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Die Demo­kra­tie braucht einen digi­ta­len Schutz­schirm

Wie können die demokratischen Werte Europas und die westliche Lebensweise angesichts einer massiven (digitalen) Bedrohung durch autoritäre Mächte geschützt werden?
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Dieser Frage gingen Exper­ten beim Euro­päi­schen Forum Alpbach in einer von JOAN­NE­UM RESE­ARCH ver­an­stal­te­ten Vor­trags­run­de nach.

Digi­ta­li­sie­rung und Inter­net haben unsere Welt ver­klei­nert und sie radikal ver­än­dert – mit all ihren posi­ti­ven und nega­ti­ven Effek­ten. Vir­tu­ell kann man zu jeder Zeit jeden Ort der Welt errei­chen. Frei­heit und Demo­kra­tie schei­nen aktuell global einen Nie­der­gang zu erleben. Es lassen sich eine Pola­ri­sie­rung und der Auf­stieg auto­ri­tä­rer Politik sowie eine Des­il­lu­sio­nie­rung und der Verlust des Ver­trau­ens der Bürger in Demo­kra­tie, klas­si­sche Medien und Wis­sen­schaft beob­ach­ten. Soziale Medien tragen dazu bei und Des­in­for­ma­ti­on, Deep Fakes oder gene­ra­ti­ve KI trig­gern diese Ent­wick­lung. Auch unsere hoch­gra­dig digi­ta­li­sier­te Infra­struk­tur ist ver­stärkt Cyber­an­grif­fen aus­ge­setzt. In einem Arbeits­kreis der JOAN­NE­UM RESE­ARCH beim Euro­päi­schen Forum Alpbach kamen Expert aus unter­schied­li­chen Fach­be­rei­chen zusam­men, um die Gefah­ren der neuen digi­ta­li­sier­ten Welt und Schutz­schil­der auf­zu­zei­gen.

Ver­bre­chen und die Auf­lö­sung geo­gra­fi­scher Grenzen

„Man wird sich an uns als die erste Gene­ra­ti­on der Mensch­heits­ge­schich­te erin­nern, die sowohl in der realen als auch in der Online­welt gelebt hat“, so Robert Lam­precht, Geschäfts­füh­rer von KPMG. Das Inter­net sei das Beste und zugleich das Schlimms­te in unserem Leben: Es hat die Pri­vat­sphä­re und die Kri­mi­na­li­tät ver­än­dert. Waren Ver­bre­chen früher lokal, so kennt der vir­tu­el­le Raum keine geo­gra­fi­schen Grenzen und Ent­fer­nun­gen. Cyber­crime ist ein lukra­ti­ves Busi­ness­mo­dell. Auch die Kriegs­füh­rung hat mit dem Inter­net eine Dimen­si­on erhal­ten, die neuen Mecha­nis­men folgt: Cyber­waf­fen sind effek­tiv, leist­bar und ihr Einsatz lässt sich abstrei­ten. Mit Cyber-waffen wird im Gegen­satz zu phy­si­schen Waffen im Ver­bor­ge­nen ope­riert. Die Gefahr, dass west­li­che Orga­ni­sa­tio­nen und Unter­neh­men atta­ckiert werden, steige mit der Anzahl bewaff­ne­ter Kon­flik­te welt­weit, so Lam­precht.

Deep Fake und Gene­ra­ti­ve KI

Digi­ta­li­sie­rung habe das orga­ni­sier­te Ver­bre­chen stark ver­än­dert, berich­te­te Gerald Hesz­te­ra, Abtei­lungs­lei­ter für Stra­te­gie, Sicher­heits­po­li­tik und Koor­di­nie­rung im Innen­mi­nis­te­ri­um: Anstel­le von starren Orga­ni­sa­tio­nen arbei­ten nun Netz­wer­ke aus kleinen, unter­schied­li­chen Gruppen in ver­schie­de­nen Ländern für eine bestimm­te Zeit zusam­men, mit dem Ziel, an Geld und Macht zu gelan­gen. Die nächste große Bedro­hung: Deep Fakes. Wenn die „echte“ Stimme des Chefs am Telefon die Über­wei­sung von Geld ein­for­dert (CEO-Fraud) oder die Enkelin bei einem Video­te­le­fo­nat Hilfe erbit­tet (Nef­fen­trick) wird die Unter­schei­dung zwi­schen Fake und Wirk­lich­keit schwie­rig. Und auch gene­ra­ti­ve KI wie Chat GPT bringt Kri­mi­nel­le rascher ans Ziel: So genügt eine Person, um Pro­pa­gan­da korrekt in unter­schied­li­chen Spra­chen und Tona­li­tä­ten zu erstel­len. Für Staaten bedeute all das, dass auch sie im Kampf gegen Kri­mi­na­li­tät und Falsch­in­for­ma­tio­nen KI ein­set­zen müssen. Dabei sei es sinn­voll, mit NGOs und der Zivil­ge­sell­schaft zusam­men­zu­ar­bei­ten. In Öster­reich besteht dies­be­züg­lich eine Koope­ra­ti­on mit Mimi­ka­ma, einer Platt­form zur Auf­klä­rung von Inter­net­be­trug und Falsch­mel­dun­gen.

