Forschen für den Vorsprung

138,6 Mio. Euro inves­tier­te die in Prem­stät­ten bei Graz ansässige, weltweit agierende ams AG im abge­lau­fe­nen Geschäfts­jahr in Forschung und Ent­wick­lung (F&E), satte 25 Prozent des Umsatzes. Heuer sollen es bereits über 200 Mio. Euro sein. Die Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben und ihre  aus­ge­la­ger­ten F&E‑Gesellschaften sind dabei wichtige Koope­ra­ti­ons­part­ner im globalen For­schungs­netz­werk des Sen­sor­her­stel­lers. Die Jagd nach dem tech­no­lo­gi­schen Vorsprung – ein Par­force­ritt in Permanenz. Selbst wenn sich ein Unter­neh­men der Tech­no­lo­gie­füh­rer­schaft sicher sein darf, wäre es fatal, sich zurück­zu­leh­nen. Im nächsten Augen­blick schon kann ein Mit­be­wer­ber zum (dis­rup­ti­ven) Ent­wick­lungs­sprung ansetzen. Nicht nur innerhalb der eigenen Tech­no­lo­gie gilt es, die Spit­zen­po­si­ti­on zu behaupten, auch mögliche neue Para­dig­men dürfen nicht übersehen werden.

Design Centers

Die ams AG, erläutert Alexander Everke, CEO des bör­sen­no­tier­ten Unter­neh­mens, setze in ihrer F&E‑Strategie auf ein über den gesamten Globus gespann­tes Netzwerk soge­nann­ter „Design Center“. Der Name resul­tie­re aus der Historie des Unter­neh­mens und leite sich vom Mikrochip-Design ab. Die Design Center – 21 an der Zahl, teilweise an den einstigen Stand­or­ten akqui­rier­ter Unter­neh­men – sind in die jeweilige regionale Branchen‑, Markt- und For­schungs­um­ge­bung ein­ge­bet­tet. Diese dezen­tra­le Anordnung mit ihrer Nähe zum jewei­li­gen For­schungs­um­feld erhöhe die Reak­ti­ons­schnel­lig­keit und biete die Mög­lich­keit, den F&E‑Fokus sehr spe­zi­fisch auf die Erfor­der­nis­se der jewei­li­gen Märkte zu lenken.

Der über­ge­ord­ne­ten F&E‑Unit im stei­ri­schen Head­quar­ters – knapp 300 der insgesamt fast 1050 Design-Center-Fachleute sind hier tätig, das „stei­ri­sche“ F&E‑Budget belief sich 2016 auf mehr als 90 Mio. Euro – obliegt es, die dezen­tra­len Netz­werk­kno­ten auf das stra­te­gi­sche  Unter­neh­mens­ziel zu beziehen.

Es ist wohl auch dieser Balance zwischen über­grei­fen­der For­schungs­dis­zi­plin und regio­na­ler Ent­wick­lungs­frei­heit  zuzu­schrei­ben, dass die ams AG führende Tech­no­lo­gie­kon­zer­ne, darunter z. B. Samsung, zu ihren Kunden zählen und in vielen Bereichen die Tech­no­lo­gie­füh­rer­schaft, bei Licht­sen­so­ren auch die Welt­markt­füh­rer­schaft für sich in Anspruch nehmen kann.

For­schungs­netz­werk

Ent­spre­chend prominent besetzt ist das Netzwerk uni­ver­si­tä­rer wie außer­uni­ver­si­tä­rer For­schungs­part­ner, mit denen die ams AG in den ver­schie­dens­ten, vor­wie­gend inter­na­tio­nal besetzten For­schungs­pro­jek­ten koope­riert.

Allein im DACH-Raum reicht dieses von der Fraun­ho­fer Gesell­schaft, der größten Orga­ni­sa­ti­on für anwen­dungs­ori­en­tier­te Forschung Europas, über die ver­schie­dens­ten nicht­uni­ver­si­tä­ren orschungs­ge­sell­schaf­ten, Excel­lence-Verbünde und Tech­no­lo­gie­in­sti­tu­te bis zu Insti­tu­ten namhafter Uni­ver­si­tä­ten und Fach­hoch­schu­len.

