JUST-Redaktion|

Holz kann noch mehr, wow

Chris­ti­an Tip­pel­reit­her, Geschäfts­füh­rer des Holz­clus­ters Stei­er­mark, über Leucht­turm­pro­duk­te und hart­nä­cki­ge Vor­be­hal­te, Kühl­schrank­vi­sio­nen, nor­ma­ti­ven Wild­wuchs – und die Marsch­rich­tung für die Zukunft. So viel ist sicher: Still­stand ist tabu.

Wie mutig blickt der Holz­clus­ter zum 20-Jahr-Jubi­lä­um in die Zukunft?

Chris­ti­an Tip­pel­reit­her: Es ist wichtig, dass wir nie stehen bleiben. Wir müssen Inno­va­ti­on stets vor­an­trei­ben, die Wei­ter­ent­wick­lung von Holz als Bau­stoff genauso wie seinen Einsatz als Werk­stoff in der Mobi­li­täts­bran­che. Es ist unser Anspruch, Wachs­tum und Beschäf­ti­gung in der Stei­er­mark zu unter­stüt­zen – das umfasst die Betriebs­welt vom Forst über die Indus­trie bis zur gewerb­li­chen Holz­ver­ar­bei­tung. Von wesent­li­cher Bedeu­tung ist es auch, wie wir den Roh­stoff aus den Wäldern bringen und Partner mobi­li­sie­ren können. Die Dis­kus­si­on rund um kli­ma­fit­te Wälder ist prä­sen­ter denn je. Gerade bei Green-Deal-Solu­ti­ons ist der nach­wach­sen­de Roh­stoff aus nach­hal­tig bewirt­schaf­te­ten Wäldern ein wich­ti­ger Hebel. Eines der Leucht­turm­pro­duk­te ist das Thema Brett­sperr­holz, das Anfang der 1990er seinen Ausgang nahm. Alle großen Holz­ver­ar­bei­ter haben inzwi­schen wei­ter­ver­ar­bei­ten­de Werke instal­liert, die Pro­duk­ti­ons­men­ge von einer Million Kubik­me­ter wird heuer erreicht. Die Ver­net­zung mit der Wis­sen­schaft treibt die Holz­bau­for­schung weiter voran, die Unter­neh­men ziehen mit. Mit stan­dar­di­sier­ten Bau­tei­len ist es möglich, in die Höhe und in die Breite zu bauen. Res­sour­cen­ef­fi­zi­enz schon in der Kon­struk­ti­on ist ange­sichts der Preis­the­ma­tik wich­ti­ger denn je.

Mit dem Roh­stoff will man aber auch ganz andere Berei­che erobern?

Es wird inten­siv erforscht, was Holz in der Fahr­zeug­bran­che leisten kann. Bevor ein Pro­to­typ gebaut werden kann, braucht es aller­dings vir­tu­el­le Model­lie­rung und Simu­la­ti­on. Mit holz­ba­sier­ten Pro­duk­ten war das im Gegen­satz zu Aluminium‑, Stahl- und Glas­fa­ser­ver­bund­tei­len bislang nicht möglich. Im Rahmen des ersten COMET-Pro­jekts WoodC.A.R. konnten nun bei­spiels­wei­se Sei­ten­auf­prall­trä­ger in einem Tür­auf­bau oder eine Bus­trep­pe in einem Autobus am Com­pu­ter kon­stru­iert und simu­liert werden. Wir können Holz wieder dorthin bringen, wo es schon einmal war. In der Flug­zeug­indus­trie kam es früher viel öfter zum Einsatz, in jeder Stra­ßen­bahn gab es Sitz­scha­len aus Holz. Jetzt haben wir erste Pro­to­ty­pen von Holz­hy­brid­tei­len. Das zweite COMET-Projekt CAR­pen­TiEr, das heuer gestar­tet ist, beschäf­tigt sich mit der Indus­tria­li­sie­rung der Pro­zes­se, um die Pro­duk­te in großen Stück­zah­len fer­ti­gen zu können. Ich bin über­zeugt davon, dass wir in fünf bis zehn Jahren Holz­hy­brid­tei­le in Bussen, Stra­ßen­bah­nen, Flug­zeu­gen und Zügen haben werden.

Welche Marsch­rich­tung wird im Holzbau ein­ge­schla­gen?

Leucht­turm­pro­jek­te wie das HoHo Wien sind wichtig, aber noch bedeut­sa­mer ist es, den Holzbau in der Breite zu for­cie­ren – vor allem in Höhen von vier bis acht Geschos­sen. Derzeit kommen noch immer viel­fach klas­si­sche erd­öl­ba­sier­te Bau­stof­fe zum Einsatz, allein der CO2-Ausstoß in der Zemen­ter­zeu­gung ist aber enorm. Mit einer nach­hal­ti­gen Forst­wirt­schaft dagegen können wir CO2 binden. Ein wesent­li­cher Aspekt ist auch der Lebens­zy­klus eines Gebäu­des. Wenn ein Holzbau einer neuen Nutzung zuge­führt wird, können andere Plat­ten­werk­stof­fe gewon­nen werden. Das bringt lang­fris­tig wirk­lich große Vor­tei­le.

