Bis in die frühesten Zeiten der Menschheit zurück reicht der kreative Impuls, der sich im Funktionellen wie auch im Spirituellen unterschiedlich manifestiert.
In Höhlenzeichnungen und Felsritzungen, auf Gegenständen des Haushalts und auf Waffen genauso wie auf Textilien finden sich Zeichen und Symbole rätselhaften Inhaltes. Es besteht kein Zweifel, dass Teppiche multifunktionale Erzeugnisse sind.
Neben ihrer Wohn- und Dekorfunktion und ihrer spirituellen Bedeutung sind sie Verdichtungen von Weltsicht und Glauben. Sie sind meist geprägt von einer maximalen Formenreduktion, nicht selten überhaupt monochrom, und sie sind nahezu ausschließlich für den privaten Gebrauch produziert.
Ihr vereinfachtes Formenvokabular, das sich letztlich sowohl von klassischen Teppichornamenten als auch von archaischen, vorislamischen Symbolen und Zeichen ableiten lässt, erinnert das westliche Betrachterauge sofort an ästhetische Vorstellungen moderner Kunst. Klarheit, Abstraktion und die starke Bildwirkung dieser Textilien rücken sie in die Nähe eines modernen Bildverständnisses.
Meist dienen sie als Ritualgegenstände, Schlafdecken, Gebetsteppiche, Satteldecken oder hängen zur Temperaturisolation an den Zeltwänden. Sie waren Ausdruck von Freude, Feiern und Leben und wurden wie alle Teppiche grundsätzlich als Multifunktionsgegenstände verwendet. Man erfasst sie nicht nur visuell, wie es die abendländische Wahrnehmung nahelegt, der taktile Charakter der Materialität legt auch Multisensualität nahe.
Bis vor Kurzem relativ unbeachtet, erwecken diese hochflorigen taktilen Kunstwerke – meist aus glänzendem, gebratenem Ziegenhaar, seidiger als Seide – mehr und mehr das Interesse westlicher Sammler.
Zu selbstverständlich sind Teppiche im Westen auf Bilder reduziert und ist die Vielfalt dieser Erzeugnisse in den Hintergrund gedrängt worden. Nicht nur die formale Qualität – Reduktion bzw. Abstraktion –, sondern auch ihre Unbestimmtheit bezüglich ihrer Verwendung entspricht dem, was wir von der Gegenwartskunst verlangen. So sind Teppiche genauso dreidimensionale Gebrauchsgegenstände wie zweidimensionale Bilder.
Geknüpfte Mythen – Kultobjekte Zentralanatoliens
The Tiftik Collection
28. November 2025, Eröffnung: 19.00 Uhr
Galerie Reinisch, Hauptplatz 6, 8010 Graz
Einführung: Helmut Reinisch
Ausstellung bis: 7. Februar 2026



