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Gedruck­te Keramik nach dem Vorbild der Natur

Mit dem 3D-Druck von Bau­tei­len aus Keramik befasst sich die Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben. Die Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten für die gedruck­ten Teile sind die Medizin – etwa im Bereich von Kno­chen­im­plan­ta­ten –, aber auch die Mikro­elek­tro­nik. Ein ent­spre­chen­der Drucker steht in Leoben seit dem ver­gan­ge­nen Sommer zur Ver­fü­gung.

Die in dem neuen 3D-Drucker gefer­tig­ten Bau­tei­le haben gemein­sam, dass sie eine kom­ple­xe Geo­me­trie besit­zen und/oder aus unter­schied­li­chen Mate­ria­li­en bestehen, die sich nur schlecht mit­ein­an­der ver­ar­bei­ten lassen. „Ver­bund­stof­fe bzw. Mul­ti­ma­te­ria­li­en aus Keramik, Metall und Poly­me­ren stellen eine große Her­aus­for­de­rung dar“, schil­dert Raúl Bermejo, Leiter des Lehr­stuhls für Struk­tur- und Funk­ti­ons­ke­ra­mik an der Mon­tan­uni­ver­si­tät. „Erst die Ent­wick­lung von soge­nann­ten addi­ti­ven Fer­ti­gungs­ver­fah­ren ermög­licht die Ver­ar­bei­tung von unter­schied­li­chen Werk­stoff­kom­bi­na­tio­nen zur Her­stel­lung kom­ple­xer Bau­tei­le.“

Bermejo und sein Team arbei­ten mit der Wiener Firma Lithoz GmbH zusam­men, welche mit ihren 3D-Dru­ckern, Mate­ria­li­en und Lösun­gen für die indus­tri­el­le Pro­duk­ti­on von Hoch­leis­tungs- und bio­re­sor­bier­ba­ren Kera­mi­ken Welt­markt- und Tech­no­lo­gie­füh­rer ist. Ein solcher 3D-Drucker von Lithoz steht an der Mon­tan­uni­ver­si­tät.

Die For­schungs­grup­pe unter Bermejo forscht an neuen Zusam­men­set­zun­gen des soge­nann­ten Schli­ckers, jenes pud­ding­ähn­li­chen Mate­ri­als, welches in den Drucker gefüllt wird und aus dem dann die Bau­tei­le ent­ste­hen. „Bei diesem Schli­cker handelt es sich um eine Mischung aus Poly­me­ren und Kera­mik­pul­ver. Je kleiner die Kera­mik­teil­chen im Schli­cker sind, desto prä­zi­ser kann gedruckt werden. Die Kunst ist es, immer klei­ne­re Par­ti­kel ein­zu­set­zen und diese zu homo­ge­nen Schli­ckern zu ver­ar­bei­ten.“ Während des Druck­pro­zes­ses werden Schich­ten von Schli­cker auf­ge­tra­gen und gezielt mit Licht bestrahlt, welches das Polymer im Schli­cker zum Aus­här­ten bringt. Durch das Auf­ein­an­der­schich­ten kann Schicht für Schicht ein drei­di­men­sio­na­les Bauteil erzeugt werden. „Zum Schluss muss das Bauteil von dem Polymer befreit und die Keramik bei etwa 1.500 Grad Celsius gebrannt werden“, erzählt der Wis­sen­schaf­ter.

Der Clou an dem Vorgang ist, dass jede Schicht theo­re­tisch aus einem anderen Mate­ri­al gedruckt werden kann. Die ein­ge­setz­ten Mate­ria­li­en haben ver­schie­de­ne Eigen­schaf­ten, die rich­ti­ge Kom­bi­na­ti­on kann man sich für die jewei­li­ge Aufgabe zunutze machen.

„Wir ver­su­chen oft, die Natur nach­zu­ah­men“, sagt Bermejo. „In einem Zahn gibt es auch unter­schied­li­che Schich­ten, manche sehr hart, andere weicher. Nur hart bedeu­tet meist auch spröde und das soll nicht sein.“ Die bio­in­spi­rier­ten Kon­zep­te aus dem 3D-Drucker weisen eine ähn­li­che innere Archi­tek­tur wie zum Bei­spiel Knochen oder eben Zähne auf. Die kom­ple­xe innere Geo­me­trie, die das Druck­ver­fah­ren ermög­licht, sorgt dafür, dass die Werk­stü­cke viel höheren Belas­tun­gen stand­hal­ten, als es bei nur einem Mate­ri­al der Fall wäre.

