Fossile Energien bleiben länger

Bei allen Anstren­gun­gen zur Erschlie­ßung alter­na­ti­ver Ener­gie­quel­len werden wir uns noch lange nicht von fossilen Energien ver­ab­schie­den können. Davon geht sogar der Welt­kli­ma­rat aus. Für eine relativ lange Über­gangs­zeit muss man daher versuchen, zumindest die Förderung und Ver­bren­nung der fossilen Brenn­stof­fe kli­ma­neu­tra­ler zu gestalten. Daran arbeiten unter anderen Wis­sen­schaft­ler an der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben.

Der Bericht des Welt­kli­ma­ra­tes von 2014 beschreibt mehrere Energie- und Kli­ma­sze­na­ri­en. Diese reichen von „sehr opti­mis­tisch“ bis „business as usual“. Selbst im güns­tigs­ten Szenario, bei dem es gelingt, die Erd­erwärmung auf 2 Grad Celsius zu begrenzen, gehen die Experten des Kli­ma­ra­tes davon aus, dass im Jahr 2100 der Großteil der Energie aus fossilen Quellen kommt. Das heißt, dass in 80 Jahren noch mehr als 50 Prozent der Pri­mär­ener­gie aus Erdöl und Erdgas und Kohle gewonnen werden. Gleich­zei­tig wird der Gesamt­ener­gie­ver­brauch am Ende des 21. Jahr­hun­derts höher sein als heute, was einer­seits der wach­sen­den Bevöl­ke­rungs­zahl, ande­rer­seits einem stei­gen­den Lebens­stan­dard geschul­det ist.

„Wir dürfen nicht nur die Situation in Öster­reich oder Europa betrach­ten, wo eine Ener­gie­wen­de wesent­lich schneller vor­an­ge­hen kann als in anderen Teilen der Welt. Energie und Klima sind ein globaler Komplex“, erläutert Univ.-Prof. Holger Ott, Inhaber des Lehr­stuhls für Reservoir Engi­nee­ring am Institut für Petroleum Engi­nee­ring an der Montanuni Leoben.

„Sie können generell zwei Ansätze wählen. Sie können am Ausbau erneu­er­ba­rer Energien arbeiten – also unser zukünf­ti­ges Ener­gie­sys­tem gestalten – oder sie arbeiten am momen­ta­nen Problem und gehen der Frage nach: Wie gehe ich in dieser Über­gangs­zeit mit den ein­her­ge­hen­den Aus­wir­kun­gen auf Umwelt und Klima um – ich denke, dass diese Aufgabe min­des­tens eben­bür­tig mit der Frage nach dem Ausbau alter­na­ti­ver Energien ist. Wenn wir über Über­gangs­zei­ten sprechen, reden wir über viele Jahr­zehn­te bis weit ins nächste Jahr­hun­dert hinein.“

„Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch ver­stan­den werden – der Ausbau alter­na­ti­ver Energien muss gleich­zei­tig mit maximaler Geschwin­dig­keit erfolgen, wenn wir Erfolg haben wollen“, sagt Ott. Als Gesell­schaft müssten wir alles tun, um das Problem CO2 in den Griff zu bekommen. „Natürlich kann Energie nach­hal­tig pro­du­ziert und zur Verfügung gestellt werden, aber das ist eine Frage der Zeit, der Res­sour­cen und des Willens zur Umsetzung.“

In diesem Zusam­men­hang sei eine weiterhin wesent­li­che Aufgabe der Petroleum-Inge­nieu­re, die För­de­rungs­me­tho­den zu ver­bes­sern. „Heute gelten Lager­stät­ten oft als erschöpft, wenn noch 50 Prozent oder mehr Öl im Reservoir vorhanden sind. Das ist unge­nutz­tes Potenzial, das aber oft nur mit hohem tech­ni­schem Aufwand genutzt werden kann. Wir arbeiten dabei an der Ent­wick­lung effi­zi­en­te­rer und umwelt­ver­träg­li­cher Alter­na­ti­ven.“ Durch den Eigen­druck könne man im Durch­schnitt 20 Prozent des Öls aus dem Boden fördern, sagt der Physiker und Reservoir-Ingenieur. Anschlie­ßend müsse man Wasser oder Gas in das Reservoir inji­zie­ren, um weiter fördern zu können. Irgend­wann reiche auch das nicht, dann kämen chemische und ther­mi­sche Methoden zum Einsatz, um das Öl im Unter­grund zu mobi­li­sie­ren. Diese Methoden seien aber nicht immer wirt­schaft­lich und umwelt­tech­nisch sinnvoll.

