Es gibt Orte, an denen Perfektion so allgegenwärtig ist, dass sie fast steril wirkt. Wer schon einmal in der Osteria Francescana in Modena gespeist hat, kennt diese makellose Welt: Jeder Teller ein Kunstwerk, jede Komponente präzise gesetzt, der Service tadellos, das Ambiente durchdacht bis ins letzte Detail. Ein Erlebnis, das den Verstand beeindruckt – aber mitunter das Herz unerreicht lässt. Denn wenn alles so glatt und fehlerlos erscheint, fehlt jene Begeisterung, die aus kleinen Brüchen und persönlichen Akzenten erwächst.
Mit genau dieser Erwartungshaltung betrat ich das Fera in Palma, geführt von Simon Petutschnig. Auch hier begegnete mir Perfektion – doch sie war von einer anderen Art. Jeder Gang ein Meisterwerk, das den Gaumen überraschte und die Mundwinkel unweigerlich nach oben zog. Aber was Fera von anderen Häusern der Spitzenklasse unterscheidet, ist eine spürbare Herzlichkeit, die sich durch jedes Detail zieht. Eine Atmosphäre, die weit über das hinausgeht, was bloße Technik erreichen kann. Und genau diese Energie machte mich neugierig: Was steckt dahinter?
Im Gespräch mit Simon Petutschnig offenbarte sich eine Geschichte, die weit entfernt ist von den üblichen Karrieren der Haute Cuisine. Er war das sprichwörtliche hässliche Entlein, das nie ganz in seine Umgebung passen wollte. Als Migrant aus Kärnten kam er nach Spanien – ohne die Sprache, ohne Netzwerk, nur mit dem Rüstzeug klassischer Kochschulen aus Österreich, Deutschland und Frankreich. In Ausbildung und Beruf blieb er lange ein Außenseiter. Oft ausgegrenzt, musste er sich seinen Platz in einer fremden Welt mühsam erkämpfen. Die Gefahr, in dieser Situation die Leidenschaft zu verlieren oder in Routine zu erstarren, war stets präsent.
Doch Petutschnig ließ sich nicht entmutigen. Mit außergewöhnlicher Hingabe, mit Respekt vor dem Produkt und einer tiefen Leidenschaft für die Fusion unterschiedlichster Kochwelten ging er unbeirrt seinen Weg – immer wieder die berühmte Extrameile. Aus der Erfahrung des Ausgeschlossenseins formte er eine innere Stärke, die heute nicht nur seine Küche prägt, sondern auch sein Team inspiriert. Im Fera ist er nicht nur Küchenchef, sondern Mentor und Vorbild – ein Mensch, der weiß, wie es ist, gegen den Strom zu schwimmen. Und genau das spürt man in jedem Teller.
Das Ergebnis ist eine Küche, die weit mehr ist als makellose Technik. Hier werden Gerichte zu Erlebnissen, die nicht nur schmecken, sondern sich einprägen. Die Perfektion auf dem Teller ist nie Selbstzweck – sie ist Ausdruck einer Reise, geprägt von Mut, Ausdauer und echter Leidenschaft. Simon Petutschnig ist in der Welt der Kulinarik längst kein hässliches Entlein mehr. Er ist ein Schwan – nicht nur elegant, sondern mit Tiefe, Charakter und Haltung.
So verlässt man das Fera nicht nur satt und beeindruckt – sondern berührt. Mit dem Gefühl, dass Perfektion erst dann vollkommen ist, wenn sie mit Herz gefüllt ist.