Bil­dungs­mo­tor zur Gewinnung von Fach­kräf­ten

Es braucht bestens qualifizierte Fach- und Arbeitskräfte, so viel steht fest. Dafür sind innovative Bildungsinitiativen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels gefragt.
Der Präsident der Wirtschaftskammer Steiermark im Gespräch über den Fachkräftemangel und Initiativen um dem Problem entgegenzuwirken.
Der Präsident der Wirtschaftskammer Steiermark im Gespräch über den Fachkräftemangel und Initiativen um dem Problem entgegenzuwirken. Fotocredit: GEOPHO/WKO Steiermark.

Während Digi­ta­li­sie­rung und Industrie 4.0 unsere Arbeits­welt grund­le­gend verändern, stehen wir alle vor Her­aus­for­de­run­gen, für die es neue Qua­li­fi­ka­tio­nen brauchen wird, die wiederum eine zeit­ge­mä­ße und moderne Infra­struk­tur benötigen. JUST hat Ing. Josef Herk, Präsident der Wirt­schafts­kam­mer Stei­er­mark, zum Gespräch über den Fach­kräf­te­man­gel und Lösungs­we­ge gebeten.

Eine aktuell von der WKO Stei­er­mark beauf­trag­te Umfrage unter den stei­ri­schen Arbeit­ge­ber­be­trie­ben zeigt: Der Fach­kräf­te­man­gel ist ein bren­nen­des Thema. Wie inter­pre­tie­ren Sie die vor­lie­gen­den Ergeb­nis­se?

Herk: Die vor­lie­gen­den Ergeb­nis­se bestä­ti­gen, dass sich die Situation zuge­spitzt hat. Drei von vier stei­ri­schen Unter­neh­men sind aktuell vom Fach­kräf­te­man­gel betroffen. 86 Prozent der befragten Unter­neh­men geben sogar an, dass sich der Fach­kräf­te- bzw. Mit­ar­bei­ter­man­gel in den letzten 12 Monaten verstärkt hat. Wir werten dies als Alarm­si­gnal! Denn das wirkt sich letztlich auf die unter­neh­me­ri­sche Arbeit aus, was auch 94 Prozent der Betrof­fe­nen bestä­tig­ten. Die Folgen sind Mehr­ar­beit für den Unter­neh­mer selbst oder für die Mit­ar­bei­ter. Oft können aber bereits Aufträge gar nicht ange­nom­men oder zeit­ge­recht abge­ar­bei­tet werden. Diese alar­mie­ren­den Aussagen bestä­ti­gen uns in unserer inter­es­sen­po­li­ti­schen Arbeit, wo die Bekämp­fung des Fach­kräf­te­man­gels oberste Priorität hat. Wir haben bereits in den letzten Jahren inno­va­ti­ve Bil­dungs­in­itia­ti­ven gesetzt und in diese Richtung wird es wei­ter­ge­hen. Dazu kommen die Forderung nach Senkung der Lohn­ne­ben­kos­ten, die Attrak­ti­vie­rung und For­cie­rung der betrieb­li­chen Lehr­lings­aus­bil­dung sowie der Wunsch nach Reformen sowohl im Schul- wie auch im Sozi­al­sys­tem, die laut Umfrage die wich­tigs­ten Themen für die stei­ri­schen Unter­neh­men und damit auch für uns als WKO dar­stel­len.

Die WKO Stei­er­mark setzt auf zahl­rei­che Initia­ti­ven, um dem Fach­kräf­te­man­gel ent­ge­gen­zu­wir­ken. Eine davon ist das Center of Excel­lence, das nicht nur den Großteil der bestehen­den WIFI-Werk­stät­ten­ge­bäu­de ablöst, sondern auch eine neue Bil­dungs­ära starten soll. Warum braucht es dieses Center?

Herk: Wer morgen unseren Wohlstand sichern will, der inves­tiert heute in Bildung und Qua­li­fi­zie­rung. Gerade ein Land wie die Stei­er­mark, das vom Know-how und dem Fleiß seiner Menschen lebt, ist hier gefordert. Es ist eine Inves­ti­ti­on der stei­ri­schen Wirt­schaft in die Zukunft der stei­ri­schen Wirt­schaft. Darum haben wir inmitten eines his­to­ri­schen Wandels auch eine his­to­ri­sche Inves­ti­ti­on beschlos­sen. Mit dem Center of Excel­lence wollen wir unseren Unter­neh­mern und ihren Mit­ar­bei­tern die best­mög­li­che Qua­li­fi­zie­rung bieten. Konkret werden im Center of Excel­lence folgende Tech­no­lo­gie­be­rei­che ange­sie­delt sein: Mobi­li­täts­tech­nik inkl. alter­na­ti­ve Antriebs­tech­no­lo­gien, Werk­stoff­tech­nik, Elek­tro­tech­nik – Elek­tro­nik – Auto­ma­ti­sie­rungs­tech­nik, Ener­gie­tech­nik, Holzbe- und ‑ver­ar­bei­tungs­tech­nik, mul­ti­funk­tio­na­le und tech­no­lo­gie­über­grei­fen­de Werk­stät­ten und EDV-Räume. Im Rahmen dessen sollen ab 2019 rund 11.400 Qua­drat­me­ter Brut­to­ge­schoß­flä­chen neu errichtet werden. Darüber hinaus werden bestehen­de Flächen für ein Parkhaus adaptiert. Inklusive der dafür not­wen­di­gen Infra­struk­tur­maß­nah­men sind mehr als 33 Millionen Euro für dieses his­to­ri­sche Projekt ver­an­schlagt.