Die Wirt­schaft­lich­keit dieser För­der­me­tho­den, so Ott, hänge letztlich vom Ölpreis ab. Sinke dieser zu stark, würde sich manches nicht mehr lohnen. „Ein Problem ist, dass der Ölpreis nicht so sehr technisch bestimmt ist, sondern wei­test­ge­hend politisch. „Ein gutes Beispiel sei Saudi-Arabien, das die Förderung massiv erhöht habe, um den Welt­markt­preis zu drücken und so das Fracking in den USA unren­ta­bel zu machen. Hier sieht Ott aller­dings einen Wandel kommen: „Je auf­wen­di­ger das Öl zu pro­du­zie­ren ist, desto stärker wird der Preis technisch bestimmt sein.“
Bald zu Ende gehende Öl- und Gas­vor­rä­te sieht der Wis­sen­schaft­ler jeden­falls nicht. In den bereits ent­wi­ckel­ten Lager­stät­ten sei poten­zi­ell noch genug für viele Jahr­zehn­te vorhanden. Wenn diese Res­sour­cen einmal auf­ge­braucht seien, könnte man immer noch verstärkt unkon­ven­tio­nel­le Res­sour­cen nutzen oder neue Vorkommen z.B. in der Arktis erschlie­ßen. „Die Frage ist aller­dings: Zu welchem Preis und wollen wir das?“

Das Schlüs­sel­wort beim Beitrag der Petroleum-Inge­nieu­re zum Kli­ma­schutz ist für Ott Dekar­bo­ni­sie­rung. „Wenn wir über fossile Ener­gie­trä­ger reden, dann führt nicht nur die Ver­bren­nung zu Emis­sio­nen von Treib­haus­ga­sen. Zum einen haben wir das Problem, dass die Pro­duk­ti­on von Öl und Gas selbst ener­gie­auf­wen­dig ist. Mit der Erschlie­ßung neuer, eher unkon­ven­tio­nel­ler Koh­len­was­ser­stoff­res­sour­cen steigt die tech­ni­sche und ener­ge­ti­sche Her­aus­for­de­rung – the easy oil is gone, wie man so schön sagt. Dieser ener­ge­ti­sche Aufwand kann direkt in einen CO2-Fuß­ab­druck umge­rech­net werden. Dekar­bo­ni­sie­rung fossiler Brenn­stof­fe fängt also nicht erst bei der Ver­bren­nung an, sondern schon wesent­lich früher im Prozess.“

Die Ver­bren­nung von Öl und Gas sei eigent­lich eine enorme Ver­schwen­dung eines wert­vol­len Rohstoffs. Geschehe diese Ver­bren­nung aber zentral, etwa in einem Kraftwerk, habe das auch Vorteile. „Es handelt sich dann um eine soge­nann­te Punkt­quel­le, in der das bei der Ver­bren­nung ent­ste­hen­de CO2 im Abgas kon­zen­triert vorliegt. „Wir können es relativ leicht abschei­den und in tiefen geo­lo­gi­schen Reser­voirs lagern, entweder permanent – das wäre dann CO2-Sequestra­ti­on oder zur späteren Nutzung.“

Mit der CO2-Sequestra­ti­on in tiefen Gesteins­schich­ten könne man sogar einen negativen CO2-Fuß­ab­druck erreichen. „Durch den Anbau von Biomasse kann man das Treib­haus­gas aktiv aus der Atmo­sphä­re entfernt. Nutzt man die Biomasse dann zur Ener­gie­ge­win­nung und scheidet das ent­ste­hen­de CO2 ab, kann es in den geo­lo­gi­schen Kreislauf zurück­ge­führt werden.“ Die geo­lo­gi­sche Spei­che­rung sei nach­hal­ti­ger als alle anderen Formen der CO2-Spei­che­rung. „Auf­fors­tung zum Beispiel bindet ein CO2-Molekül für durch­schnitt­lich rund hundert Jahre, eine ähnliche Zeit­span­ne wie seine durch­schnitt­li­che Auf­ent­halts­dau­er in der Atmo­sphä­re. Um einen Netto-Spei­cher­ef­fekt zu erhalten, muss ein CO2-Molekül aber wesent­lich länger im Speicher als in der Atmo­sphä­re verweilen. Bei der geo­lo­gi­schen Spei­che­rung reden wir über Jahr­tau­sen­de und Jahr­mil­lio­nen.“

