Kroa­ti­ens ver­steck­tes Juwel

Manchmal verlangt das ­Leben nach einem Ort, der sich nicht anbiedert. Nach einer Destination, die keine Bühne, sondern Wesen ist.

Und wenn das Glück einem hold ist, ent­deckt man eine solche Gegend: mit gedie­ge­ner Patina statt Hoch­glanz – dort, wo Genuss, Geschich­te und Gast­freund­schaft zu einem Zustand werden, der tief berührt. Die Kvarner Bucht ist ein solcher Ort. Ein Ort, der einlädt, statt zu rufen. Der lebt statt posiert.

Es beginnt, wie große Geschich­ten begin­nen: leise. Das Meer murmelt sanft. Die Riviera von Opatija schim­mert wie ein fas­zi­nie­ren­des Ölge­mäl­de, statt in grellen Post­kar­ten­far­ben zu über­frach­ten. Und doch liegt eine beson­de­re Span­nung in der Luft, getra­gen von einst hier gedach­ten großen Gedan­ken, deren Nach­hall bis heute spürbar ist.

Man wohnt im Hotel Miramar, aber in Wahr­heit resi­diert man in einem Gefühl. Die Belle Époque wohnt hier nicht hinter Glas – sie steht am Früh­stücks­buf­fet, trägt Hut, lächelt diskret. Marmor, Zedern, die ewige Wehmut der Adria. Man könnte Sisi begeg­nen oder sich selbst – etwa auf einem Spa­zier­gang entlang des ein­zig­ar­ti­gen Ufer­pro­me­na­den­wegs Lungo­ma­re, auch bekannt als Kaiser-Franz-Josef-Weg. Der Blick hinaus auf das Meer, das hier mehr Seele als Wasser ist.

Lovran / Die Poesie eines Tellers

Ein paar Kurven weiter, hinter einer Mauer aus Lorbeer und Geschich­te, liegt Lovran. Ein Dorf, das man sich nicht male­ri­scher aus­den­ken könnte. Stein­gäss­chen, in denen die Hitze klebt, eine Kirche, die wie ein beglü­cken­der Zufall wirkt – und dann: das Ganeum.

Jurica Obrov, der heutige Küchen­chef, kocht mit der Hingabe eines Kom­po­nis­ten, der seine Par­ti­tu­ren auf Tellern notiert. Seine Gerich­te – fein, durch­dacht, tief in der Region ver­wur­zelt – setzen die Vision seines Mentors Robert Benzia fort, der die Ganeum-Idee einst als kuli­na­ri­schen Lie­bes­brief an die Kvarner Region ins Leben rief.

Ob Trüffel aus Istrien, Gnocchi, die wie kleine Wolken schme­cken, oder fang­fri­sche Scampi: Hier ist nichts belie­big. Und nichts geküns­telt. Jeder Teller ist ein Dialog – zwi­schen Koch, Erzeu­ger und Gast. Man spricht nicht nur über die Pro­duk­te, man kennt sie. Und nennt ihre Erzeu­ger beim Vor­na­men – oder wie Robert sagt: „Das sind keine Lie­fe­ran­ten. Das sind Freunde.“

Volosko / Wo der Branz­ino das Sagen hat

Volosko offen­bart sich dem Besu­cher als hin­rei­ßen­de Ent­de­ckung. Und wer das Glück hat, sich in das Plavi Podrum zu setzen – am besten bei leich­tem Wind, mit Blick auf den Hafen, – der ver­steht, was kuli­na­ri­sche Sou­ve­rä­ni­tät bedeu­tet.

Daniela Kra­ma­rić ist keine Som­me­liè­re. Sie ist eine Padrona. Eine Figur wie aus einem ita­lie­ni­schen Roman – nur mit exzel­len­ter Kel­ler­kennt­nis. Ihre Wein­kar­te ist nicht kura­tiert, sie wird gelebt. Und die Küche? Ein schwär­me­ri­sches Kapitel für sich.

Küchen­chef Đuro Tomic zaubert einen Branz­ino in Man­del­krus­te, der nicht fragt, ob man Fisch mag – er über­zeugt. Auch hier gilt: Die Zutaten sind viel mehr als Roh­stof­fe. Sie sind Ver­trau­te. Edel und echt. Die Fischer, die Winzer, die Oli­ven­öl­pro­du­zen­ten – sie alle sind Teil des Hauses, der Haltung, des Geschmacks. Hier wird nicht nur gekocht. Hier wird medi­ter­ra­ne Lebens­freu­de auf Teller und in Gesich­ter gezau­bert.

