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Auch beim Beton gibt es echte Quan­ten­sprün­ge

Beton – das ist in der lai­en­haf­ten Sicht­wei­se Zement, Sand und Wasser. Im Grund­satz ist das durch­aus richtig, in der Praxis gibt es aber eine Viel­zahl ver­schie­de­ner Beton­ar­ten, die für ganz spe­zi­el­le Zwecke zusam­men­ge­mischt werden. Eine dieser Arten ist der soge­nann­te ultra­hoch­fes­te Beton, der einen Quan­ten­sprung in der Werk­stoff­ent­wick­lung auf Zement­ba­sis dar­stellt.

Das Kürzel UHPC steht für Ultra High Per­for­mance Con­cre­te, also ultra­hoch­fes­ten Beton. UHPC ist ein Sam­mel­be­griff für ver­schie­de­ne Beton­mi­schun­gen, die sich durch beson­ders hohe Dich­tig­keit und Fes­tig­keit aus­zeich­nen. Der inno­va­ti­ve Bau­stoff für beson­ders große Belas­tun­gen wurde mit­hil­fe der For­schungs­för­de­rungs­ge­sell­schaft FFG von Wis­sen­schaft­lern der Öster­rei­chi­schen Bau­tech­nik Ver­ei­ni­gung ÖBV ana­ly­siert und es wurden Richt­li­ni­en für seinen Einsatz erstellt.

„Durch Zugabe von Fasern können die Duk­ti­li­tät – also die Fähig­keit zur plas­ti­schen Ver­for­mung unter Scher­be­las­tung – und das Zug­ver­hal­ten in einer großen Band­brei­te ent­spre­chend den Anfor­de­run­gen der Kon­struk­ti­on vari­iert werden“, erklärt Jürgen Sil­ber­knoll, Refe­rent für For­schung und Fach­aus­schüs­se beim ÖBV. „Dank dieser Eigen­schaf­ten und seiner Lang­le­big­keit eignet sich UHPC für stark belas­te­te Bau­tei­le, bei denen geringe Mate­ri­al­stär­ke und schlan­ke Maße gefor­dert sind, zum Bei­spiel Brücken. UHPC bietet sich aber auch an, um bestehen­de Bau­wer­ke mit gerin­gem Mate­ri­al­auf­wand dau­er­haft zu ver­stär­ken oder sogar abzu­dich­ten. Ein wei­te­res Anwen­dungs­ge­biet können UHPC-Erzeug­nis­se mit nur unter­ge­ord­ne­ten sta­ti­schen Anfor­de­run­gen sein, etwa für Kanal­git­ter­ein­läu­fe oder Was­ser­ab­läu­fe an Brücken.“

Erst im Sep­tem­ber hat die ÖBV beim 5. Grazer Beton­kol­lo­qi­um eine genaue Richt­li­nie für ultra­hoch­fes­ten Beton vor­ge­stellt. Dass es bisher nur Pilo­t­an­wen­dun­gen für diesen Bau­stoff gab, lag nämlich zu einem Gutteil an feh­len­den Stan­dards für seinen Einsatz.

Die Para­me­ter für die Richt­li­nie wurden in einem zwei­jäh­ri­gen For­schungs­pro­jekt von einem Kon­sor­ti­um aus Bau- und Zulie­fer­un­ter­neh­men, Planern und Uni­ver­si­täts­in­sti­tu­ten erar­bei­tet. „Dabei wurde zum Bei­spiel auch unter­sucht, welche UHPC-Sorten sich mit den gän­gi­gen Beton­mi­scher­ty­pen her­stel­len lassen und welche Vor­ga­ben dabei zu beach­ten sind“, erklärt der ÖBV-For­schungs­re­fe­rent. In ins­ge­samt sechs Sparten hat das Kon­sor­ti­um von der Misch- und För­der­tech­nik über Anwen­dun­gen und Bemes­sun­gen bis zur Qua­li­täts­si­che­rung alle rele­van­ten Aspekte für den Einsatz des Werk­stof­fes unter die Lupe genom­men. Die Ergeb­nis­se der For­schungs­tä­tig­kei­ten sind direkt in die Richt­li­nie ein­ge­flos­sen.

„Ohne die Pro­jekt­för­de­rung durch die FFG wäre die Erstel­lung der Richt­li­nie nicht möglich gewesen“, ist Jürgen Sil­ber­knoll über­zeugt. „Die För­de­rung hat es erst ermög­licht, für eine Dauer von zwei Jahren derart umfas­sen­de Unter­su­chun­gen vor­zu­neh­men, wie sie zur Klärung der offenen Fragen nötig waren. Somit konnten mit Ende des For­schungs­pro­jekts die Grund­la­gen für eine breite Pra­xis­an­wen­dung von UHPC zum spe­zi­el­len Nutzen für die gesamte Bau­in­dus­trie, Planer und letzt­lich für die Bau­her­ren und die All­ge­mein­heit in Öster­reich geschaf­fen werden.“

Das erste aus ultra­fes­tem Beton errich­te­te Bauwerk der Welt steht übri­gens in Öster­reich, genauer gesagt in Kärnten. In der Nähe von Völ­ker­markt über­spannt die 157 Meter lange und 14 Meter breite Wild­brü­cke eine kleine Tal­soh­le. Ein­zig­ar­tig ist sie durch den rund 70 Meter weiten Bogen aus UHPC. Sie wurde 2010 errich­tet und dient in erster Linie dem Werks­ver­kehr der Firma Wild. Fach­leu­te schät­zen die Nut­zungs­dau­er dieses Bau­stoffs, aus dem dieses Trag­werk errich­tet wurde, auf über 200 Jahre und ver­glei­chen es mit den Eigen­schaf­ten von Granit.

Öster­rei­chi­sche Forschungs­förderungsgesellschaft FFG
För­der­ser­vice +43 (0) 5 7755–0
foerderservice@ffg.at
www.ffg.at

Die Öster­rei­chi­sche For­schungs­för­de­rungs­ge­sell­schaft FFG ist die natio­na­le För­der­agen­tur für ange­wand­te For­schung und Ent­wick­lung in Öster­reich und unter­stützt öster­rei­chi­sche Unter­neh­men, For­schungs­in­sti­tu­tio­nen und For­schen­de mit einem umfas­sen­den Angebot an För­de­run­gen und Ser­vices. Die FFG steht im Eigen­tum der Repu­blik Öster­reich. Eigen­tü­mer­ver­tre­ter des Bundes sind das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Kli­ma­schutz, Umwelt, Energie, Mobi­li­tät, Inno­va­ti­on und Tech­no­lo­gie (BMK) und das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Arbeit und Wirt­schaft (BMAW).

Foto­credit: iStock (ste­phen­kir­sh)

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