Ver­fah­rens­dau­er versus Umwelt­schutz

Wie die Ergeb­nis­se der letzten Wahl nicht nur in Öster­reich gezeigt haben, dringt die Not­wen­dig­keit eines erhöhten Umwelt­schut­zes vermehrt in das Bewusst­sein der Bevöl­ke­rung. In diesem Zusam­men­hang gilt es, durchaus wider­strei­ten­de Inter­es­sen und Ziel­set­zun­gen in Einklang zu bringen. Sollten Sie anhand eines Gesetzes dieses Span­nungs­ver­hält­nis erläutern – welches Gesetz würden Sie als Beispiel wählen ?

Gabriele Krenn • Meines Erachtens gibt es dafür kein besseres Beispiel als das Standort-Ent­wick­lungs­ge­setz und die Gescheh­nis­se rund um dieses Gesetz. Bekannt­lich räumt dieses Gesetz in der geltenden Fassung der Bun­des­mi­nis­te­rin für Digi­ta­li­sie­rung und Wirt­schafts­stand­ort das Recht ein, einen Stand­ort­ent­wick­lungs­bei­rat zu bestellen, der – wirklich sehr (!) ver­ein­facht gesagt – ent­schei­det, ob in einem spe­zi­el­len Fall ein UVP-Verfahren ord­nungs­ge­mäß bis zum Ende durch­ge­führt und abge­schlos­sen werden muss oder nicht.

Ist Ihrer Meinung nach eine derartige Vor­gangs­wei­se abzu­leh­nen?

Krenn • Ich kann das Ziel von raschen Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren wirklich sehr gut nach­voll­zie­hen und unter­stüt­ze grund­sätz­lich jede Form effi­zi­en­ter Verfahren. Ich glaube aber, dass ein anderer Weg beschrit­ten werden müsste, nämlich der einer Effi­zi­enz­stei­ge­rung der Ver­wal­tung insgesamt. Es muss das Bestreben sein, die Leis­tungs­fä­hig­keit der Ver­wal­tung zu erhöhen, um rasche Verfahren zu ermög­li­chen. Verfahren de facto entfallen zu lassen, weil man sie nicht in ver­nünf­ti­ger Zeit abschlie­ßen kann, halte ich für den falschen Weg. Beim Standort-Ent­wick­lungs­ge­setz ist also vor­ge­se­hen, dass ein Verfahren abgekürzt wird, wodurch es jeden­falls rascher zur Umsetzung von Vorhaben und somit im Regelfall auch früher zu all­fäl­li­gen Beein­träch­ti­gun­gen der Umwelt kommen kann.

Ande­rer­seits gibt es auch Fälle, in denen Maßnahmen zu Umwelt­schutz und Nach­hal­tig­keit durch lange und mühsame Verfahren viel­leicht unnötig erschwert und somit zeitlich verzögert werden. Es geht dabei um die Frage, welche recht­li­chen Hin­der­nis­se für den Einzelnen bestehen, zu Umwelt- und Kli­ma­schutz in seinem nächsten Umfeld bei­zu­tra­gen.

Können Sie dafür ein konkretes Beispiel nennen ?

Krenn • Während es unzwei­fel­haft jedem freisteht, durch Mini­mie­rung von Reisen, den Einkauf regio­na­ler Produkte und die Auswahl des Fahr­zeu­ges bzw. seiner Größe einen Beitrag zu leisten, gestaltet es sich im Bereich Antrieb des Fahr­zeu­ges schon wesent­lich schwie­ri­ger. Bald stößt der Einzelne auf recht­li­che Schwie­rig­kei­ten.

Sie beziehen sich dabei wahr­schein­lich auf erfor­der­li­che Geneh­mi­gun­gen und Zustim­mun­gen Dritter ?

Krenn • Ja genau, mir fällt dazu gerade ein Eigen­tü­mer einer Wohnung oder ein Mieter ein, der z.B. eine Lade­sta­ti­on für ein E‑Auto instal­lie­ren möchte.

Ist es für einen Eigen­tü­mer einer Wohnung oder einen Mieter überhaupt möglich, eine Lade­sta­ti­on für ein E‑Auto zu instal­lie­ren ?

Krenn • Das kann sich für den Einzelnen durchaus schwierig gestalten. Während dies in einem Eigenheim relativ einfach zu bewerk­stel­li­gen ist, stößt der Mit­ei­gen­tü­mer eines Mehrparteienhauses/Wohnungseigentümer oder ein Mieter auf beträcht­li­che recht­li­che Schwie­rig­kei­ten.
Auch wenn der Woh­nungs­ei­gen­tü­mer über einen seiner Wohnung fix zuge­ord­ne­ten Stell­platz verfügt, muss er sich im Regelfall noch immer um die Zustim­mung aller anderen Mit- und Woh­nungs­ei­gen­tü­mer bemühen. Es wird nur in den sel­tens­ten Fällen möglich sein, eine Wallbox ohne Zuhil­fe­nah­me all­ge­mei­ner Teile eines Hauses zu errichten. Wenn dann nur ein einziger Mit­ei­gen­tü­mer seine Zustim­mung ver­wei­gert, bleibt nur der Weg zum Außer­strei­trich­ter.

Was kann man damit erreichen ?

