Der Titel „Bei Sonnenaufgang. Endgegner“ beschwört die Bedeutungskraft von Schwellenübertretungen herauf: das Aufscheinen eines neuen Tages, das Aufsteigen in eine höhere Ebene oder auch den Beginn eines Zyklus, der zugleich Prüfung und Verheißung ist. „Endgegner“ ist hier als geflügelter Begriff einer ganzen Generation zu verstehen. Für Khol beschreibt er die psychologische Konfrontation mit einem Widerstand, der sich erst im Moment seiner Überwindung als Wegweiser entpuppt, ein Spannungsfeld zwischen Verantwortung und Komfort, Industrialisierung und Umwelt, in dem der Künstler sich selber sieht und vor dem er Endgegner wahrnimmt.“
Khols Arbeiten verweigern sich der schnellen Lesbarkeit und fordern Betrachter:innen dazu auf, ein neues Narrativ zu denken: eines, das die innere Arbeit mit der äußeren Wirklichkeit verbindet und die Schönheit dieser Erde – und uns Menschen darin – nicht nur als Erscheinung, sondern als Verantwortung erkennt. Mit dem Doppelbild des Sonnenaufgangs und des Endgegners entfaltet Khol ein Werk, das zwischen Widerstand und Resonanz oszilliert. Der Endgegner erweist sich hier nicht als Feind, sondern als Schwellenfigur – als Einladung, uns auf Resonanzen einzulassen, uns der eigenen Verantwortung zu stellen und das nächste Level unseres Bewusstseins zu betreten.
Die titelgebende Skulptur „Bei Sonnenaufgang. Endgegner“ greift das Motiv der letzten Prüfung auf. Ausgehend von zeitgenössischen Materialien und Methoden formt Khol ein Bergmassiv, das auf drei Beine gestellt ist und sich gleichsam um eine unsichtbare Achse dreht. Inspiriert von der Landschaft um den Ossiacher See, entwickelte dieses Gebilde bereits im Arbeitsprozess ein Eigenleben: Was als kontrollierbarer Plan begann, verselbstständigte sich, wuchs in unberechenbare Formen hinein und stellte sich dem Künstler als Prüfstein entgegen – nicht nur handwerklich, sondern auch existenziell.
In seinen Gemälden macht Khol das Licht zum eigentlichen Akteur. Palmen, Papageien und tropische Motive erscheinen in schwebenden, oft blauen Räumen, die unbestimmt bleiben: Befinden wir uns unter Wasser, unter Eis, in einem verregneten Sonnenuntergang? Farbe entsteht hier nicht als Eigenschaft des Objekts, sondern als Resultat des Lichts selbst – absorbiert, reflektiert, schwingend. So macht die Malerei ein unsichtbares Geflecht sichtbar: ein Spiel zwischen Verlust und Erscheinung; zwischen dem, was vergeht, und dem, was aufscheint.
Diese Bildräume sind keine exotischen Kulissen. Sie formulieren vielmehr eine Gegenfrage: Was vermögen wir angesichts einer Welt, die von Kriegen, Zerstörung und medialer Manipulation geprägt ist, überhaupt noch wahrzunehmen? Khols Bilder gleichen einem Schutzraum, der zugleich die Natur erfahrbar macht und eine Distanz zu den täglichen Überwältigungen des Nachrichtenstroms ermöglicht.
Julian Khol wurde 1979 in Wien geboren. Er studierte Malerei an der Universität für angewandte Kunst Wien bei Christian Ludwig Attersee und an der Kunstakademie Düsseldorf bei Herbert Brandl, wo er 2011 sein Meisterschüler-Diplom abschloss. Seit 2018 stellt er auch Skulpturen aus.
Galerie Reinisch Contemporary
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