Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben forscht an leit­fä­hi­gen Folien

Mit leitfähigen und flexiblen Folien beschäftigt sich das Team von Thomas Grießer vom Lehrstuhl für Chemie der Kunststoffe der Montanuniversität Leoben. Sensorsysteme und die Folien könnten in der Medizintechnik zum Beispiel bei Prothesen oder eingearbeitet in die Funktionskleidung im Sport eingesetzt werden.
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Mit leit­fä­hi­gen und flexiblen Folien beschäf­tigt sich das Team von Thomas Grießer vom Lehrstuhl für Chemie der Kunst­stof­fe der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben. Sen­sor­sys­te­me und die Folien könnten in der Medi­zin­tech­nik zum Beispiel bei Prothesen oder ein­ge­ar­bei­tet in die Funk­ti­ons­klei­dung im Sport ein­ge­setzt werden.

Wir arbeiten an elek­trisch leitenden Tinten, mit denen Folien bedruckt werden können“, schildert Thomas Grießer die For­schungs­rich­tung. Diese Tinten können ganz einfach im Sieb­druck­ver­fah­ren oder mit Inkjet-Geräten auf­ge­bracht werden. „Es handelt sich um Elas­to­me­re, in die Metallp­par­ti­kel ein­ge­bet­tet sind, meistens Silber, weil das besonders gut leitet“, erklärt der Wis­sen­schaf­ter. Aller­dings verwende man zuerst kein metal­li­sches, also ele­men­ta­res Silber, sondern Sil­ber­sal­ze und ein Reduk­ti­ons­mit­tel. „Dann werden die Folien einer Wär­me­be­hand­lung bei rund 100 Grad Celsius unter­zo­gen, die Salze werden dadurch zu metal­li­schem Silber reduziert.“ Diese Lösung sei um einiges billiger, als gleich metal­li­sche Sil­ber­par­ti­kel ein­zu­set­zen. „Dadurch wird die Methode öko­no­misch günstiger.“

Auf dem Weg zu dieser Art von Tinte gab es einige Schwie­rig­kei­ten aus­zu­räu­men. Grießer: „Die Reduk­ti­ons­mit­tel, die anfangs verwendet wurden, waren allesamt relativ toxisch. Uns ist es gelungen, nicht giftige Sub­stan­zen zu finden, die denselben Zweck erfüllen.“ Ange­sto­ßen wurde das Projekt durch eine Zusam­men­ar­beit der Montanuni mit Joanneum Research Weiz, Human Research Weiz und dem Lei­ter­plat­ten­her­stel­ler AT&S. Unter­stützt wurde dieses Kon­sor­ti­um durch die For­schungs­för­de­rungs­ge­sell­schaft FFG. „Die Idee war, einen Sensor zu ent­wi­ckeln, der die Atem­tä­tig­keit misst“, erzählt Grießer. Mittels eines Pflasters, das auf den Brustkorb des Probanden geklebt wird, ähnlich wie die Elek­tro­den bei der Messung der Herz­tä­tig­keit, kann die Atem­fre­quenz erfasst werden. Möglich ist das, weil die Leit­fä­hig­keit unserer Tinten abnimmt, sobald die Folie gedehnt wird. Dadurch kann man fest­stel­len, wie tief und wie oft geatmet wird.“

Was zuerst nach einer Anwen­dungs­mög­lich­keit auf Inten­siv­sta­tio­nen klingt, geht im Potenzial weit darüber hinaus. So könnte mit dem Sen­sor­pflas­ter auch die Atem­tä­tig­keit von Babys überwacht und so Fälle des plötz­li­chen Kinds­to­des durch Atem­ver­sa­gen ver­hin­dert werden. „Das Pflaster hat eine Funk­lö­sung zur Daten­über­tra­gung, es wäre deshalb ganz leicht auch bei Kleinst­kin­dern ein­setz­bar.“

Auch in der Pro­the­sen­tech­nik wären die leitenden Folien von der Mon­tan­uni­ver­si­tät ein Fort­schritt. Nicht so sehr als Sen­sor­sys­tem, sondern als elek­tri­sche Ver­bin­dung. „Kabel sind nicht dehnbar und werden sie oft geknickt, so nehmen sie auf Dauer Schaden, der bis zur Funk­ti­ons­un­fä­hig­keit führen kann.“ Deshalb seien die leitenden Folien in der Pro­the­sen­tech­nik überall dort eine Ver­bes­se­rung, wo es ver­form­ba­re elek­tri­sche Ver­bin­dun­gen geben müsse.

