Mikro­net­ze redu­zie­ren Ener­gie­ver­brauch

Michael Stadler befasst sich seit 20 Jahren mit Zellularen Energiesystemen. Seit 2017 unterstützt er BEST und leitet den Aufbau des Microgrid-Forschungslabors.
Energieverbrauch reduzieren. Credit: AdobeStock (VectorMine).

Mikro­net­ze (Micro­grids) sind kleine, lokale Ener­gie­net­ze für Strom, Wärme und Kälte, die Haushalte und Betriebe mit Energie versorgen. Sie können ihren Ener­gie­be­darf selbst­stän­dig aus erneu­er­ba­ren Energien decken. Sie werden indi­vi­du­ell gesteuert und können sich vom Ener­gie­ver­sor­ger ent­kop­peln und so auch bei einem Strom­aus­fall funk­tio­nie­ren. Mikro­net­ze können den Ener­gie­ver­brauch redu­zie­ren und die Strom­kos­ten für den Betreiber. Am Kom­pe­tenz­zen­trum BEST–Bioenergy and Sus­tainable Tech­no­lo­gies GmbH beschäf­tigt man sich mit dem Konzept und ent­wi­ckelt inno­va­ti­ve Methoden zur Planung und Steuerung.

Michael Stadler befasst sich seit 20 Jahren mit den soge­nann­ten Zel­lu­la­ren Ener­gie­sys­te­men. Seit 2017 unter­stützt er das Team von BEST und leitete den Aufbau des ersten öster­rei­chi­schen Microgrid-For­schungs­la­bors. Parallel dazu ist er Mit­be­grün­der und tech­ni­scher Leiter des kali­for­ni­schen Unter­neh­mens Xendee, das Mikro­net­ze kom­mer­zi­ell designt.

Ener­gie­ver­brauch redu­zie­ren

„Wir hinken in Öster­reich in diesem Bereich etwas hinterher“, kon­sta­tiert Stadler. „Die Ener­gie­kri­se macht die Thematik aller­dings wichtiger, die Eigen­erzeu­gung von Energie ist durch sie attrak­ti­ver geworden.“ Mikro­net­ze würden nicht nur die Strom­kos­ten senken, sondern auch einen Beitrag zur Ent­las­tung des Strom­net­zes leisten. „Je höher die Preise für Elek­tri­zi­tät, desto größer wird die Moti­va­ti­on, Micro­grids umzu­set­zen.“

Die Mikro­net­ze würden eine ganze Reihe von Vorteilen bieten: „Für sie sind weniger teure Netz­aus­bau­ten notwendig, weil die Energie vor Ort erzeugt wird und nicht über weite Strecken trans­por­tiert werden muss. Außerdem kurbelt die Instal­la­ti­on die regionale Wert­schöp­fung an. Und schließ­lich sind die Micro­grids kri­sen­re­sis­tent.“

Tech­no­lo­gie Vor­aus­set­zun­gen

Diese sind laut Stadler längst gegeben. „Pho­to­vol­ta­ik ist ja keine exotische Tech­no­lo­gie mehr.“ Mikro­net­ze würden aller­dings mit der Spei­cher­tech­no­lo­gie stehen und fallen, erklärt der Wis­sen­schaft­ler. „Ohne Speicher ist Pho­to­vol­ta­ik nur schwer zu managen. Derzeit sind wir sehr auf Lithium-Ionen-Akkus fokus­siert, aber denkbar sind auch andere Methoden.“ In Nie­der­ös­ter­reich wurden Micro­grids bereits ver­wirk­licht.

Unter den Vor­rei­tern befinden sich die Gemeinden Wie­sel­burg-Stadt und Wie­sel­burg-Land. Am Technopol-Standort Wie­sel­burg betreibt BEST eine Ener­gie­ge­mein­schaft, die das neue Feu­er­wehr­haus der Gemeinden mit dem Büro­ge­bäu­de des Tech­no­pols verbindet. Dieses reale Microgrid wird auch für For­schungs­zwe­cke verwendet und erlaubt Tech­no­lo­gie­an­bie­tern, deren Mikro­netz­tech­no­lo­gie zu testen. „Das ist ein­zig­ar­tig in Europa“, freut sich Stadler.