Sie setzen aber nicht erst bei der Aus- und Wei­ter­bil­dung an, sondern schon einen Schritt früher. Mit dem Talent­cen­ter ermög­licht die WKO Stei­er­mark Schülern, ihre Talente aus­zu­tes­ten. Das Angebot wird sehr gut ange­nom­men, wohin ent­wi­ckelt sich das Center?

Herk: Aufgrund der enorm hohen Nachfrage stockt die WKO Stei­er­mark die Zahl der Test­plät­ze weiter auf. Konkret werden die Kapa­zi­tä­ten von derzeit 36 auf 48 Plätze erhöht. Damit können wir das Test­an­ge­bot auf knapp 9.000 Schü­le­rin­nen und Schüler pro Jahr erweitern, das ent­spricht einem fast flä­chen­de­cken­den Angebot in der Stei­er­mark. Unser Ziel ist es, der Jugend, den Eltern und den Unter­neh­men eine qua­li­fi­zier­te Ori­en­tie­rung und Ent­schei­dungs­grund­la­ge für den Berufs­wahl­pro­zess zu bieten. Die WKO zeigt mit dieser Inves­ti­ti­on in die Zukunft des Standorts Stei­er­mark einmal mehr, dass sie sich ihrer Ver­ant­wor­tung bewusst ist. Denn Bildung und Qua­li­fi­zie­rung sind ein wesent­li­cher Schlüssel für den Wohlstand von morgen.

Die WKO Stei­er­mark setzt also insgesamt stark auf den Fach­kräf­te­nach­wuchs. Sicht­ba­res Zeichen ist da auch die Aus­rich­tung der Euro­S­kills 2020. Was bringt diese Groß­ver­an­stal­tung für den Wir­schafts­stand­ort?

Herk: Ein Standort ist nur so stark wie der Nachwuchs, den er her­vor­bringt. Mit der Aus­rich­tung der Euro­S­kills 2020 als Euro­pa­meis­ter­schaft der Berufe in der Stei­er­mark steigern wir das Bewusst­sein für die Bedeutung eines qua­li­fi­zier­ten Fach­kräf­te­nach­wuch­ses. Die Bewerbe sind eine starke und selbst­be­wuss­te Stimme für die Vielfalt der beruf­li­chen Mög­lich­kei­ten und stärken damit die Diver­si­tät am Aus­bil­dungs­markt. Das wirkt sich positiv auf die Bildungs- und Aus­bil­dungs­dy­na­mik aus. Das hebt auch das Image der Berufe und stärkt lang­fris­tig den Wirt­schafts- und Bil­dungs­stand­ort. Die Euro­S­kills 2020 bilden eine Benchmark für Aus­bil­dungs­in­hal­te. Was bei den Bewerben gezeigt wird, ist State of the Art. Aufgaben und Inhalte der Bewerbe ent­spre­chen den Erfor­der­nis­sen am Arbeits­markt und spiegeln die Bedürf­nis­se der Wirt­schaft wider.

Sowohl Arbeit­ge­ber als auch Arbeit­neh­mer spielen eine wesent­li­che Rolle im System Wirt­schaft. Die Wirt­schafts­kam­mern orga­ni­sie­ren den Tag der Arbeit(geber) immer am 30.4. und somit einen Tag vor dem Tag der Arbeit am 1. Mai. Was soll damit bezweckt werden?

Herk: Der Tag der Arbeit(geber) ist für die Wirt­schaft tra­di­tio­nell auch ein Bilanztag. Ein Blick auf die Statistik unter­streicht die Bedeutung der Arbeit­ge­ber: Aktuell zählen wir in der Stei­er­mark 72.684 Unter­neh­men, davon entfallen 27.483 auf die Kategorie Arbeit­ge­ber­be­trie­be. Insgesamt beschäf­tigt die gewerb­li­che Wirt­schaft damit 374.287 Menschen in unserem Bun­des­land. Natürlich ist auch der Wirt­schaft jeder Arbeits­lo­se ein Arbeits­lo­ser zu viel, aber ange­sichts der mehr als for­dern­den Rah­men­be­din­gun­gen ist eine solche Beschäf­tig­ten­zahl wahrlich eine tolle Leistung. Sie ist verbunden mit der Aus­zah­lung von mehr als 12 Mil­li­ar­den Euro an Löhnen und Gehältern pro Jahr. Weitere 3,6 Mil­li­ar­den Euro fließen aus den stei­ri­schen Unter­neh­mer­kas­sen direkt in diverse Sozi­al­töp­fe (Pensions‑, Unfall‑, Kranken‑, Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung etc.) – inklusive schlei­chen­der Steu­er­erhö­hung. Hier müssen wir dringend eine Trend­um­kehr einleiten, wollen wir die Beschäf­ti­gung hier­zu­lan­de weiter steigern.

 

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