Die Anwen­dungs­ge­bie­te der 3D-Ver­bund­ke­ra­mik sind zum Teil auch im bio­me­di­zi­ni­schen Bereich. Zahn­kro­nen und ‑brücken sind Bei­spie­le dafür. „Man kann einen drei­di­men­sio­na­len Scan des natür­li­chen Zahns machen und dann eine Eins-zu-eins-Kopie des Ori­gi­nals aus Keramik mittels 3D-Druck her­stel­len. Diese hat dann exakt die Eigen­schaf­ten des natür­li­chen Zahns“, ist der Lehr­stuhl­lei­ter stolz. Die Anwen­dung befinde sich aller­dings noch im Ver­suchs­sta­di­um. Bermejo: „Wir sind gerade in der Proof-of-Concept-Phase, haben aber schon sehr hohe Fes­tig­kei­ten erreicht.“

Eine weitere Mög­lich­keit der Nutzung des 3D-Dru­ckers ist, Hüft­pro­the­sen zu ver­bes­sern. „Die bestehen ja aus einem Titan­schaft und einem Kera­mik­kopf, der den Gelenks­kopf des Ober­schen­kel­kno­chens ersetzt“, weiß Bermejo. Weil bei der Implan­ta­ti­on der Pro­the­se der Titan­schaft in den ver­blei­ben­den Knochen ein­ge­häm­mert werden muss, bekommt der Kera­mik­kopf manch­mal kleine Risse die zu einer schnel­le­ren Abnut­zung führen. „Genau diese Defekte werden durch unsere Ver­bund­ke­ra­mik ver­hin­dert, da diese deut­lich weniger emp­find­lich gegen stumpfe Schläge ist.“

Eine voll­kom­men andere Anwen­dung des 3D-Dru­ckers ist die Ver­bin­dung von kera­mi­schen Werk­stof­fen mit Metal­len, welche für die Mikro­elek­tro­nik sehr inter­es­sant ist. „Bei Teilen, die eine bestimm­te Geo­me­trie erfor­dern und die man nur in gerin­gen Stück­zah­len braucht, ist der Druck als Her­stel­lungs­va­ri­an­te inter­es­sant“, sagt der Wis­sen­schaf­ter. Eine Anwen­dung sei in Brenn­stoff­zel­len, um die Leis­tung zu erhöhen. Dafür müsse die Keramik einer­seits sehr dicht sein, ande­rer­seits aber Ionen leiten. Eine andere wäre die Raum­fahrt, wo man so Hit­ze­schil­de für den Wie­der­ein­tritt von Raum­fahr­zeu­gen in die Erd­at­mo­sphä­re pro­du­zie­ren könnte. „Mit dieser äußerst viel­ver­spre­chen­den Tech­no­lo­gie stecken wir aber noch in der Früh­pha­se“, schränkt Bermejo ein.

Neben der vor­wie­gend anwen­dungs­ori­en­tier­ten Ent­wick­lung beschäf­tigt sich die Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben auch mit Grund­la­gen­for­schung im Bereich Keramik. „Über das EU-Projekt Cera­Text leisten wir einen Beitrag, um Keramik in ihrer Mikro­struk­tur zu ver­ste­hen bzw. ein­zu­stel­len“, erzählt Bermejo. „Dabei ent­wi­ckeln wir Modelle, die zeigen sollen, wie Keramik auf Belas­tun­gen reagiert, seien sie ther­mi­scher oder mecha­ni­scher Natur. Wie ent­ste­hen Risse im Werk­stoff auf Meso,- Mikro- und gar Nanoe­be­ne und wie breiten sie sich aus? Das alles wird zur Ver­bes­se­rung der Eigen­schaf­ten von Kera­mi­ken führen.“ Zwei Mil­lio­nen Euro in fünf Jahren stehen für das Projekt aus EU-Mitteln zur Ver­fü­gung. For­schungs­part­ner von Bermejo ist dabei die US-ame­ri­ka­ni­sche Penn­syl­va­nia State Uni­ver­si­ty, an der der Mate­ri­al­ex­per­te ein Jahr lang tätig war.

Beson­ders stolz ist Bermejo auf sein tolles Team. „Es sind alles junge, enga­gier­te Kol­le­gen und Stu­den­ten, die meine Lei­den­schaft für Neues und die Erfor­schung von diesem teilen.“ Eine große Moti­va­ti­on sei es, dass Leoben zwar eine im inter­na­tio­na­len Ver­gleich rein auf die Größe bezogen kleine Uni­ver­si­tät ist, jedoch die beein­dru­cken­den For­schungs­er­geb­nis­se inter­na­tio­nal sehr ange­se­hen sind. Durch die kom­pak­te Größe ist die Bezie­hung zwi­schen Leh­ren­den und Stu­die­ren­den inten­si­ver und letz­te­re werden viel stärker in die For­schungs­tä­tig­keit ein­ge­bun­den.“

Kontakt:
Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben
www.unileoben.ac.at

Foto­credit: Lithoz GmbH

 

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