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Robo­ter­schu­lung ist ein Lang­zeit­job

Lernen durch Vor­zei­gen – was beim Men­schen sozu­sa­gen ein­ge­baut ist, stellt für Roboter und Maschi­nen eine echte Her­aus­for­de­rung dar. Am neuen Lehr­stuhl für Cyber-Phy­si­cal-Systems an der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben forscht ein Team an genau dieser Pro­ble­ma­tik.

Als Amazon vor einigen Wochen einen „Haus­halts­ro­bo­ter“ vor­ge­stellt hat, ent­lock­te das Robo­tik­ex­per­ten auf der ganzen Welt bes­ten­falls ein müdes Lächeln. Handelt es sich dabei doch nur um eine Kamera und Alexa auf Rädern, die nicht einmal staub­saugen kann. Einer der Robotik-Wis­sen­schaf­ter, die sich ernst­haft um die Grund­la­gen bemühen, die eines Tages die Kon­struk­ti­on einer echten mecha­ni­schen Haus­halts­hil­fe ermög­li­chen werden, ist Elmar Rückert. Er hat seit dem Sommer den neuen Lehr­stuhl für Cyber-Phy­si­cal-Systems an der Mon­tan­uni Leoben inne.

„Robo­tern kom­ple­xe und fein­mo­to­ri­sche Mani­pu­la­ti­ons­tä­tig­kei­ten bei­zu­brin­gen ist eine Lang­zeit­auf­ga­be für uns Wis­sen­schaf­ter“, stellt Rückert fest. An den Robo­ter­ar­men selbst schei­tert es nicht, die sind eini­ger­ma­ßen aus­ge­reift. In der Größe gibt es sie längst in den Abmes­sun­gen eines mensch­li­chen Armes, auch wenn die Funk­ti­on der mensch­li­chen Finger mit ihren vielen kleinen Gelen­ken relativ schwie­rig nach­zu­bil­den ist. Die Her­aus­for­de­rung ist das Lernen von Bewegungsabläufen.„Menschen können diese Bewe­gun­gen in Sekun­den erler­nen. Das können wir noch nicht nach­bil­den“, schil­dert Rückert. „Es schei­tert an der Fähig­keit, Schluss­fol­ge­run­gen zu ziehen.“ Dazu komme, dass „Men­schen mit Unsi­cher­hei­ten umgehen können, Maschi­nen nicht. Letzt­lich geht es in unserer Arbeit darum, einem Roboter zu ermög­li­chen, eine Lösung für ein Problem zu finden. Das muss nicht die per­fek­te sein, nur eine, die funk­tio­niert.“

Im Gegen­satz zur Steue­rung von Indus­trie­ro­bo­tern, die immer wieder nur eine immer gleiche Abfolge von Bewe­gun­gen aus­füh­ren müssen und das mög­lichst exakt, geht es in Rück­erts Arbeit um die Ent­wick­lung einer künst­li­chen Intel­li­genz, mit deren Hilfe ein Roboter lernen kann. Zum Bei­spiel dadurch, dass er, von Men­schen­hand geführt, sich die Bewe­gungs­ab­läu­fe merkt und sie fortan selbst­stän­dig aus­füh­ren kann. Bei einem Robo­ter­arm für Ultra­schall­un­ter­su­chun­gen funk­tio­niert das schon ganz gut. An der Uni­ver­si­tät in Lübeck hat Rückert mit Kol­le­gen eine Steue­rung geschaf­fen, die lernt. Ein Robo­ter­arm mit Ultra­schall­son­de wird manuell durch Bewe­gungs­ab­läu­fe geführt. Nach ein paar Mal beherrscht er diese und kann eigen­stän­di­ge Unter­su­chun­gen durch­füh­ren.

