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Der „Fin­ger­ab­druck“ zeigt, was das Wasser tut

Den „Fin­ger­ab­druck“ von Wasser und von ver­schie­de­nen Gasen im Gestein hat das Depart­ment Ange­wand­te Geo­wis­sen­schaf­ten und Geo­phy­sik an der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben erstellt. Doris Groß, die wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin am Lehr­stuhl für Erd­öl­geo­lo­gie in Leoben ist, hat eine Bestands­auf­nah­me der tie­fe­ren Grund­wäs­ser in Ober­ös­ter­reich gemacht. Beson­de­res Augen­merk wurde dabei auf Ther­mal­wäs­ser im soge­nann­ten Malm gemacht, einer Gruppe geo­lo­gi­scher For­ma­tio­nen aus dem Ober­ju­ra vor rund 150 Mil­lio­nen Jahren.

Wir haben alle Wässer in Ober­ös­ter­reich typi­siert, die uns inter­es­sant erschie­nen sind“, schil­dert Groß. „Das ist vom Haus­brun­nen bis zu Ther­mal­was­ser aus sehr tiefen Schich­ten gegan­gen.“ Dabei habe man fest­ge­stellt, dass es einen Aus­tausch zwi­schen den ein­zel­nen was­ser­füh­ren­den Schich­ten gibt – und dass das Wasser nicht zwangs­läu­fig nur von oben nach unten fließt. „Ein Aus­tausch kann unter spe­zi­el­len Umstän­den auch in die andere Rich­tung statt­fin­den“, sagt die Geo­lo­gin.

Um die ein­zel­nen Wässer exakt iden­ti­fi­zie­ren zu können, wurden sie gründ­lich ana­ly­siert. Dabei wurden sowohl die in ihnen gelös­ten Mine­ral­stof­fe als auch die Iso­to­pen­zu­sam­men­set­zung genau bestimmt. Damit ergibt sich ein unver­wech­sel­ba­rer „Fin­ger­ab­druck“ jedes Wassers. „Unser Ziel war es her­aus­zu­fin­den, ob und wie die ein­zel­nen Was­ser­ein­hei­ten zusam­men­hän­gen und wie stark sie sich ver­mi­schen.“

Dies zu wissen, ist unter anderem für die geo­ther­mi­sche Nutzung oder die Was­ser­ent­nah­me durch Thermen wichtig, erklärt Groß. Geo­ther­mie­an­la­gen pumpen das Wasser nor­ma­ler­wei­se in die Tiefe zurück, Thermen in der Regel nicht. „Wenn wir wissen, ob genug Wasser in die genutz­te Schicht nach­fließt, können wir abschät­zen, wie stark und wie lange wir Wärme aus dem ent­spre­chen­den Was­ser­kör­per gewin­nen können.“ Dazu komme, dass der ober­ös­ter­rei­chi­sche Malm in Rich­tung Osten in seich­te­re Grund­was­ser­schich­ten abfließt. „Dort geht es dann um die Trink­was­ser­ver­sor­gung. Es geht um die Frage, ob sich die was­ser­füh­ren­de Schicht rege­ne­rie­ren kann, darum, wie viel Wasser kann man pro­blem­los ent­neh­men.“

Die Wässer sind teil­wei­se sehr alt und schon lange im Unter­grund gespei­chert. In meh­re­ren Hundert Meter bis einige Kilo­me­ter Tiefe im porösen Gestein gespei­chert, sind sie völlig unbe­ein­flusst von moder­nen Umwelt­ein­flüs­sen geblie­ben. Groß: „Es ist gut zu wissen, dass es diese Reserve gibt und wie sie funk­tio­niert.“

Ein anderes Thema, mit dem sich der Lehr­stuhl beschäf­tigt, ist die Ent­ste­hung, Ver­än­de­rung und Migra­ti­on von Erdgas im öster­rei­chi­schen Molas­se­be­cken. Dieses ist ein rie­si­ger Trog, der sich im Laufe der geo­lo­gi­schen Zeit­al­ter mit Sedi­men­ten gefüllt hat. Bei der Unter­su­chung ging es weniger um das Auf­fin­den neuer Lager­stät­ten, die Molasse wurde viel­mehr als eine Art natür­li­ches Labor ver­wen­det, in dem man die Mecha­nis­men rund um das Erdgas besser ver­ste­hen lernen kann.

