­po­li­ti­sche Ver­än­de­rung, Frauen müssen es aber auch selbst ein­for­dern. Zudem brau­chen sie mehr Sicht­bar­keit, noch immer ist die Präsenz von Männern weit höher.

An welchen Hebeln muss man anset­zen?

Frauen trauen sich den Schritt in die Selbst­stän­dig­keit oft nicht gleich zu, sie sind sehr selbst­kri­tisch, da braucht es mehr Mut. Erst im Laufe der Jahre erken­nen viele ihren Wert und ihr Können. Im Schnitt sind Grün­de­rin­nen 40 Jahre alt, zuletzt ist das Alter sogar auf 47 Jahre gestie­gen. Es braucht Netz­wer­ke wie die „Frau in der Wirt­schaft“, damit sich Gleich­ge­sinn­te aus­tau­schen können. Frauen sollten mehr Posi­tio­nen als Funk­tio­nä­rin­nen und in Auf­sichts­rä­ten beklei­den. Männer holen oft Männer. Auch in der Wirt­schafts­kam­mer hat es gedau­ert, bis das erkannt wurde. Es spie­gelt sich in der Wirt­schaft zudem nicht wieder, dass viele Frauen besser aus­ge­bil­det ist. Jede fünfte Frau hat ein Studium abge­schlos­sen, aber nur jeder sechste Mann. Die Teil­zeit­quo­te bei Frauen zwi­schen 25 und 49 Jahren mit Kindern unter 15 Jahren liegt bei 72,8 Prozent. Bei Männern beträgt sie 6,8 Prozent!

Mit welchen For­de­run­gen begeg­net „Frau in der Wirt­schaft“ diesem Status quo?

Wir setzen uns für bessere Rah­men­be­din­gun­gen ein, etwa fle­xi­ble­re Mög­lich­kei­ten der Kin­der­be­treu­ung. Die Stei­er­mark ist hier Schluss­licht. Wir fordern einen Rechts­an­spruch auf flä­chen­de­cken­de, qua­li­täts­vol­le und fle­xi­ble Kin­der­be­treu­ung ab dem 1. Geburts­tag – anders wird sich die Lücke bei der Teil­zeit­quo­te nicht füllen lassen. Das bedeu­tet nicht nur mehr Arbeits­kräf­te für die Wirt­schaft, das ist auch essen­ti­ell bei der Bekämp­fung weib­li­cher Alters­ar­mut. In die gleiche Kerbe schlägt auch das Pen­si­ons­split­ting. Viele wissen aber nichts von dieser Mög­lich­keit und nützen es daher nicht. Da gibt es noch viel Auf­klä­rungs­ar­beit zu leisten.

Was sind Schlüs­sel­fak­to­ren für unter­neh­me­ri­schen Erfolg?

Frauen sollten sich mehr zutrau­en, Koope­ra­tio­nen und her­aus­for­dern­de Auf­trä­ge anneh­men. Es braucht Selbst­mo­ti­va­ti­on, um harte Zeiten zu bestehen und sich selbst an den Haaren aus dem Wasser zu ziehen. Netz­wer­ke gilt es zu pflegen, nicht nur jene von Frauen. Enga­ge­ment und Betei­li­gung fördern die Sicht­bar­keit, auch wenn sie Zeit und Mut kosten. Gerade erst haben wir die „Unter­neh­me­rin­nen des Jahres“ für beson­de­re Leis­tun­gen und Einsatz für den Wirt­schafts­stand­ort Stei­er­mark aus­ge­zeich­net. Darüber hinaus sehe ich Diver­si­tät als Chance. Gut durch­misch­te Teams stei­gern das Erfolgs­po­ten­zi­al eines Unter­neh­mens. Es braucht Men­schen, die anders denken und die anders sind.

Wie ändert sich die Arbeits­welt mit künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen?

Sie ändert sich bereits. Man muss ihre Wünsche ernst nehmen. Sie wollen einen erfül­len­den Job und fle­xi­ble Arbeits­mög­lich­kei­ten. In manchen Betrie­ben wird das frei­lich schwie­ri­ger werden, da müssen wir Lösun­gen finden. Die Lehr­lings­zah­len steigen wieder. Mädchen wählen noch immer klas­si­sche Lehr­be­ru­fe, in der Stei­er­mark liegt Metall­tech­nik aber an 4. Stelle – nach Einzelhandel‑, Büro­kauf­frau und Fri­seu­rin. Das ist gut. Wir müssen Eltern noch besser infor­mie­ren, durch die Berufs­wahl bleiben Ein­kom­mens­un­ter­schie­de bestehen. Die Kin­der­be­treu­ung ist ein Schlüs­sel.

Infor­ma­tio­nen auf www.unternehmerin.at/stmk

Foto: Von der Kleinst­un­ter­neh­me­rin bis zur Top­ma­na­ge­rin ver­tritt das stei­ri­sche Netz­werk „Frau in der Wirt­schaft“ mit Gabi Lechner an der Spitze die Inter­es­sen selbst­stän­di­ger Frauen

Foto­credit: Marija Kanizaj

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