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Metall-Indus­trie: Mehr Sicher­heit durch große Digital-Offen­si­ve

Ein neuer stei­ri­scher For­schungs­ver­bund setzt kräf­ti­ge Impulse für die digi­ta­le Ent­wick­lung in der metall­ver­ar­bei­ten­den Indus­trie. Im „Digital Mate­ri­al Valley Styria” will man unter anderem nicht nur Arbeits­plät­ze mit ganz neuen Metho­den siche­rer machen, sondern auch Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter mit moderns­ten Mitteln in ihrer Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz stärken.

Barbara Eib­in­ger-Miedl, Lan­des­rä­tin für Wirt­schaft und Wis­sen­schaft, sprach bei der Prä­sen­ta­ti­on der Initia­ti­ve in Kap­fen­berg über einen „wei­te­ren Leucht­turm für die Stei­er­mark als For­schungs­land Nummer eins in Öster­reich“. Gemein­sam mit Franz Rotter, Prä­si­dent der Aus­tri­an Society for Metall­ur­gy and Mate­ri­als (ASMET), initi­ier­te das Wirt­schafts- und Wis­sen­schafts­res­sort des Landes Stei­er­mark das neue Netz­werk „Digital Mate­ri­al Valley Styria“. Die Erwar­tun­gen sind hoch, wird das Netz­werk immer­hin von sechs höchst kom­pe­ten­ten Part­nern (siehe Facts) getra­gen.

Für die Lan­des­rä­tin hat der neue For­schungs­ver­bund gleich dop­pel­te Bedeu­tung, „weil seine inhalt­li­chen Schwer­punk­te – Digi­ta­li­sie­rung und künst­li­che Intel­li­genz – zen­tra­le Zukunfts­the­men abbil­den aber auch, weil die metall­ver­ar­bei­ten­de Indus­trie für die Stei­er­mark einen her­aus­ra­gen­den Stel­len­wert hat.“ Dieser nach dem Fahr­zeug­bau zweit­größ­te Indus­trie­sek­tor im Land zählt rund 230 Unter­neh­men mit ins­ge­samt 25.000 Beschäf­tig­ten, davon etwa 900 Lehr­lin­ge.

Franz Rotter lässt Auf­bruchs­stim­mung spüren und ist über­zeugt: „Der neue For­schungs­ver­bund schafft die Mög­lich­keit, anwen­dungs­spe­zi­fisch und pra­xis­ori­en­tiert digi­ta­le Pro­jek­te auf Unter­neh­mens­ebe­ne, ins­be­son­de­re für KMUs, effi­zi­ent umzu­set­zen. Für eine erfolg­rei­che digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on braucht es ein funk­tio­nie­ren­des Eco-System, das effi­zi­en­ten Zugang zu allen not­wen­di­gen digi­ta­len Tech­no­lo­gien & Künst­li­cher Intel­li­genz ermög­licht“

Neue digi­ta­le Mög­lich­kei­ten

Eines von ins­ge­samt drei höchst inno­va­ti­ven Start­pro­jek­ten (siehe Facts) bindet die Partner voest­al­pi­ne und RHI Magne­si­ta ein und setzt in zwei For­schungs­mo­du­len auf ganz neue digi­ta­le Mög­lich­kei­ten. Dabei soll die Arbeits­si­cher­heit in der metall­ver­ar­bei­ten­den Indus­trie noch weiter erhöht werden und in der Aus­ein­an­der­set­zung mit digi­ta­len Assis­tenz­sys­te­men, Ver­bes­se­run­gen an den Mensch-Maschi­ne-Schnitt­stel­len geschaf­fen werden. In Sachen Arbeits­platz­si­cher­heit geht man höchst unge­wöhn­li­che For­schungs­we­ge: Neueste Metho­den in den Berei­chen Sta­tis­tik, Machine Lear­ning und Künst­li­che Intel­li­genz ana­ly­sie­ren Unfall­da­ten sowie Infor­ma­tio­nen aus Situa­tio­nen von zwei voest­al­pi­ne-Stand­or­ten auf Auf­fäl­lig­kei­ten und Muster. Die Erkennt­nis­se daraus werden mit com­pu­ter­ge­stütz­ter Simu­la­ti­on aus­ge­wer­tet und betrach­tet. Mög­li­che Unfall­sze­na­ri­en können daraus abge­lei­tet werden. Beson­de­res Augen­merk schenkt man den Beinahe-Unfäl­len und oft vor­aus­ge­hen­den unsi­che­ren Hand­lun­gen. Von Letz­te­ren ist bekannt, dass 3000 zu 30 tat­säch­li­chen Unfäl­len führen – einer davon ist im Regel­fall schwer. In der voest­al­pi­ne setzt man bereits jetzt in diesem Zusam­men­hang auf die Digi­ta­li­sie­rung: Eine App ermög­licht das direkte Melden von gefähr­li­chen Situa­tio­nen samt Handy-Foto. Unmit­tel­bar darauf werden ent­spre­chen­de Maß­nah­men gesetzt.