Hotel Navis / Design mit Geschmack

Am stei­ner­nen Ende einer Steil­küs­te wächst ein Hotel wie ein Gedanke aus Glas. Das Navis ist mehr als eine Unter­kunft, es ist eine These: Man kann sich dem Meer archi­tek­to­nisch spek­ta­ku­lär annä­hern. Und kuli­na­risch.
Kruno und Andrea Kape­t­a­nović haben hier ein Refu­gi­um geschaf­fen, das wie ein futu­ris­ti­sches Schwal­ben­nest an der Kvarner Riviera klebt – mit Aus­bli­cken, die sich zwi­schen Traum und Hori­zont bewegen.

Der Brunch – und man möge das Wort mit Respekt aus­spre­chen – gleicht einem täg­li­chen Fest: Austern um 08:30, Pan­cet­ta mit Fei­gen­mar­me­la­de, Schaum­wei­ne mit Aus­sicht. Bis 11:00 Uhr zele­briert man hier, was anders­wo als Zeit­ver­schwen­dung verpönt ist: einfach nur zu genie­ßen und den Blick unend­lich lange schwei­fen zu lassen.

Das Dinner? Drei Hauben – selbst­ver­ständ­lich. Und doch ohne Eitel­keit. Die Küche denkt medi­ter­ran, atmet adri­a­isch und ser­viert mit jener dis­kre­ten Gran­dez­za, die ent­steht, wenn man die Her­kunft aller Zutaten ganz genau kennt. Küchen­chef Tino Sinožić, Mit­glied der JRE Kroa­ti­en, kom­po­niert deli­ka­te Fusion­gerichte aus Meer und Hin­ter­land – Kvarner Scampi, Thun­fisch-Tatar, Zitru­s­emul­si­on – jede Zutat ein Echo der Region. Auch hier gehören die Pro­du­zen­ten zur Geschich­te des Hauses. Und jede Zutat trägt deren Geschich­te in sich.

Kuku­ri­ku / Die Würde der Her­kunft

In Kastav, einem kleinen Ort, der aus­sieht, als hätte jemand eine mit­tel­al­ter­li­che Oper auf Pause gestellt, emp­fängt das Kuku­ri­ku. Der Name klingt ver­spielt, doch der Inhalt ist tief­grün­dig.

Nenad Kukurin, einer der ersten Som­me­liers Kroa­ti­ens, hat hier ein kuli­na­ri­sches Denkmal errich­tet – nicht für sich, sondern für seine Her­kunft. In sechs­ter Gene­ra­ti­on führt er das Haus, heute gemein­sam mit seinem Sohn, der als Küchen­chef die Küche gekonnt ver­fei­nert statt revo­lu­tio­niert.

Die Gerich­te sind vom lokalen Markt inspi­riert und zugleich offen für Neues. Vegan, vege­ta­risch, klas­sisch – alles kann, nichts muss. Hedo­nis­mus ist hier kein modi­scher Begriff, sondern ein kuli­na­ri­sches Ethos. Auch hier gilt: Die Pro­du­zen­ten sind Teil der Familie. Wort­wört­lich.

Finale / Die Kunst des Weg­ge­hens

Am Ende will man ver­wei­len, die Ruhe und den Genuss, das Wahr­haf­ti­ge atmen und spüren. Die Kvarner Bucht ver­wan­delt den Rei­sen­den auf wun­der­sa­me Weise und erfüllt ihn mit Wohl­wol­len für sich und das Leben. Man erkennt, dass Qua­li­tät weit mehr als ein Mar­ke­ting­be­griff ist – sie steht für eine Haltung. Gast­freund­schaft zeigt sich hier als warm­her­zi­ge Geste voller Stolz, die wenig mit Ser­vi­li­tät zu tun hat. Und man staunt, wie sehr ein Ort durch seine Echt­heit bezau­bern kann, weil er sich nicht ver­biegt, um zu gefal­len.

Die Kvarner Bucht ist keine bloße Desti­na­ti­on, sie ist eine Widmung – an die Kunst des Lebens, an das kuli­na­ri­sche Gewis­sen, an den leisen Luxus des Authen­ti­schen. Wer hier­her­kommt, wird nicht unter­hal­ten, sondern tief berührt. Und das, meine Damen und Herren, ist in Zeiten des hek­ti­schen Reisens viel­leicht das höchste aller Güter.

Rei­se­hin­weis: Die Reise fand auf Ein­la­dung der Region Kvarner (www.kvarner.hr) statt.

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