Denkbar ist natürlich auch die Ver­wen­dung im Sport, wo die Sen­sor­tech­nik in eng sitzende Funk­ti­ons­klei­dung inte­griert werden könnte. „Die Sensoren sind relativ preis­güns­tig und daher auch für den Brei­ten­sport geeignet“, ver­si­chert Grießer. Das ver­wen­de­te Silber sei zwar teuer, „aber wir brauchen nur sehr wenig davon“. Auch die Her­stel­lung der leitenden Folien ver­ur­sa­che keine besonders hohen Kosten, durch das Sieb­druck­ver­fah­ren sei der Pro­duk­ti­ons­pro­zess relativ einfach. Es gebe bereits Deh­nungs­mes­ser am Markt, räumt der Leobener Wis­sen­schaf­ter ein, aber die seien relativ teuer. Ver­wen­dungs­zwe­cke sind auch außerhalb des Health- und Sport­sek­tors vorhanden. Grießers Team beteiligt sich gemeinsam mit dem Leobener Lehrstuhl für Berg­bau­kun­de an einem Projekt, das soge­nann­te Gebirgs­an­ker mit Deh­nungs­sen­so­ren aus­stat­tet. Gebirgs­an­ker sind Systeme, mit denen im Berg- und Tunnelbau das Gestein sta­bi­li­siert wird. Dehnen sich die Anker durch Belastung, kann so die Bewegung des Gebirges – wie das umgebende Gestein in der Fach­spra­che genannt wird – überwacht werden. Die Sensoren mit der leit­fä­hi­gen Tinte können dafür ganz einfach an die Gebirgs­an­ker auf­ge­klebt werden.

Derzeit sucht man an der Montanuni noch nach Partnern aus der Wirt­schaft, die das Prinzip praktisch umsetzen. „Wir haben unsere Tech­no­lo­gie erst vor einem halben Jahr publi­ziert“, sagt Grießer, deshalb sei man erst in Vor­ge­sprä­chen. Lose Anfragen aus dem medi­zi­ni­schen Bereich gebe es bereits. Die kommen aus der Geriatrie.

An der Mon­tan­uni­ver­si­tät haben drei Forscher an der Ent­wick­lung der Tinte gear­bei­tet, sagt Grießer. Insgesamt seien rund zehn Experten an der Ent­wick­lung beteiligt gewesen. Begonnen habe man schon im Jahr 2026, im Vorjahr wurden die Ergeb­nis­se der For­schungs­ar­beit ver­öf­fent­licht.

Unter­neh­men sein für die Wei­ter­ent­wick­lung der Technik unbedingt notwendig, ver­si­chert der Wis­sen­schaf­ter. „Wir können als Uni­ver­si­tät da nur bis zu einem gewissen Stand kommen. Jetzt stehen wir an der Grenze vom Labor­maß­stab zur indus­tri­el­len Anwendung, das muss ent­spre­chend skaliert werden. Natürlich dauert das eine gewisse Zeit – wir werden sicher nicht morgen drauf­los­pro­du­zie­ren können.“

Partner seien auch deshalb notwendig, weil man die genauen Anfor­de­run­gen an die Sen­sor­fo­li­en defi­nie­ren müsse. Und schließ­lich gelte es Fragen der Halt­bar­keit zu klären. „Wir müssen wissen, wie sich die Umwelt­be­din­gun­gen auf unsere Technik auswirken.“ Obwohl noch einige Dinge zu klären sind, gehen wir davon aus, dass die Ent­wick­lung ein großes Potenzial hat“, ist Grießer überzeugt.

Mehr Infor­ma­tio­nen:
www.unileoben.ac.at

Foto: THOMAS GRIESSER ist am Lehrstuhl für Chemie der Kunst­stof­fe der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben tätig

Foto­credit: Montanuni Leoben

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