Das hässliche Entlein aus Kärnten

Wenn Perfektion berührt: über einen Koch, der seinen Weg aus der Außenseiterrolle in die Herzen seiner Gäste fand.
Fotocredit: Naxto Bassols
Fotocredit: Natxo Bassols
Fotocredit: Natxo Bassols
Fotocredit: Natxo Bassols

Es gibt Orte, an denen Per­fek­ti­on so all­ge­gen­wär­tig ist, dass sie fast steril wirkt. Wer schon einmal in der Osteria Fran­ce­sca­na in Modena gespeist hat, kennt diese makellose Welt: Jeder Teller ein Kunstwerk, jede Kom­po­nen­te präzise gesetzt, der Service tadellos, das Ambiente durch­dacht bis ins letzte Detail. Ein Erlebnis, das den Verstand beein­druckt – aber mitunter das Herz uner­reicht lässt. Denn wenn alles so glatt und fehlerlos erscheint, fehlt jene Begeis­te­rung, die aus kleinen Brüchen und per­sön­li­chen Akzenten erwächst.

Mit genau dieser Erwar­tungs­hal­tung betrat ich das Fera in Palma, geführt von Simon Petut­s­ch­nig. Auch hier begegnete mir Per­fek­ti­on – doch sie war von einer anderen Art. Jeder Gang ein Meis­ter­werk, das den Gaumen über­rasch­te und die Mund­win­kel unwei­ger­lich nach oben zog. Aber was Fera von anderen Häusern der Spit­zen­klas­se unter­schei­det, ist eine spürbare Herz­lich­keit, die sich durch jedes Detail zieht. Eine Atmo­sphä­re, die weit über das hin­aus­geht, was bloße Technik erreichen kann. Und genau diese Energie machte mich neugierig: Was steckt dahinter?

Im Gespräch mit Simon Petut­s­ch­nig offen­bar­te sich eine Geschich­te, die weit entfernt ist von den üblichen Karrieren der Haute Cuisine. Er war das sprich­wört­li­che hässliche Entlein, das nie ganz in seine Umgebung passen wollte. Als Migrant aus Kärnten kam er nach Spanien – ohne die Sprache, ohne Netzwerk, nur mit dem Rüstzeug klas­si­scher Koch­schu­len aus Öster­reich, Deutsch­land und Frank­reich. In Aus­bil­dung und Beruf blieb er lange ein Außen­sei­ter. Oft aus­ge­grenzt, musste er sich seinen Platz in einer fremden Welt mühsam erkämpfen. Die Gefahr, in dieser Situation die Lei­den­schaft zu verlieren oder in Routine zu erstarren, war stets präsent.

Doch Petut­s­ch­nig ließ sich nicht ent­mu­ti­gen. Mit außer­ge­wöhn­li­cher Hingabe, mit Respekt vor dem Produkt und einer tiefen Lei­den­schaft für die Fusion unter­schied­lichs­ter Koch­wel­ten ging er unbeirrt seinen Weg – immer wieder die berühmte Extramei­le. Aus der Erfahrung des Aus­ge­schlos­sen­seins formte er eine innere Stärke, die heute nicht nur seine Küche prägt, sondern auch sein Team inspi­riert. Im Fera ist er nicht nur Küchen­chef, sondern Mentor und Vorbild – ein Mensch, der weiß, wie es ist, gegen den Strom zu schwimmen. Und genau das spürt man in jedem Teller.

Das Ergebnis ist eine Küche, die weit mehr ist als makellose Technik. Hier werden Gerichte zu Erleb­nis­sen, die nicht nur schmecken, sondern sich einprägen. Die Per­fek­ti­on auf dem Teller ist nie Selbst­zweck – sie ist Ausdruck einer Reise, geprägt von Mut, Ausdauer und echter Lei­den­schaft. Simon Petut­s­ch­nig ist in der Welt der Kulinarik längst kein häss­li­ches Entlein mehr. Er ist ein Schwan – nicht nur elegant, sondern mit Tiefe, Charakter und Haltung.

So verlässt man das Fera nicht nur satt und beein­druckt – sondern berührt. Mit dem Gefühl, dass Per­fek­ti­on erst dann voll­kom­men ist, wenn sie mit Herz gefüllt ist.

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