JUST-Redaktion|

Bil­dungs­re­vo­lu­ti­on, wir kommen?!

Die digi­ta­le Zukunft ist im vollen Gange. Doch sind auch die Klas­sen­zim­mer dafür bereit?

Unter dem Titel Digi­ta­li­sie­rungs­stra­te­gie 4.0 sollen digi­ta­le Inhalte einer­seits breiter, als auch über einen län­ge­ren Zeit­raum ver­mit­telt werden. Tech­ni­sches Grund­ver­ständ­nis soll bereits spie­le­risch in der Volks­schu­le begin­nen, in wei­ter­füh­ren­den Schulen folgen zwei bis vier ver­bind­li­che Wochen­stun­den mit einem Fokus auf die gesell­schaft­li­chen Aspekte der Digi­ta­li­sie­rung, Medi­en­kom­pe­tenz und etwa das Ver­ste­hen von Betriebs­sys­te­men.

Doch wie bestimmt man, wer die not­wen­di­ge Kom­pe­tenz hat, solche Inhalte zu lehren? Wie bestimmt man heute Fähig­kei­ten, die erst in 20 oder 30 Jahren rele­vant sein werden? Und wie erkennt man Trends, die sich in nur wenigen Jahren so stark ver­än­dern können, dass Tech­no­lo­gien von vor 10 oder 20 Jahren – man denke an Spei­cher­me­di­en wie CDs oder Dis­ket­ten – heute kaum noch rele­vant sind?

Digi­ta­li­sie­rung 4.0

Bei einer Podi­ums­dis­kus­si­on am Bil­dungs­fo­rum Zukunft, das Ende Februar im Wiener Muse­ums­quar­tier statt­fand, erwähn­te Bil­dungs­mi­nis­ter Heinz Faßmann, dass man die Kom­pe­ten­zen der Zukunft noch nicht genau kenne: „Studien können dabei helfen, aber in der Zwi­schen­zeit müssen wir uns auf all­ge­mei­ne Termini wie Krea­ti­vi­tät, Team­fä­hig­keit oder Über­set­zungs­fä­hig­keit berufen.“ Auch der Begriff des hand­lungs­ori­en­tier­ten Unter­richts geis­tert in dieser Dis­kus­si­on immer wieder durch den Raum. Schüler sollten in das Zentrum des Lern­pro­zes­ses rücken, heißt es von Seiten der Exper­ten. Das sehen auch die Schüler und Schü­le­rin­nen so.

„Wenn es um uns geht, sollte man uns auch fragen“, sagt Katha­ri­na Bar­to­sch, Schü­le­rin und Mit­glied von YEP, einem außer­schu­li­schen Lernort, der Jugend­li­che via Work­shops und Coa­ching dabei beglei­tet, sich in den gesell­schaft­li­chen Dialog ein­zu­brin­gen. Fehlt es den Exper­ten noch an Kon­kre­ti­sie­rung der Kon­zep­te, kur­sie­ren dennoch schon Ansätze und Tech­no­lo­gien.

IWB (Inter­ac­ti­ve white board), BYOD (bring your own device) und AI (arti­fi­ci­al intel­li­gence) – assis­ted lear­ning – so heißen einige der Instru­men­te für die Schule der Zukunft. Laut eines Reports des Arti­fi­ci­al Intel­li­gence Market im US-ame­ri­ka­ni­schen Bil­dungs­sek­tor wird erwar­tet, dass der Einsatz von künst­li­cher Intel­li­genz auf US-ame­ri­ka­ni­schen Schulen zwi­schen den Jahren 2017 bis 2021 um knapp 50 Prozent steigen wird. Firmen wie Content Tech­no­lo­gies und Car­ne­gie Lear­ning arbei­ten an intel­li­gen­ten Sys­te­men, die Lehrern in Prü­fungs­si­tua­tio­nen und beim Feed­back an die Schüler unter­stüt­zen können. Mit einer inter­ak­ti­ven Tafel wie dem IWB können Sachen auf inter­ak­ti­ve Weise und in Koope­ra­ti­on notiert werden, Notizen direkt über Videos gelegt werden und all das kann dann auf ver­schie­de­nen Geräten geteilt werden.

Dünger für die Bildung

Am Insti­tut für par­ti­zi­pa­ti­ve Sozi­al­for­schung hat Maria Angerer im Auftrag der Bil­dungs­in­itia­ti­ve Bil­dün­ger eine Studie über Bil­dungs­ge­stal­ter in Öster­reich gemacht. Dazu gehören Lehrer und Leh­re­rin­nen, aber auch private Orga­ni­sa­tio­nen und Pro­jek­te. Die Her­aus­for­de­run­gen? 39 Prozent geben an zu wenig Zeit, weitere 39 zu wenig Geld und 38 Prozent zu wenig recht­li­chen Spiel­raum zu haben. Nur fünf Prozent gaben an, dass es einen Wider­stand von­sei­ten der Schüler gab. Erfreu­li­che Nach­rich­ten. Doch was brau­chen diese Leute dann? Angerer schlägt vor, Unzu­frie­de­ne und Zufrie­de­ne in den Aus­tausch zu bringen. Dazu gehören auch Leh­rer­per­so­nen, denen schlicht­weg Kon­tak­te zu denen fehlen, die etwas ver­än­dern wollen und können.