Von einem Haus­halts­ro­bo­ter, der auch Urteils­ver­mö­gen besit­zen muss, kann aber noch keine Rede sein. „Davon sind wir weit ent­fernt. Derzeit ver­fü­gen wir über kein System, das so einen Roboter ermög­li­chen würde.“ Rückert bricht für seine Roboter aller­dings eine Lanze: „Auch Men­schen brau­chen Zeit, bis sie fein­mo­to­ri­sche Fer­tig­kei­ten ent­wi­ckeln. Sie werden in der Kind­heit erlernt, es dauert lange, viele Jahre, bis ein Kind so weit ist.“

Eine weitere Schwie­rig­keit ist es, solche ler­nen­den Roboter all­tags­taug­lich zu machen. „Was im Labor­maß­stab funk­tio­niert, muss im täg­li­chen Leben noch lange nicht klappen“, räumt der Wis­sen­schaf­ter ein. Und schließ­lich hat die Hard­ware ihre Tücken, die Motoren sorgen für Wär­me­ent­wick­lung, bei sta­tio­nä­ren Robo­ter­ar­men kann das System zu schwin­gen begin­nen, was zusätz­li­che Her­aus­for­de­run­gen mit sich bringt. Bleiben die Kosten: Allein ein Robo­ter­arm kommt derzeit auf rund 30.000 €. „Dabei handelt es sich um ein Labor­mo­dell, für den Einsatz im Haus­halt wäre die Kon­struk­ti­on viel zu fili­gran.“ Auf eine erschwing­li­che mecha­ni­sche Haus­halts­hil­fe, die wäscht, bügelt, kocht und viel­leicht sogar mit dem Hund spa­zie­ren geht, werden wir also noch warten müssen.

Rückert und sein fünf­köp­fi­ges Team, zu dem noch stu­den­ti­sche Mit­ar­bei­ter kommen, beschäf­tigt sich nicht nur mit Robo­ter­ar­men, sondern auch mit der Technik, die für auto­no­me Fahr­zeu­ge not­wen­dig ist. „Hier dreht sich viel um die Ent­schei­dungs­fin­dung in kri­ti­schen Situa­tio­nen“, weiß der Wis­sen­schaf­ter. In seiner Arbeit geht es vor allem um Sen­so­ren und die Unsi­cher­heit ihrer Mess­ergeb­nis­se. „Die werden zum Bei­spiel durch das Wetter beein­flusst. Bei Nie­sel­re­gen wird die rein opti­sche Erfas­sung der Umge­bung unzu­ver­läs­si­ger, man muss auf andere Sen­so­ren zurück­grei­fen.

Die Ent­wick­lung dieser Systeme sei „echte Grund­la­gen­for­schung“, ver­si­chert Rückert. Um maschi­nel­les Lernen zu ver­bes­sern, müsse man ver­ste­hen, wie sich der Mensch neue Fer­tig­kei­ten aneig­net. „Wir arbei­ten da sehr breit gestreut, agieren inter­dis­zi­pli­när. Das macht diese For­schung auch so inter­es­sant.“ Bei den Arbei­ten für auto­no­me Fahr­zeu­ge arbei­tet Rückert zum Bei­spiel mit dem deut­schen Start-up Lupa Elec­tro­nics zusam­men. Gemein­sam sollen Sen­so­ren und Warn­sys­te­me ent­wi­ckelt werden.

Seinen Lehr­stuhl sieht der gebür­ti­ge Steirer als stark wach­sen­den Bereich inner­halb der Mon­tan­uni Leoben. „Wir betrei­ben zwar Grund­la­gen­for­schung, aber eine sehr anwen­dungs­ori­en­tier­te. Firmen jeder Größe sind darauf ange­wie­sen, Daten zu ver­ste­hen. Dafür braucht es Profis wie uns.“

Foto: Elmar Rückert will Robo­tern bei­brin­gen, wie man lernt.

Foto­credit: Mon­tan­uni

Kontakt:
www.unileoben.ac.at | www.cps.unileoben.ac.at

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