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Über Bullen, Bären und schwar­ze Schwäne

Auf den Finanz­märk­ten geht es tie­risch zu: Die Bullen treiben die Börsen nach oben, die Bären scheu­chen sie nach unten. Und der schwar­ze Schwan? Der brachte Corona. Was bringt die finanz­wirt­schaft­li­che Zeit­rech­nung nach Covid-19? Wei­ter­hin nied­ri­ge Zinsen, ver­mehr­te Lust aufs Sparen und eine Suche nach alter­na­ti­ven Anla­ge­for­men.

Sir Karl Popper führte einst aus, die Wis­sen­schaft könne trügen, es sei nie und nimmer möglich, Hypo­the­sen end­gül­tig zu bewei­sen. Bei Schwä­nen bei­spiels­wei­se würde die Hypo­the­se gemein­hin lauten: Alle Schwäne sind weiß. Poppers Logik: Nur ein ein­zi­ger schwar­zer Schwan auf der ganzen Welt würde die wis­sen­schaft­li­che Meinung zum Ein­stür­zen bringen. Diesen schwar­zen Schwan hat sich nun die Finanz­welt als Meta­pher gelie­hen. Er steht für ein kaum vor­her­seh­ba­res, unwahr­schein­li­ches Ereig­nis mit weit­rei­chen­den Kon­se­quen­zen. Und dieser schwar­ze Schwan erschien in Form eines Virus und brachte so ziem­lich alles durch­ein­an­der.

In nur drei Monaten gingen durch Ein­brü­che der Märkte in Europa 771 Mrd. Euro ver­lo­ren, in Öster­reich waren es 15 Mil­li­ar­den. In den ersten Wochen des Lock­downs brach die hei­mi­sche Wirt­schaft um ein Viertel ein. Während die einen über die Kata­stro­phe klagten, freuten sich andere: Jeff Bezos von Amazon bei­spiels­wei­se, dessen Ver­mö­gen durch Corona und den Höhen­flug der Aktie seit Jah­res­be­ginn um 24 Mrd. auf 138,5 Mrd. Dollar ange­stie­gen ist. Oder Apple: Das Unter­neh­men über­schritt zu dieser Zeit die 2‑Bil­lio­nen-Grenze seines Bör­sen­wer­tes. Und auch die Spar­ver­mö­gen sind gestie­gen, wie die Bank ING her­aus­ge­fun­den hat: Während das Pri­vat­ver­mö­gen der Öster­rei­che­rin­nen und Öster­rei­cher im ersten Quartal 2020 um 2,2 Prozent gesun­ken ist, stieg es dank Erho­lung der Kapi­tal­märk­te und hoher Neu­an­la­gen um 3 Prozent.

Spar­quo­te gestie­gen

Und wie ging es der hei­mi­schen Bank­wirt­schaft? Der Vor­stands­vor­sit­zen­de der Stei­er­mär­ki­schen Spar­kas­se, Gerhard Fabisch, erin­nert sich: Es sei Anfang März nicht nur ein Wett­lauf mit der Zeit gewesen, die orga­ni­sa­to­ri­schen Struk­tu­ren ein­zu­rich­ten, damit bei Ver­kün­dung des Lock­downs der Bank­be­trieb wei­ter­ge­hen konnte. Es galt auch, besorg­te Kunden zu beru­hi­gen und den Unter­neh­men Liqui­di­täts­hil­fe zu geben. Mit heu­ti­gem Stand betref­fe der Groß­teil der Hilfs­maß­nah­men das Kre­dit­ra­ten­stun­dungs­pro­gramm für rund 11.000 Kunden, zusätz­lich wurde Liqui­di­tät in der Höhe von etwa 600 Mil­lio­nen Euro bereit­ge­stellt. Das Bank­ge­schäft im April und Mai sei sehr gedämpft gewesen, doch die Spar­quo­te sei – wie oft in schwie­ri­gen Situa­tio­nen – gestie­gen, betont Fabisch. Lag die Spar­quo­te im Februar noch bei sechs bis sieben Prozent des ver­füg­ba­ren Ein­kom­mens, ist sie in der Krise auf vier­zehn Prozent gestie­gen – aktuell liege man bei zehn, elf Prozent. Wobei: Das Gespar­te sei „für den Notfall“ auf dem Giro­kon­to belas­sen oder auf das Spar­kon­to umge­schich­tet worden.