Das Problem mit der feh­len­den Zeit ist auch eines des neuen Lehr­plans der Digi­ta­li­sie­rungs­stra­te­gie 4.0. Nicht die Inhalte und Mög­lich­kei­ten, sondern die Art und Weise, in der diese ver­mit­telt werden sollen, stoßen auf Hürden. In der neuen Leh­rer­aus­bil­dung gebe es zwar ein Port­fo­lio „Digi­ta­le Kom­pe­ten­zen“, jedoch ist dieses für Lehrer und Leh­re­rin­nen nach wie vor eine Art frei­wil­li­ge Fort- und Wei­ter­bil­dung, heißt es in einem zusam­men­fas­sen­den Vortrag des Bil­dungs­wis­sen­schaft­lers Manuel Rei­sin­ger. Wie also Raum für diese Ent­wick­lun­gen schaf­fen? Dazu kommt, dass das Thema digi­ta­le Geräte bei vielen Lehr­per­so­nen noch auf Abnei­gung stößt. In einer aktu­el­len Studie des IT-Bran­chen­ver­bands Bitkom sprach sich kaum einer der 500 befrag­ten Leh­ren­den für die Ver­wen­dung der mit­ge­brach­ten Smart­phones aus, 90 Prozent sind sogar expli­zit dagegen. Dagegen steht aber das schein­ba­re Enga­ge­ment der Schüler: Der Aussage „Die Schüler sind durch digi­ta­le Medien moti­vier­ter“ stimmen 88 Prozent der Leh­ren­den zu. Braucht es eine inhä­ren­te Ver­än­de­rung des Systems, das digi­ta­le Lehre nicht als sepa­ra­tes Feld sieht?

An der Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­le Wien wird ein solcher inno­va­ti­ver Ansatz getes­tet. In Koope­ra­ti­on zwi­schen den Bun­des­mi­nis­te­ri­en für Familie und Jugend und dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bildung wurde beschlos­sen, das erste Future Class­room Lab (FCL) ein­zu­rich­ten. In diesem geht es darum, ein Klas­sen­zim­mer der Zukunft zu gestal­ten: Lern­grup­pen behan­deln eine For­schungs­fra­ge im Rahmen eines Sta­tio­nen­be­triebs in fünf Lern­pha­sen. In deren Verlauf werden Tech­no­lo­gien ziel­füh­rend und pro­fes­sio­nell ein­ge­setzt. Die zusätz­li­che Zeit im Klas­sen­raum kommt dadurch zustan­de, dass die Leh­ren­den Videos vor­be­rei­ten, die sich die Schüler und Schü­le­rin­nen zu Hause ansehen können. Der Input pas­siert im eigenen Tempo, im Unter­richt wird die Zeit zum Üben ver­wen­det und die Lehr­kraft wird zum Coach – ein soge­nann­tes Flipped Class­room, also umge­dreh­tes Klas­sen­zim­mer.

Die Schule in den Wolken

Einer, der sich schon seit Jahren mit ähn­li­chen Ideen aus­ein­an­der­setzt, ist Sugata Mitra. Der indi­sche Bil­dungs­wis­sen­schaft­ler und Infor­ma­ti­ker zeigte mit seinem Hole-in-the-wall-Expe­ri­men­ten, dass sich Schü­le­rIn­nen ein digi­ta­les Grund­ver­ständ­nis selbst­or­ga­ni­siert und eigen­hän­dig bei­brin­gen können. Dafür stellte er zunächst einen Com­pu­ter mit Inter­net­zu­gang in eine Mau­er­öff­nung eines Slums in Neu-Delhi. Die Kinder, die zuvor noch nie mit Technik geschwei­ge denn Com­pu­tern in Kontakt gekom­men waren, lernten ohne Hilfe von Tutoren, Infor­ma­ti­kern oder Lehrern inner­halb von wenigen Wochen, wie man das Inter­net ver­wen­det. „Wenn man einen siche­ren öffent­li­chen Platz hat, an dem Leute sehen können, was pas­siert, funk­tio­niert das immer. Vor­aus­set­zung ist, dass die Kinder in Gruppen arbei­ten“, sagt er beim Zukunfts­fo­rum Bildung.

Nach dem Start 1999 wie­der­hol­te Mitra das Expe­ri­ment an vielen Orten welt­weit – jedes Mal erfolg­reich –, bis es schließ­lich Eingang in bri­ti­sche Klas­sen­zim­mer fand. Das Expe­ri­ment ent­wi­ckel­te sich in ein Projekt, das Projekt in ein Konzept. Heute gibt es SOLES – self orga­ni­zed lear­ning envi­ron­ments –, die in Kom­bi­na­ti­on mit tech­ni­schen Hilfs­mit­teln auch „schools in the cloud“ genannt werden, auf der ganzen Welt. In Klas­sen­zim­mern kann das so aus­se­hen: Eine Person stellt eine Frage. Den Kindern wird dar­auf­hin in Gruppen ein Gerät mit Inter­net­zu­gang zur Ver­fü­gung gestellt, um diese Frage zu lösen. Die Ant­wor­ten werden dar­auf­hin bespro­chen. „Kinder können auf diese Weise wirk­lich alles lernen“, so Mitra. Sollte seine These stimmen, dann schreit diese Ent­wick­lung gera­de­zu nach einer Umstruk­tu­rie­rung der Klas­sen­räu­me und unserer Ideen von Wis­sens­ver­mitt­lung.