„Mit­hil­fe von Künst­li­cher Intel­li­genz und Digi­ta­li­sie­rung erwar­ten wir uns Warn- und Pro­gno­se­sys­te­me, die Unfälle ver­mei­den. Der Vorteil der voest­al­pi­ne ist, dass hier eine sehr große und gut auf­be­rei­te­te Daten­struk­tur besteht, die neue Aus­wer­te­me­tho­den unter Ein­be­zie­hung von KI zulässt. Die so gewon­ne­nen Erkennt­nis­se können dann auch auf andere pro­du­zie­ren­de Indus­trie­un­ter­neh­men über­tra­gen und Arbeits­plät­ze noch attrak­ti­ver und vor allem siche­rer gemacht werden. Sowohl in der voest­al­pi­ne aber auch in den anderen metall­ver­ar­bei­ten­den Betrie­ben haben wir bereits ein hohes Niveau an Arbeits­si­cher­heit, das wir durch zusätz­li­che neue Tech­no­lo­gien noch weiter ver­bes­sern können“, so Franz Rotter, Prä­si­dent der ASMET und Mit­glied des Vor­stands der voest­al­pi­ne AG.

Nicht nur mensch­lich, sondern auch wirt­schaft­lich betrach­tet, müssen sichere Arbeits­plät­ze und die Ver­mei­dung von Unfäl­len höchste Prio­ri­tät in pro­du­zie­ren­den Unter­neh­men ein­neh­men. So ergaben Berech­nun­gen der All­ge­mei­nen Unfall­ver­si­che­rungs­an­stalt, dass jeder ein­zel­ne Arbeits­un­fall dem Betrieb, in dem er sich ereig­net, durch­schnitt­lich 2.300 Euro kostet. Das ergibt hoch­ge­rech­net einen Betrag von etwa 255 Mil­lio­nen Euro, den die öster­rei­chi­schen Betrie­be zu tragen haben. Volks­wirt­schaft­lich betrach­tet fallen pro Arbeits­un­fall im Durch­schnitt etwa 12.500 Euro an Kosten an. Nach Berech­nun­gen von Exper­ten ent­steht durch Arbeits­un­fäl­le unserer Volks­wirt­schaft ein jähr­li­cher Schaden in der Höhe von rund 1,4 Mil­li­ar­den Euro.

Analyse- und Ent­schei­dungs­hil­fe

Modul zwei setzt sich damit aus­ein­an­der, dass mit der Digi­ta­li­sie­rung ganz neue Kom­pe­tenz­an­for­de­run­gen an Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter ent­ste­hen und will für diese daher ganz neuer Analyse- und Ent­schei­dungs­hil­fe­tools ent­wi­ckeln. Bei denen wird, so weiß man schon jetzt, so genann­te Aug­men­ted Reality (com­pu­ter­ge­stütz­te Erwei­te­rung der Rea­li­täts­wahr­neh­mung) eine wich­ti­ge Rolle spielen. Ein Vor­ha­ben mit einem bri­san­ten Hin­ter­grund: Es geht die – auch durch ver­schie­dens­te Studien in den letzten Jahren gestütz­te – Sorge um, dass die vierte indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on („Indus­trie 4.0“) viel mensch­li­che Arbeits­kraft durch Roboter, Maschi­nen und Com­pu­ter erset­zen könnte. Im For­schungs­pro­jekt geht man nun davon aus, dass sich dieses Risiko mit Maß­nah­men zur Kom­pe­tenz­stei­ge­rung deut­lich redu­zie­ren lässt. Man startet mit einer öster­reich­wei­ten Erhe­bung zum Thema und setzt auf einen mul­ti­dis­zi­pli­nä­ren Zugang, der dem Vor­ha­ben Pre­mie­ren­cha­rak­ter gibt.