Die Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben (MUL) mit ihren For­schungs­ge­sell­schaf­ten „Material Center Leoben“ (MCL) und „Polymer Com­pe­tence Center Leoben“ (PCCL) biete, so CEO Everke, in diesem Kontext ein ein­zig­ar­ti­ges mate­ri­al­wis­sen­schaft­li­ches Know-how in Kom­bi­na­ti­on mit erst­klas­si­ger Aus­stat­tung für Mate­ri­al­cha­rak­te­ri­sie­rung. „Das ermög­licht tie­fer­ge­hen­de Unter­su­chun­gen in Bereichen wie Halb­lei­ter­fer­ti­gung, Ver­bin­dungs­tech­no­lo­gien und moderne Packaging-Verfahren, aber auch die Erfor­schung und Ent­wick­lung neuer Sen­sor­ma­te­ria­li­en.“

Nano­tech­no­lo­gie

Drei The­men­be­rei­che seien es vor allem, die in Koope­ra­ti­ons­pro­jek­ten zwischen ams AG und MUL, MCL sowie PCCL bear­bei­tet würden. Erstens die Cha­rak­te­ri­sie­rung von Mate­ria­li­en und dünnen Schichten mittels State-of-the-Art-Methoden sowie eigens ent­wi­ckel­ter neuer Mess­me­tho­den. Dies ermög­li­che Einblicke bis etwa in den 10-Nanometer-Bereich, was zu wichtigen Erkennt­nis­sen über Mate­ria­li­en und Struk­tu­ren führe.

Zweitens die Erfor­schung und Ent­wick­lung neuer Sen­sor­ma­te­ria­li­en und che­mi­scher Sensoren im Nano-Grö­ßen­be­reich sowie deren 3D-CMOS-Inte­gra­ti­on (CMOS = com­ple­men­ta­ry metal-oxide-semi­con­duc­tor). Letzteres einer der Bereiche, in denen die ams AG durch ihre hoch­mo­der­ne Fer­ti­gungs­li­nie weltweit führend ist. Und drittens – wie im mit 6 Mio. Euro dotierten K‑Forschungsprojekt „PolyTherm“ am PCCL – um die Erfor­schung der Eigen­schaf­ten bestimm­ter Polymere und Mul­ti­schicht­ma­te­ria­li­en sowie die Ent­wick­lung von Simu­la­ti­ons­mo­del­len, um das Verhalten von Sensoren unter ver­schie­de­nen Umwelt- und Belas­tungs­si­tua­tio­nen, aber auch in unter­schied­li­chen mikro­elek­tro­ni­schen Inte­gra­ti­ons­kon­zep­ten und Packaging-Umge­bun­gen zu unter­su­chen.

Das alles, um Sensoren, wie sie heute etwa in Smart­phones, in der Sicherheits‑, Gebäude- oder Medizin‑, aber auch Ver­kehrs­tech­nik (Stichwort: autonomes Fahren) immer umfas­sen­der ein­ge­setzt werden, auf der einen Seite effi­zi­en­ter und günstiger her­stel­len, auf der anderen Seite aber auch wei­ter­ent­wi­ckeln und opti­mie­ren zu können: etwa immer mehr Sensoren auf immer kleineren Einheiten zu inte­grie­ren, Abmes­sun­gen und Ener­gie­ver­brauch zu mini­mie­ren, Sen­si­bi­li­tät, Belast­bar­keit und Zuver­läs­sig­keit jedoch zu erhöhen; oder bislang getrennte sen­so­ri­sche Para­dig­men in einem Sensor zu vereinen.

Tech­no­lo­gi­scher USP

„Je mehr wir wissen und je umfas­sen­der unser tech­no­lo­gi­sches Know-how ist“, erläutert Alexander Everke, „desto tiefer und weiter defi­nie­ren wir
selbst unseren Ent­wick­lungs­ho­ri­zont, desto mehr Glieder der Wert­schöp­fungs­ket­te holen wir in unseren eigenen Kom­pe­tenz­be­reich herein und desto deut­li­cher können wir unseren tech­no­lo­gi­schen USP her­aus­ar­bei­ten, der uns letzten Endes unsere Füh­rungs­rol­le sichert.“