All diese Themen, erklärt der Petroleum-Ingenieur, hätten viele Gemein­sam­kei­ten. „Um aus tiefen Lager­stät­ten Öl zu pro­du­zie­ren oder CO2 ein­zu­pres­sen, muss man die Reser­voirs finden, cha­rak­te­ri­sie­ren und mittels Tief­bohr­tech­nik erschlie­ßen. Wir müssen in der Lage sein, Fluide zu fördern oder ein­zu­pres­sen und man muss vor­her­sa­gen können, was im Unter­grund geschieht und eine Strategie ent­wi­ckeln, damit wir die Lager­stät­ten möglichst effektiv nutzen – das ist die Expertise meines Depart­ments.“

Ein Teil der For­schungs­ak­ti­vi­tä­ten sei relativ unab­hän­gig von der Art der Anwendung. So arbeite man in Leoben an „digital rock physics“, der Digi­ta­li­sie­rung von porösen Gesteins­struk­tu­ren mittels bild­ge­ben­der Methoden wie der Com­pu­ter­to­mo­gra­fie, um an den digitalen Struk­tu­ren Strö­mungs­si­mu­la­tio­nen durch­zu­füh­ren. Damit hofft man schneller und sta­tis­tisch robuster an Daten für eine Model­lie­rung von groß­räu­mi­gen Reser­voir­pro­zes­sen zu kommen. „Solche Methoden lassen sich allgemein im Reservoir Engi­nee­ring auf ver­schie­dens­te Probleme anwenden“ sagt Ott.

Weitere Aspekte des Petroleum Engi­nee­rings sind für den Wis­sen­schaft­ler an der Mon­tan­uni­ver­si­tät die groß­tech­ni­sche Spei­che­rung erneu­er­ba­rer Energie mittels Was­ser­stoff oder die Wandlung von Was­ser­stoff und CO2 zu „erneu­er­ba­rem Erdgas“. Erd­gas­re­ser­voirs seien dafür grund­sätz­lich gut geeignet. „Über Tech­no­lo­gien wie die CO2-Spei­che­rung, die Was­ser­stoff­spei­che­rung und die Geo­ther­mie inte­grie­ren wir die Bereiche der fossilen und erneu­er­ba­ren Energien und machen damit unser Ener­gie­sys­tem nach­hal­ti­ger.“

Auch wenn die Erd­öl­wirt­schaft in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung nicht immer gut dastehe, seien Forschung und Ent­wick­lung in diesem Bereich immens wichtig, ist der Leobener Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor zutiefst überzeugt. „Uns Petroleum-Inge­nieu­ren kommt eine Schlüs­sel­rol­le im Kampf gegen den Kli­ma­wan­del zu. Mit einem Abschluss in Petroleum Engi­nee­ring besitzen Absol­ven­ten das Rüstzeug, diese Schlüs­sel­po­si­ti­on in der Ener­gie­wen­de aus­zu­fül­len und die essen­zi­el­len Her­aus­for­de­run­gen zu meistern. Leider werden wir meist eher mit dem Problem als mit der Lösung asso­zi­iert – das muss man dann einfach aushalten.“

Kontakt
Depart­ment Petroleum Engi­nee­ring
Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben
Park­stra­ße 27, A‑8700 Leoben
http://dpe.ac.at/

Foto: Holger Ott, Inhaber des Lehr­stuhls für Reservoir Engi­nee­ring am Institut für Petroleum Engi­nee­ring an der Montanuni Leoben

Foto­credit: Harald Tauderer

Ent­gelt­li­che Ein­schal­tung

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