Mitra schlägt vor, digi­ta­le Fähig­kei­ten nicht als sepa­ra­tes Fach zu sehen, sondern in den gene­rel­len Tages­ab­lauf aller Fächer zu inte­grie­ren. Die Fähig­kei­ten com­pre­hen­si­on, com­mu­ni­ca­ti­on und com­pu­ting, also Ver­ständ­nis, Kom­mu­ni­ka­ti­on und EDV würden Lesen, Schrei­ben und Rechnen erset­zen. Zusätz­li­che Fächer wären schlicht „Das Inter­net“ (und wie es funk­tio­niert) sowie „kom­ple­xe dyna­mi­sche Systeme“, deren Ver­ständ­nis er die Physik der Zukunft nennt. Dazu gehört etwa auch das Phä­no­men, das er selbst beschrie­ben hatte: die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on von Gruppen.

Mut zur Ver­än­de­rung

Stoßen die Schüler dabei auf kon­tro­ver­se Infor­ma­tio­nen, gäbe es not­wen­di­ge, auto­ma­ti­sche Mecha­nis­men: „Ich habe oft erlebt, dass sich die Schüler selbst kor­ri­gie­ren“, so Mitra. Stößt eine Gruppe auf ein selt­sa­mes Ergeb­nis, wird es Ein­wän­de von anderen Mit­schü­lern geben. So ist es auch möglich, die Rolle der Lehrer der Zukunft zu defi­nie­ren. Sie wären die­je­ni­gen, die diese Pro­zes­se beglei­ten und natür­lich auch die Fragen stellen, von denen anfangs aus­ge­gan­gen wird.

Diese par­ti­zi­pa­ti­ven Ansätze schei­nen auch in die Auf­fas­sung von Chris­tia­ne Spiel zu passen. Sie ist Pro­fes­so­rin für Bil­dungs­psy­cho­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Wien: „Kinder und Jugend­li­che müssen lernen, mit Ver­än­de­rung umzu­ge­hen“, erwähnt sie bei der Podi­ums­dis­kus­si­on im Muse­ums­quar­tier. Dabei sei es auch wichtig, auf­sei­ten der Lehrer nicht nur eine Lösung für ein Problem zu geben, sondern zu fördern, dass gemein­sam mit einem Team an einer Viel­zahl von Lösun­gen gear­bei­tet wird. Im nächs­ten Schritt gehöre auch noch dazu, zuzu­hö­ren, welche Logik andere Gruppen für sich beschlos­sen haben und daraus zu lernen. „Es geht nicht darum, Fehler der Schüler auf­zu­zei­gen, sondern ihnen Mut zu geben, etwas zu ver­än­dern.“

Foto­credit: iStock

Weitere Beiträge

Neu­eröff­nung: One&Only kommt nach Fidschi

Kerzner Inter­na­tio­nal Hol­dings Limited plant die Eröff­nung des ersten One&Only Resorts mit exklu­si­ven Private Homes auf den Fidschi-Inseln. Das Luxus­re­sort soll bereits 2029 auf den Yasawa-Inseln im Westen Fidschis erste Gäste emp­fan­gen. Der Verkauf der pri­va­ten Villen beginnt diesen Novem­ber. 

Story lesen
Materials Center Leoben

Sili­zi­um in Hoch­leis­tungs­bat­te­rien – Hoff­nungs­trä­ger mit Her­aus­for­de­run­gen

“Der Weg zur nach­hal­ti­gen Mobi­li­tät führt über leis­tungs­fä­hi­ge­re Lithium-Ionen-Bat­te­rien. Dabei rückt Sili­zi­um als Anoden­ma­te­ri­al in den Fokus: Mit einer unge­fähr zehnmal höheren theo­re­ti­schen spe­zi­fi­schen Spei­cher­ka­pa­zi­tät als her­kömm­li­ches Graphit ver­spricht es deut­lich höhere Ener­gie­dich­ten”, erklärt Dr. Roland Brunner vom Mate­ri­als Center Leoben (MCL).

Story lesen

Neu­eröff­nung: One&Only kommt nach Fidschi

Kerzner Inter­na­tio­nal Hol­dings Limited plant die Eröff­nung des ersten One&Only Resorts mit exklu­si­ven Private Homes auf den Fidschi-Inseln. Das Luxus­re­sort soll bereits 2029 auf den Yasawa-Inseln im Westen Fidschis erste Gäste emp­fan­gen. Der Verkauf der pri­va­ten Villen beginnt diesen Novem­ber. 

Story lesen