Krenn • Das Gericht kann die Zustim­mung eines oder mehrerer Mit­ei­gen­tü­mer durch gericht­li­che Ent­schei­dung ersetzen. Dabei kommt es aber auch darauf an, ob durch die vor­zu­neh­men­de Ver­än­de­rung schutz­wür­di­ge Interesse anderer Woh­nungs­ei­gen­tü­mer beein­träch­tigt werden. Es ist deshalb schwierig, eine gericht­li­che Ent­schei­dung mit aus­rei­chen­der Sicher­heit vor­her­zu­se­hen.

Könnte man hier durch gesetz­li­che Maßnahmen Abhilfe oder Erleich­te­rung schaffen ?

Krenn • Sinnvoll wäre es meiner Meinung nach, würde der Gesetz­ge­ber zur Förderung der E‑Mobilität die Errich­tung von E‑Ladestationen in den Katalog pri­vi­le­gier­ter Ände­rungs­maß­nah­men gemäß § 16 (2) Z2 WEG aufnehmen. Das hätte den Vorteil, dass der Außer­strei­trich­ter nicht mehr zu prüfen hätte, ob die Änderung der Übung des Verkehrs ent­spricht oder einem wichtigen Interesse des Woh­nungs­ei­gen­tü­mers dient.

Ist mit der (positiven) Ent­schei­dung des Außer­strei­trich­ters dann jedes Problem gelöst ?

Krenn • Leider nein, wenn es keine ent­spre­chen­de ver­trag­li­che Regelung zwischen den Mit­ei­gen­tü­mern gibt, bleibt immer noch die Frage, wer für die Erhaltung der elek­tri­schen Leitungen und der Wallbox aufkommen muss.

Nun leben in Öster­reich immerhin mehr als 40 % der Bevöl­ke­rung in Miete. Ist dieser Per­so­nen­kreis von der Errich­tung einer eigenen Lade­sta­ti­on überhaupt aus­ge­schlos­sen ?

Krenn • Nein, nicht grund­sätz­lich. Wohl aber gestaltet sich die Errich­tung einer E‑Ladestation für einen Mieter noch schwie­ri­ger. Er benötigt natürlich einer­seits einen zuge­ord­ne­ten Stell­platz und kann sich nur nach § 9 MRG auf ein Ände­rungs­recht beziehen. Damit ist auch klar­ge­stellt, dass ein Mieter ohne aus­drück­li­che Ver­ein­ba­rung mit dem Vermieter überhaupt nur im Voll­an­wen­dungs­be­reich des MRG Aussicht hat, einen Anschluss zu errichten.
Auch wird der Mieter davon ausgehen müssen, dass die Inter­es­sens­ab­wä­gung zwischen seinen Inter­es­sen und den Inter­es­sen anderer Betrof­fe­ner anders als im Woh­nungs­ei­gen­tums­recht ausfällt. Seine Rechts­po­si­ti­on ist jeden­falls schwächer als die eines Eigen­tü­mers.
Ein Anreiz für den Mieter, eine E‑Ladestation trotz all dieser Schwie­rig­kei­ten zu errichten, könnte aber der Anspruch auf Inves­ti­ti­ons­er­satz nach § 10 MRG sein. Damit könnte der Mieter am Ende des Bestand­ver­hält­nis­ses die Errich­tungs­kos­ten für die Lade­infra­struk­tur anteilig zurück­ver­lan­gen.

Wie könnte man diese Probleme für Wohnungseigentümer/Mieter vermeiden ?

Krenn • Erleich­te­run­gen für Woh­nungs­ei­gen­tü­mer und Mieter könnten in gesetz­li­chen Änderungen/Klarstellungen bestehen. Es wäre – wie bereits aus­ge­führt – hilfreich klar­zu­stel­len, dass die Errich­tung einer Lade­sta­ti­on samt erfor­der­li­cher Strom­lei­tun­gen eine ver­kehrs­üb­li­che Maßnahme darstellt oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers/Mieters dient. Dies ist z.B. für soge­nann­te pri­vi­le­gier­te Vorhaben im Gesetz geregelt.

Unter pri­vi­le­gier­te Vorhaben fallen zwar grund­sätz­lich die Errich­tung von Strom- Gas‑, Wasser oder Fern­sprech­lei­tun­gen, Behei­zungs­an­la­gen und ähnlichen Ein­rich­tun­gen sowie das Anbringen der nach dem Stand der Technik not­wen­di­gen Ein­rich­tun­gen für den Hörfunk und Fern­seh­emp­fang sowie für Mul­ti­me­dia­diens­te.

Es ist aber zwei­fel­haft, ob die Errich­tung einer Strom­lei­tung für die Ver­sor­gung einer Lade­sta­ti­on auto­ma­tisch als „Errich­tung einer Strom­lei­tung“ unter die pri­vi­le­gier­ten Maßnahmen fällt. Dafür spricht, dass in einigen Bau­ord­nun­gen bereits ver­pflich­tend zumindest die Vorsehung von Leer­ver­roh­run­gen für Lade­sta­tio­nen in neu zu errich­ten­den Gebäuden verlangt wird. Es wäre aber jeden­falls hilfreich, würde dies vom Gesetz­ge­ber klar­ge­stellt. Damit wäre ein weiterer kleiner Schritt Richtung E‑Mobilität getan.

Foto: Gabriele Krenn, Prä­si­den­tin der Stei­er­mär­ki­schen Rechts­an­walts­kam­mer

Foto­credit: Robert Frankl

www.rakstmk.at

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