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Bessere Logis­tik kann CO2-Ausstoß der Fracht­bran­che senken

Eine Ver­rin­ge­rung der Emis­si­on von CO2 im Trans­port­sek­tor kann auch über eine bessere Logis­tik erreicht werden. An der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben ent­wi­ckelt man Mög­lich­kei­ten für die Drei-V-Stra­te­gie: Ver­mei­den – Ver­la­gern – Ver­bes­sern. Die Umset­zung schei­tert oft – noch – an den Kosten für die Unter­neh­men.

Ein Viertel der welt­wei­ten CO2-Emis­sio­nen wird durch den Trans­port von Per­so­nen und Gütern ver­ur­sacht. Sieben Prozent ent­ste­hen durch die Beför­de­rung von Fracht und da über­wie­gend durch den Trans­port per Lkw.

„Wir haben ver­sucht, neue Wege für eine Reduk­ti­on des CO2-Aus­sto­ßes in der Logis­tik zu finden“, schil­dert Philipp Miklautsch vom Lehr­stuhl für Indus­trie­lo­gis­tik an der Mon­tan­uni Leoben (MUL) die Anfänge seiner Arbeit. Die ursprüng­li­che Idee sei gewesen, Opti­mie­rungs­mög­lich­kei­ten auf mathe­ma­ti­scher Ebene zu ent­wi­ckeln.

„Dafür haben wir den Ist-Zustand ana­ly­siert und Opti­mie­rungs­va­ri­an­ten unter­sucht: Das ging von einer Redu­zie­rung der Fahrten über den Einsatz alter­na­ti­ver Ener­gie­sys­te­me oder ganz simple Maß­nah­men wie das Betan­ken eines Gas-Lkw, wenn dieser ohnehin an einer Bio­gas­an­la­ge vor­bei­kommt.“ All diese Daten sollten in ein Geo­in­for­ma­ti­ons­sys­tem ein­ge­speist werden, um dann Opti­mie­rungs­mög­lich­kei­ten zu finden.

Im Gespräch mit Unter­neh­men, so Miklautsch, wollte man dann her­aus­fin­den, ob über­haupt Inter­es­se an der­ar­ti­gen Maß­nah­men besteht. „Da haben wir dann viele Bau­stel­len gefun­den“, erin­nert sich der Wis­sen­schaft­ler. Neben ope­ra­ti­ven Hürden und der Resis­tenz gegen Ver­än­de­run­gen seien es vor allem die Kosten gewesen, die die Firmen abge­schreckt hätten. „An die Kunden wei­ter­ge­ben konnten sie die ja nicht“, so Miklautsch. Außer­dem wurde die feh­len­de Infra­struk­tur – etwa zu wenige E‑Ladestationen und Was­ser­stoff­tank­stel­len moniert.

Auch die Moti­va­ti­on sei gering gewesen. „Logis­tik ist nicht wirk­lich sicht­bar, man erkennt sie nicht im Produkt. Daher gibt es auch keine Bereit­schaft, für einen umwelt­freund­li­che­ren Trans­port einen höheren Preis zu bezah­len. Wir ver­su­chen deshalb, neue Wege zu finden, um die Wirt­schaft zu einem CO2-freien Trans­port zu bewegen.“

Für die prak­ti­sche Umset­zung gibt es viele Mög­lich­kei­ten. Die ziel­füh­rends­te, ist Miklautsch sicher, sei „Ver­mei­den – Ver­la­gern – Ver­bes­sern“. „Ver­mei­den bedeu­tet das Kon­so­li­die­ren von Ladun­gen. Wir müssen das Just-in-time-System zurück­fah­ren und die Lie­fer­zeit­räu­me stre­cken.“ Weil dieses System aber nicht über Nacht und nicht ohne Grund ent­stan­den sei, sei es zwar opti­mier­bar, das CO2-Ein­spa­rungs­po­ten­zi­al sieht der For­scher aber nur bei zehn Prozent.