Privater Bereich

Mikro­net­ze sind auch in privaten Gebäuden erfolg­reich ein­setz­bar. Ein exis­tie­ren­des privates Microgrid für einen 3‑Per­so­nen-Haushalt gibt es ebenfalls in NÖ. Es besteht aus einer 4,5‑Kilowatt-Photovoltaikanlage, einem 20-Kilo­watt­stun­den-Bat­te­rie­spei­cher sowie einer Lade­sta­ti­on für das private E‑Auto. 2011 wurde die Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge instal­liert, 2017 folgte die E‑Auto-Lade­sta­ti­on. 2022 wurde das Mikronetz mit dem Bat­te­rie­spei­cher ver­voll­stän­digt.

Ein Daten­ver­gleich zwischen 2021 und 2022 zeigt deutlich die Vorteile des Mikro­net­zes. Der Ener­gie­zu­kauf vom Ener­gie­ver­sor­ger für den Win­ter­mo­nat Februar hat sich um 73 Prozent auf nur 52 Kilo­watt­stun­den reduziert. Für den Som­mer­mo­nat Juni hat sich der Ener­gie­zu­kauf sogar um 92 Prozent auf nur 18 Kilo­watt­stun­den ver­rin­gert. „Die monat­li­chen Strom­kos­ten im Jahr 2022 sind weit unter dem Niveau von 2021 und das trotz der im selben Zeitraum ver­drei­fach­ten Strom­kos­ten“, schildert Stadler.

Auch Strom­kos­ten gehen herunter

Am Technopol-Standort Wie­sel­burg sei immerhin das Projekt “Ener­gie­ver­brauch redu­zie­ren” sowie die damein ein­her­ge­hen­de Reduktion der Strom­kos­ten von rund 30 Prozent gelungen. „Die Ver­rin­ge­rung ist geringer, da die volle wirt­schaft­li­che Pho­to­vol­ta­ik- und Bat­te­rie­ka­pa­zi­tät noch nicht aus­ge­schöpft ist“, erklärt der Mikro­netz­ex­per­te.

Das Mikronetz-Know-how aus Nie­der­ös­ter­reich wird auch in anderen Bun­des­län­dern ein­ge­setzt: Kommunale Ener­gie­ge­mein­schafts­pro­jek­te laufen in der Stei­er­mark und in Kärnten. Weitere Mikro­netz­pro­jek­te werden in Wien und Salzburg ent­wi­ckelt. Teile des Wissens aus Wie­sel­burg werden mitt­ler­wei­le in die USA expor­tiert.

Rea­li­sie­rung in Öster­reich

„Erneu­er­ba­re Energie ist nicht zwangs­läu­fig auch dezentral“, weiß der Wis­sen­schaft­ler. „Für ihren ver­stärk­ten Einsatz müssen die Strom­net­ze ausgebaut werden. Um dieses Geld könnten sich viele Gemeinden einen Strom­spei­cher finan­zie­ren.“ Micro­grids seien quasi eine lokale Ener­gie­farm, die auch die lokale Wert­schöp­fung erhöht. Neben Windkraft und Solar­ener­gie kann auch Biomasse her­an­ge­zo­gen werden.

Aus ver­schie­de­nen Gründen ist Stadler allerding skeptisch, was eine Rea­li­sie­rung in Öster­reich angeht: „Wir haben hier­zu­lan­de starke Inter­es­sen der Ener­gie­ver­sor­ger, die nicht klar dafür sind, den Ener­gie­ver­brauch zu redu­zie­ren. Viele zögern noch, ihr Geschäfts­mo­dell von der reinen Ener­gie­er­zeu­gung und ‑ver­tei­lung auf Service und Dienst­leis­tun­gen zu erweitern.“

Ener­gie­ver­brauch redu­zie­ren: Koope­ra­ti­on der Stei­er­mark, Nie­der­ös­ter­reich und Wien

BEST – Bioenergy and Sus­tainable Tech­no­lo­gies GmbH wird im Rahmen des Programms COMET – Com­pe­tence Centers for Excellent Tech­no­lo­gies aus Mitteln des Kli­ma­schutz­mi­nis­te­ri­ums (BMK), des Wirt­schaftsmi­nis­te­ri­ums (BMDW) und der Länder Stei­er­mark, Nie­der­ös­ter­reich und Wien gefördert und von der natio­na­len För­der­agen­tur FFG betreut.
www.ffg.at/comet

Mehr Infor­ma­tio­nen:
www.best-research.eu
https://www.best-research.eu/content/de/kompetenzbereiche/microgrids/allgemeine_informationen

Credit: Ado­be­Stock (Vec­tor­Mi­ne)

Weitere Beiträge