Woran mangelt es dann derzeit noch?

Es gibt noch immer Vor­be­hal­te, feh­len­des Ver­trau­en und zu wenig Wissen im Umgang mit dem Werk­stoff. Dabei wurden Kri­tik­punk­te wie die Dauer der Nutz­bar­keit, Brand­schutz und Feuch­tig­keit längst wis­sen­schaft­lich eva­lu­iert. Zudem gibt es im DACH-Raum einen regel­rech­ten Wild­wuchs an nor­ma­ti­ven Rah­men­be­din­gun­gen. Wir müssen auch auf­hö­ren, nur den Betrieb eines Gebäu­des zu eva­lu­ie­ren, der Lebens­zy­klus ist ja weit länger und der Impact etwa bei fos­si­len Dämm­stof­fen schon im Vorfeld hoch. Wenn die Fassade eines Hauses zehn Jahre länger hält, rela­ti­vie­ren sich die Kosten. Gerade bei Inves­to­ren braucht es da noch viel Bewusst­seins­bil­dung.

Hat Corona Lie­fer­ket­ten und Kos­ten­struk­tu­ren durch­ein­an­der­ge­wir­belt?

Die Lie­fer­ket­ten­the­ma­tik hat uns nur am Rand getrof­fen, das betraf ledig­lich Ein­zel­kom­po­nen­ten wie Glas- und Maschi­nen­bau­tei­le oder Mikro­elek­tro­nik. Wir haben eine sehr robuste regio­na­le Wert­schöp­fungs­ket­te und sind auch im euro­päi­schen Raum gut auf­ge­stellt. Das bestärkt uns in dem Bestre­ben, Pro­duk­te, die jetzt in Übersee oder China pro­du­ziert werden, künftig bei uns aus Holz zu fer­ti­gen. Eine Bus­trep­pe muss nicht aus einem Glas­fa­ser-Bauteil sein, das kann auch eine Sperr­holz­kon­struk­ti­on leisten.

Wie groß darf man da denken?

Auch ein Kühl­schrank kann aus einer Holz­rah­men­kon­struk­ti­on bestehen. In der geleb­ten Bio­öko­no­mie ist vieles möglich. In der Zell­stoff­in­dus­trie werden bereits viele Neben­pro­duk­te her­ge­stellt – Faser­stof­fe für Klei­dung, che­mi­sche Bestand­tei­le für die Phar­ma­in­dus­trie, Essig für den Lebens­mit­tel­be­reich oder Ver­pa­ckungs­fo­li­en. Mit der Krea­tiv­wirt­schaft ist der Holz­clus­ter bereits eng ver­bun­den. Künf­ti­ge Archi­tek­ten und Desi­gner sollen an den Uni­ver­si­tä­ten und Fach­hoch­schu­len Holz ken­nen­ler­nen und als Mate­ri­al in Betracht ziehen. Das for­cie­ren wir, wir leben Koope­ra­tio­nen mit der CIS, mit Betrie­ben und For­schungs­ein­rich­tun­gen, es ist ein Schlüs­sel für die Zukunft. Es wird noch viel wich­ti­ger werden, Eitel­kei­ten da außen vor zu lassen, und öster­reich­weit an einem Strang im Sinne der Bio­öko­no­mie zu ziehen. Inno­va­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen zur Kreis­lauf­wirt­schaft rücken den Einsatz von Pflan­zen­koh­le in neu­ar­ti­gen Anwen­dun­gen in den Fokus – etwa in Form von Werk­stof­fen, als Koh­le­schaum, in Ver­bin­dung mit Kunst­stof­fen.

Wie weit vor­an­ge­schrit­ten ist die Digi­ta­li­sie­rung in der Holz­bran­che?

Die Band­brei­te ist groß und reicht von der klas­si­schen Rech­nungs­le­gung in KMUs über Robotik in der Tisch­le­rei bis hin zu sen­sor­ge­stütz­ten Sys­te­men und künst­li­cher Intel­li­genz in der groß­in­dus­tri­el­len Pro­zess­steue­rung sowie der Droh­nen­tech­no­lo­gie im Wald­mo­ni­to­ring. Derzeit läuft ja die dyna­mi­sche Wald­ty­pi­sie­rung, die Stei­er­mark ist Pilot­re­gi­on. Es geht darum, welche Baum­ar­ten kli­ma­fit sind und welche Anpas­sun­gen im Wald dafür not­wen­dig werden. Künftig sollen anhand der Ergeb­nis­se Hil­fe­stel­lun­gen an Wald­be­sit­zer über digi­ta­le App-Lösun­gen gegeben werden können.

Mehr Infor­ma­tio­nen:
www.holzcluster-steiermark.at

Foto: Holz­clus­ter-GF Chris­ti­an Tip­pel­reit­her geht vom bal­di­gen Einsatz von Holz­hy­brid­tei­len in der Mobi­li­täts­bran­che aus.

Foto­credit: Lung­ham­mer

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