FACTS:

Sechs Partner, ein Verbund

Im „Digital Mate­ri­al Valley Styria” For­schungs­ver­bund vereint sind die ASMET (The Aus­tri­an Society for Metall­ur­gy and Mate­ri­als), der Mobi­li­täts­clus­ter ACS­ty­ria, die Fach­hoch­schu­le (FH) der Wirt­schaft Campus 02, die FH Joan­ne­um, die For­schungs­ge­sell­schaft Joan­ne­um Rese­arch und die Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät (TU) Graz. Darüber hinaus koope­riert man eng mit zahl­rei­chen Unter­neh­men der Metall­ur­gie und Werk­stoff­tech­nik.

Sichere und intel­li­gen­te Arbeits­plät­ze

Im inter­dis­zi­pli­nä­ren Projekt „Safe and Intel­li­gent Workspaces“ geht es um sichere und effi­zi­en­te indus­tri­el­le Arbeits­um­ge­bung. Mit der Nutzung empi­ri­scher Daten öster­rei­chi­scher Indus­trie­un­ter­neh­men will man errei­chen, Arbeits­un­fäl­le zu ver­mei­den und auch die Ent­schei­dungs­fin­dung am Arbeits­platz effi­zi­en­ter zu gestal­ten. Mit mathe­ma­ti­schen Metho­den und künst­li­cher Intel­li­genz werden im ersten Pro­jekt­mo­dul gefähr­li­che Situa­tio­nen und Berei­che unter die Lupe genom­men. Modul Nummer zwei ana­ly­siert die Mög­lich­kei­ten der Mensch-Maschine-Schnittstellen für digi­ta­le Assis­tenz­sys­te­me, um auf diese Weise die
Kom­pe­tenz in Sachen Ent­schei­dungs­fin­dung in Pro­duk­ti­ons­pro­zes­sen zu ver­bes­sern. Antrag­stel­ler: FH Joan­ne­um. Pro­jekt­part­ner: FH Campus 02 und Joan­ne­um Rese­arch.

Inno­va­ti­ve Mess­tech­no­lo­gien

Die Qua­li­täts­kon­trol­le beim Umfor­men von Pro­duk­ten (etwa beim Walzen, Schmie­den oder Ziehen) erfolgt derzeit aus­schließ­lich über End­kon­trol­len. Erst­mals soll es nun durch die Kom­bi­na­ti­on aus Künst­li­cher Intel­li­genz (KI) und so genann­ter geo­me­tri­scher Com­pu­ter Vision ermög­licht werden, den gesam­ten Prozess an einem „Digi­ta­len Zwil­ling” abzu­bil­den und zu beglei­ten. Das System – man nennt es 3D-Shape Con­ti­nu­um – soll auch unter schwie­ri­gen Umge­bungs­be­din­gun­gen ein­setz­bar und auf unter­schied­li­che Ober­flä­chen- und Objek­tei­gen­schaf­ten adap­tier­bar sein. Damit ent­ste­hen ganz neue Optio­nen zur Ver­mei­dung
von Pro­duk­ti­ons­feh­lern. Antrag­stel­ler: Joan­ne­um Rese­arch. Pro­jekt­part­ner: TU Graz, Insti­tut für Maschi­nel­les Sehen und Dar­stel­len.

Analyse mit künst­li­cher Intel­li­genz

Die mecha­ni­schen Eigen­schaf­ten von Metall­le­gie­run­gen werden in hohem Ausmaß durch ihre Mikro­struk­tur bestimmt. Und diese ist davon geprägt, dass ele­men­ta­re Bestand­tei­le des Mate­ri­als in unter­schied­li­cher Größe, Art und Form ver­tre­ten sein können. Ent­spre­chend wichtig und in mehr­fa­cher Hin­sicht aus­sa­ge­kräf­tig ist die metall­o­gra­fi­sche Analyse. Sie erfolgt derzeit weit­ge­hend manuell. Im Rahmen des For­schungs­pro­jek­tes „Mikro­Met-AI” möchte man die dafür not­wen­di­gen Pro­zes­se nun weit­ge­hend auto­ma­ti­sie­ren. Dies mit Hilfe von Bewer­tungs­me­tho­den, die auf künst­li­cher Intel­li­genz (KI) basie­ren. Antrag­stel­ler: Joan­ne­um Rese­arch. Pro­jekt­part­ner: TU Graz, Insti­tut für Maschi­nel­les Sehen und Dar­stel­len.

Foto: Wirt­schafts- und For­schungs­lan­des­rä­tin Barbara Eib­in­ger-Miedl und ASMET-Prä­si­dent Franz Rotter wollen die Arbeits­si­cher­heit in der Indus­trie erhöhen. Foto­credit: Kata­ri­na Pash­kovs­ka­ya

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