Geologen arbeiten nicht nur am Schreibtisch, sondern untersuchen Gesteinsformationen oft vor Ort. Gerade während des Studiums sind solche Exkursionen aber nicht immer möglich. Oft scheitern sie an den Kosten oder an der Unzugänglichkeit der Zielorte. Die Geologin Marlene Villeneuve von der Montanuni Leoben hat virtuelle Exkursionen entwickelt, die eine wertvolle Ergänzung zu den realen Expeditionen ins Gelände sind.
„Die meisten virtuellen Exkursionen, die wir entwickelt haben, basieren auf einem normalen Computerbildschirm. Die Studierenden sehen eine Reihe von Seiten, die zu einer chronologischen Zeitleiste zusammengefasst sind, der sie folgen müssen. In einigen Fällen genügt es, eine Seite nach unten zu scrollen und Videos, Fotos, räumliche 3‑D-Modelle, interaktive Frage- und Antwortabschnitte usw. zu sehen. In einigen Fällen schließlich betreten die Studierenden eine 3‑D-Umgebung, z. B. einen digitalen Zwilling, in dem sie navigieren können, um die Umgebung selbst zu erkunden“, beschreibt Villeneuve das System.
Die virtuellen Exkursionen mit 3‑D-Umgebungen können auf einem normalen Computerbildschirm dargestellt werden, einige könnten aber auch mit einer VR-Brille visualisiert werden. In diesem Fall wäre die VR-Brille eher eine Ergänzung als eine Notwendigkeit. Für die Rechenleistung ist lediglich ein normaler Desktop oder Laptop erforderlich. Wichtig ist eine schnelle Internetverbindung, da alles online gehostet wird.
Die Vorteile der virtuellen Exkursionen sieht die Kanadierin Villeneuve, die am Lehrstuhl für Subsurface Engineering in Leoben arbeitet, unter anderem darin, dass der Zugriff überall und jederzeit erfolgen kann. Außerdem bestehe die Möglichkeit zur Wiederholung. „Einer der größten Vorteile ist aber, dass wir an Plätze ‚gehen‘ können, die sonst unzugänglich wären.“
Die Geologin räumt auch Nachteile ein: „Es fehlt bei einer virtuellen Exkursion natürlich der Sinn für den Ort. Auch der potenzielle Mangel an Kontakt mit anderen Teilnehmern kann sich negativ auswirken.“
Die Praxiserfahrung völlig ersetzen können die virtuellen Exkursionen nach Ansicht Villeneuves nicht. „In bestimmten Situationen, wie wir es bei Covid-19 gesehen haben, kann sie es den Studierenden ermöglichen, einige Aspekte der praktischen Fertigkeiten zu trainieren oder verschiedene Einsatzorte zu außergewöhnlichen Zeiten kennenzulernen. In der Literatur wird viel über den Wert von persönlichen Erfahrungen an Ort und Stelle geschrieben, sie sind auch für viele Bildungsbereiche unersetzlich.“ In der Geologie gibt es ein großes Interesse an der Verwendung und Entwicklung von virtuellen Exkursionen. Corona habe die Geologen dazu gebracht, in diese Richtung zu arbeiten. Villeneuve will auch Spaß ins Lernen bringen.
„Eine der unterhaltsamsten Möglichkeiten ist die Entwicklung eines Spiels. Wir haben Spiele verwendet, die von einer Schatzsuche in einem virtuellen 3‑D-Tunnel bis hin zu einem Rollenspiel reichen, bei dem Schülerteams zusammenarbeiten.“ Ihr persönlicher Favorit ist das Magma-Drillers-Game. Ursprünglich wurde es entwickelt, um Teenager zu begeistern, die sonst wenig Interesse an MINT-Fächern zeigen. „Inzwischen haben wir festgestellt, dass dieses Spiel auch für Bachelor- und Masterstudenten geeignet ist. Der Detailgrad nimmt mit zunehmender Erfahrung zu, aber die Art und Weise, wie das Spiel gespielt wird, eignet sich für alle Alters- und Erfahrungsstufen. Ich verwende es derzeit für einen Geothermiekurs auf Masterniveau, in dem die Studierenden alles, was sie im Kurs gelernt haben, festigen, um zu entscheiden, wo sie nach der Energie der Zukunft bohren sollen.“