„Wir unter­schei­den in der Erd­öl­geo­lo­gie zwi­schen ther­mi­schem und bio­ge­nem Gas. Das Erstere ent­steht durch hohe Tem­pe­ra­tu­ren und besteht haupt­säch­lich aus Methan mit Bei­mi­schun­gen von Ethan, Propan und Butan. Bio­ge­nes Gas hin­ge­gen wird von Mikro­ben erzeugt und besteht fast aus­schließ­lich aus Methan.“ Auch beim Gas wurden die Iso­to­pen erfasst. Zusätz­lich wurden aber auch die Gestei­ne unter­sucht, in denen das Gas gespei­chert ist. Hin­ter­grund der Ana­ly­sen ist, dass man so fest­stel­len kann, woher das Gas und das Erdöl, das das Gas meist beglei­tet, kommen. „Bio­ge­nes Gas ent­steht im lokalen Gestein, ther­mi­sches Gas und das Erdöl wandern.“ In der öster­rei­chi­schen Molasse hat das Team um Groß übri­gens nur eine einzige kleine Lager­stät­te gefun­den, in der nur rein bio­ge­nes Gas vor­kommt. Meist handelt es sich bei den Gas­vor­kom­men um Misch­for­men.

Erd­öl­fir­men pro­fi­tie­ren von so genauen Bestim­mun­gen der Zusam­men­set­zung von Erdgas. „Sie wollen ja wissen, ob Öl oder Gas im Unter­grund ist und ob sich die Erschlie­ßung lohnt. Je besser wir Geo­lo­gen ver­ste­hen, woher Öl und Gas kommen und wie sie gewan­dert sind, umso eher können wir beur­tei­len, ob es sich aus­zahlt zu bohren.“

In Öster­reich stelle sich gene­rell die Frage, ob sich die Explo­ra­ti­on von Gas- und Ölla­ger­stät­ten noch lohne, sagt Groß. In einer Zeit, in der man zuneh­mend aus der Ver­wen­dung fos­si­ler Brenn­stof­fe aus­stei­ge, eher weniger, ist sie über­zeugt. „Aber unsere Ana­ly­se­me­tho­den lassen sich überall auf der Welt und in ver­schie­de­nen Berei­chen anwen­den.“

Ein kon­kre­tes Bei­spiel ist ein großes Ölfeld in Nord­ame­ri­ka. „Das Feld weist eine kom­ple­xe Struk­tur mit geo­lo­gi­schen Stö­run­gen auf, wo aus ver­schie­de­nen Geste­ins­ho­ri­zon­ten geför­dert wird. Zwi­schen den ölfüh­ren­den Sanden gibt es stel­len­wei­se was­ser­füh­ren­de Schich­ten. Wir wollen nun gemein­sam mit der Explo­ra­ti­ons­fir­ma her­aus­fin­den, wie die Lager­stät­te gefüllt wurde.“ Daneben sollen Tools ent­wi­ckelt werden, mit denen man unter­schied­li­che Mischun­gen der Aus­gangs­öle erken­nen und abschät­zen kann.

Erd­öl­geo­lo­gie, schil­dert Groß, ist auch abseits der Explo­ra­ti­on und För­de­rung anwend­bar. „Bei unserem Was­ser­pro­jekt haben wir gewusst, dass in sehr tiefen Grund­was­ser­schich­ten auch natür­li­che Koh­len­was­ser­stof­fe zu finden sind. Beim Grund­was­ser oder auch an der Ober­flä­che geht es oft darum, woher diese Koh­len­was­ser­stof­fe kommen. Sind sie natür­li­chen Ursprungs oder stammen sie vom Men­schen? Ist es ein natür­li­cher Aus­tritt oder wurde ein Unfall mit einem raf­fi­nier­ten Erd­öl­pro­dukt ver­tuscht? Orga­ni­sche Geo­che­mie in Ver­bin­dung mit der Iso­to­pen­ana­ly­se kann das unter­schei­den.“

Mehr Infor­ma­tio­nen:
Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben
www.unileoben.ac.at

 

Foto­credit: Adobe Stock

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