Vor­aus­set­zung dafür sei auch die Betei­li­gung an For­schungs­pro­jek­ten und die Koope­ra­ti­on mit Wis­sens­trä­gern wie der MUL und ihren For­schungs­ge­sell­schaf­ten. Die regionale Nähe zum For­schungs­part­ner bringe dabei durchaus auch Vorteile. „Die direkte Kom­mu­ni­ka­ti­on“, erklärt Verena Vescoli, Senior Vice President R&D der ams AG, „ermög­licht einen inten­si­ve­ren Austausch zwischen den Pro­jekt­part­nern und ein rascheres Eingehen auf akute Fra­ge­stel­lun­gen.“ Dabei seien, ergänzt ams-AG-CFO Michael Wachsler-Mar­ko­witsch, durchaus ver­schie­de­ne Kulturen mit­ein­an­der in Einklang zu bringen. „Die Industrie hat oft drin­gen­de­re Zeit­vor­ga­ben als eine For­schungs­ein­rich­tung. Wir wollen rasch zu neuen, inno­va­ti­ven Produkten kommen, arbeiten sehr konkret und fordern von unseren Partnern im All­ge­mei­nen schnelle und klare Ergeb­nis­se und Antworten auf unsere Fragen und Pro­blem­stel­lun­gen. Diese Ein­stel­lung ist mit Forschung auf hohem Niveau nicht immer leicht zu ver­ein­ba­ren, beide Welten müssen sich daher bei Indus­trie­for­schungs­the­men ent­ge­gen­kom­men.“

For­schungs­an­sporn

Für die For­schen­den, führt der Rektor der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben, Wilfried Eichl­se­der, ins Treffen, sei genau dieser Anwen­dungs­ho­ri­zont – die konkrete Umsetzung von For­schungs­er­geb­nis­sen – eine will­kom­me­ne Begleit­erschei­nung von For­schungs­ko­ope­ra­tio­nen mit Indus­trie­part­nern.

In Kom­bi­na­ti­on mit dem Dritt­mit­tel­in­put entstehe dabei gleichsam eine Winwin-Kon­stel­la­ti­on, die allen Betei­lig­ten zugu­te­kom­me: „Ohne diese Projekte wäre Forschung nicht in diesem Umfang möglich. Dies kommt wiederum der Wirt­schaft zugute, daneben aber auch unseren Stu­die­ren­den, die häufig in diese Projekte ein­ge­bun­den werden.“ Die Erkennt­nis­se aus den anwen­dungs­ori­en­tier­ten Projekten würden zudem sofort wieder in die jewei­li­gen For­schungs­fel­der zurück­flie­ßen. Auch seien die Fra­ge­stel­lun­gen aus der Industrie zusätz­li­cher Ansporn für die For­schen­den. Die  Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben sieht sich dabei als Treiber der Wirt­schaft. „Überall dort, wo über­durch­schnitt­lich viel in Forschung und Ent­wick­lung
inves­tiert wird, wächst die Wirt­schaft schneller und nach­hal­ti­ger – denn eine hohe tech­no­lo­gi­sche Leis­tungs­kraft der Wirt­schaft basiert auf Exzellenz in der Wis­sen­schaft“, erklärt Eichl­se­der. Koope­ra­tio­nen mit der Industrie würden in einem hohen Maße dazu beitragen, in der Forschung gewon­ne­nes neues Wissen über Inno­va­ti­ons­pro­zes­se in neue Produkte, Verfahren und Dienst­leis­tun­gen zu trans­fe­rie­ren.

Neue Fer­ti­gungs­tech­no­lo­gien

„Die Montanuni und die in Leoben ange­sie­del­ten For­schungs­ge­sell­schaf­ten“, beschreibt der Rektor die Stärken der mon­ta­nis­ti­schen F&E‑Infrastruktur, „haben eine lange Tradition und große Erfahrung im Bereich der Werk­stof­fe von Metallen über Keramik bis zu Polymeren sowie des Recy­clings. Auch weiteren The­men­fel­dern, so Eichl­se­der, stehe die Montanuni auf­ge­schlos­sen gegenüber. Er denke dabei etwa an neue Methoden der Fertigung wie „Additive Manu­fac­tu­ring“ oder Recycling-Verfahren. In beiden Bereichen sei noch hoher For­schungs­be­darf gegeben. Dazu kämen weitere Themen wie etwa der Zugang zu Roh­stof­fen.

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