Sou­ve­rä­ni­tät und der Erfolg von Falsch­in­for­ma­tio­nen

Demo­kra­tie, Frei­heit und Sou­ve­rä­ni­tät gelten als Grund­bau­stei­ne west­li­cher Gesell­schaf­ten. Ver­steht man unter Sou­ve­rä­ni­tät die legi­ti­me Kon­trol­le, die ein Land über seine eigenen Ange­le­gen­hei­ten inner­halb seiner Grenzen ausübt, frei von äußeren Ein­flüs­sen oder Ein­mi­schun­gen, so scheint dies in unserer glo­ba­li­sier­ten Welt zuneh­mend schwie­rig: Laut Euro­pean Sove­reig­n­ty Index ist die Sou­ve­rä­ni­tät der EU beson­ders im Tech­no­lo­gie­be­reich gering. Etwa bei Roh­stof­fen, Halb­lei­tern, der Daten­spei­che­rung oder bei See­ka­beln. Des­in­for­ma­ti­on ist eine Gefahr für Frei­heit und Auto­no­mie, denn sie funk­tio­niert: „Falsche Infor­ma­tio­nen ver­brei­ten sich rascher, weiter und tiefer als rich­ti­ge – und das, obwohl soziale Medien wenig Ver­trau­en ent­ge­gen­ge­bracht wird“, so Daniel Wurm, Berater im Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um. Aus­ge­löst durch den Ukrai­ne­krieg ist das Erlan­gen von mehr Sou­ve­rä­ni­tät ein wich­ti­ges Thema der EU gewor­den: „Volle Sou­ve­rä­ni­tät zu errei­chen ist kaum möglich, es gilt an neuen Kon­zep­ten zu geteil­ter Sou­ve­rä­ni­tät zu arbei­ten“, so Wurm.

Tech­no­lo­gi­sche Schutz­schil­der

Der Schutz sen­si­bler Daten ist für Pri­vat­per­so­nen genauso wichtig wie für Unter­neh­men und öffent­li­che Insti­tu­tio­nen. Künf­ti­ge Quan­ten­com­pu­ter stellen den siche­ren, ver­schlüs­sel­ten Daten­trans­fer vor neue Her­aus­for­de­run­gen, denn bis­he­ri­ge Schutz­me­cha­nis­men funk­tio­nie­ren in der Quan­ten­welt nicht mehr. Suvi Lampila von SSH Com­mu­ni­ca­ti­ons Secu­ri­ty Corp befasst sich deshalb mit der Post-Quantum-Kryp­to­gra­fie (PQC): „Noch gibt es der­ar­ti­ge kryp­to­gra­fisch rele­van­te Com­pu­ter nicht, doch die gefähr­de­ten Daten gibt es bereits. Sie könnten von Angrei­fern jetzt gespei­chert und später ent­schlüs­selt werden“, so Lampila. Deshalb werde an quan­ten­si­che­ren Lösun­gen mit PQC gear­bei­tet, sie können die aktu­el­le Bedro­hung des Schlüs­sel­aus­tauschs in bestehen­den Netz­werk­um­ge­bun­gen bekämp­fen. Denn eines sei klar: „Der Quanten-Taifun wird früher oder später über uns her­ein­bre­chen und darauf sollten wir vor­be­rei­tet sein.“

An siche­ren kryp­to­gra­fi­schen Algo­rith­men forscht auch Maria Eichl­se­der, Assis­tenz­pro­fes­so­rin an der TU-Graz. Sie gab einen Ein­blick in deren kom­ple­xe Archi­tek­tur und die Ent­wick­lung kryp­to­gra­fi­scher Stan­dards, die für das Inter­net, aber auch für kleine Geräte wie Sen­so­ren in Mobil­te­le­fo­nen oder medi­zi­ni­schen Geräten (Light­weight Cryp­to­gra­phy) essen­zi­ell sind.

www.joanneum.at

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