Doppelt so viel Poten­zi­al habe das Ver­la­gern von Trans­por­ten von der Straße auf die Schiene. „Wir unter­su­chen das gerade an kon­kre­ten Bei­spie­len, Schie­nen­trans­port ist vor allem bei hohen Volu­mi­na und viel Gewicht inter­es­sant. Außer­dem benö­tigt die Wirt­schaft dann wieder größere Lager und das bedeu­tet wie­der­um gebun­de­nes Kapital. Ins­ge­samt ist der Trans­port auf der Schiene nur bei bestimm­ten Rela­tio­nen mit ent­spre­chen­der Distanz, Gewicht und Fre­quenz sinn­voll.“

Die stärks­te Treib­aus­gas­re­duk­ti­on traut Miklautsch dem Ver­bes­sern zu: „Das reicht von Fahr­zeu­gen mit nied­ri­gem Ver­brauch bis zu alter­na­ti­ven Treib­stof­fen wie Bio­die­sel oder Was­ser­stoff. Auf diesem Weg sind irgend­wann wohl CO2-Ein­spa­run­gen von 70 Prozent rea­lis­tisch.“

Ein nicht gerade kleiner Treib­haus­gas­emit­tent ist die Schiff­fahrt. Mit dieser beschäf­ti­gen sich die Logis­tik­for­scher an der Mon­tan­uni aber nur am Rande. Miklautsch erklärt warum: „Für global tätige Unter­neh­men ist der Trans­port per Schiff natür­lich sehr wichtig, aber wir als Öster­rei­cher haben als Bewoh­ner eines Bin­nen­staa­tes nur sehr wenig Ein­fluss auf die Schiffs­bran­che. Darum ist das für uns kein großes Thema.“

In Öster­reich sieht der Leo­be­ner Wis­sen­schaft­ler mitt­ler­wei­le ein gewis­ses Grund­in­ter­es­se der Unter­neh­men, aber 80 Prozent von ihnen würden bisher keine Maß­nah­men zur CO2-Ein­spa­rung beim Trans­port umset­zen. „Die Firmen bestel­len Güter, dabei geht es ihnen um den Termin und nicht um Treib­haus­ga­se. Sie ziehen sich auf den Stand­punkt zurück, dass der Trans­por­teur der Ver­ur­sa­cher ist und nicht der Ver­sen­der oder Bestel­ler. Das gehe sie nichts an.“ An der MUL sei man deshalb aktuell sehr bemüht, die Indus­trie von alter­na­ti­ven Beför­de­rungs­mög­lich­kei­ten zu über­zeu­gen.

Miklautsch nennt aber auch posi­ti­ve Bei­spie­le. Eines davon ist die Gösser Braue­rei: „Dort wird aus den Rest­stof­fen, die im Brau­pro­zess anfal­len, Biogas erzeugt. Das wird nicht nur zur Gewin­nung der Pro­zess­wär­me ver­wen­det, sondern auch kom­pri­miert und in den Lkw des Unter­neh­mens ver­wen­det. Das ist eine schöne Mög­lich­keit, den Kreis­lauf zu schlie­ßen.“

Enormes Poten­zi­al sieht der Logis­tik­ex­per­te unter anderem bei der Zement­in­dus­trie. Dort fällt che­misch bedingt beson­ders viel CO2 an. „Das könnte man auf­fan­gen und mit­hil­fe nach­hal­ti­ger Energie in Treib­stof­fe umwan­deln. Es gibt viele Mög­lich­kei­ten, etwas zu tun.“
In der Pflicht sieht Miklautsch auch den Gesetz­ge­ber. „CO2 muss stärker bepreist werden. Die der­zei­ti­gen 25 Euro pro Tonne werden nicht viel bewir­ken, höhere Preise irgend­wann schon. Am Ende des Tages muss die Treib­haus­gas­re­duk­ti­on den Unter­neh­men etwas bringen, lukra­tiv sein, weil Kosten ver­mie­den werden können oder zumin­dest über das Mar­ke­ting.“

Kontakt:
https://logistik.unileoben.ac.at

ZUR PERSON
Philipp Miklautsch hat an der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben Indus­trie­lo­gis­tik stu­diert und absol­viert dort gerade sein Dok­to­rats­stu­di­um. Der gebür­ti­ge Kärnt­ner beschäf­tigt sich mit der Dekar­bo­ni­sie­rung der Trans­port­lo­gis­tik pro­du­zie­ren­der Unter­neh­men.
Vor seiner Assis­ten­ten­tä­tig­keit am Lehr­stuhl für Indus­trie­lo­gis­tik war Miklautsch selbst­stän­di­ger IT-Berater. Er bezeich­net sich selbst als lei­den­schaft­li­chen Tech­ni­ker und Bastler.

Foto­credit: MUL

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