Das Zins­ni­veau werde noch länger auf tiefem Niveau bleiben, mög­li­cher­wei­se bis zu zehn Jahre, schätzt Fabisch. Auf dem Finanz­markt gebe es Liqui­di­täts­über­schüs­se, Banken müssten teil­wei­se sogar Straf­zin­sen für die Ver­an­la­gung unter­ein­an­der zahlen. Er sieht die Struk­tu­riert­heit der öster­rei­chi­schen Wirt­schaft als großen Vorteil: Viele Unter­neh­men seien Fami­li­en­be­trie­be, die einer­seits auf einer bes­se­ren wirt­schaft­li­chen Basis stünden und eher private Mittel ein­set­zen, um eine Krise zu über­ste­hen. „Wir schät­zen die Leis­tungs­fä­hig­keit und Resi­li­enz unserer Kunden als hoch ein.“ Frei­lich sei es in dieser Krise schwie­ri­ger, Schlüs­se zu ziehen, nachdem sie keine punk­tu­el­le oder Bran­chen­kri­se sei, sondern alle Berei­che treffe, erklärt Fabisch.

Welche Anla­ge­tipps hat man bei der Stei­er­mär­ki­schen Spar­kas­se? „Fonds haben immer den großen Vorteil der Streu­ung, man kann die Mischung aus Aktien und Anlei­hen selbst wählen“, sagt Fabisch. Ein­zel­ti­tel in Anlei­hen und Aktien können das Port­fo­lio, je nach Risi­ko­ap­pe­tit, erwei­tern. Fonds sollten etwa 50 Prozent der Finan­zie­rungs­ver­an­la­gung aus­ma­chen. Beson­ders erfah­re­ne Anleger können struk­tu­rier­te Pro­duk­te – etwa Wan­del­an­lei­hen – ergän­zen. Gold als Bei­mi­schung in beschränk­tem Umfang sei eben­falls attrak­tiv, aller­dings liege der Kurs bei ca. 2.000 Dollar pro Unze aktuell sehr hoch, zu 1.400 Dollar vor der Krise. Auch wenn gern über tolle, gewinn­brin­gen­de „Super­ak­ti­en“ geredet werde: Selbst große Stif­tun­gen legten ihr Geld eher kon­ser­va­tiv in Fonds mit Anlei­hen und teil­wei­se Aktien an, betont Fabisch – wobei natür­lich auf­grund der Zins­si­tua­ti­on Aktien inter­es­san­ter seien. Aktien sollten nur gewählt werden, wenn das Geld über längere Zeit liegen bzw. arbei­ten kann, der Ein- wie auch der Aus­stieg muss geplant werden und die Kurs­ent­wick­lun­gen beob­ach­tet. Die Ver­an­la­gung einer grö­ße­ren Summe sollte über einen län­ge­ren Zeit­raum erfol­gen. Wichtig sei, sich vorab die Frage zu stellen: Ist man auf das Geld ange­wie­sen, muss man sich stark ein­schrän­ken, falls Wert­ver­lus­te ein­tre­ten? Ent­schei­dun­gen für die Anla­ge­klas­sen sollten durch­ge­hal­ten werden, alles andere kostet nur Geld.

Alter­na­ti­ve Ver­an­la­gun­gen sind gewünscht

Auch mit Lei­den­schaf­ten lässt sich Geld machen. Der „Knight Frank Luxury Invest­ment Index“ berück­sich­tigt außer­ge­wöhn­li­che Invest­ments – etwa Anti­qui­tä­ten, Brief­mar­ken, Wein, Kunst, Old­ti­mer, Uhren – und ver­zeich­ne­te seit 2010 auf alle Berei­che ein Plus von 141 Prozent. Der Old­ti­mer­markt stieg in den letzten zehn Jahren laut Classic-Car-Index auf 194 Prozent, der Whisky-Index klet­ter­te auf stolze 564 Prozent. Es gibt sogar einen Index für Hand­ta­schen, dieser schaff­te es in den ver­gan­ge­nen zehn Jahren „nur“ auf ein Plus von 108 Prozent. Doch dann kamen seltene Hermes-Taschen auf den Markt. Laut „Knight Frank Wealth Report“ schaff­ten Hand­ta­schen dadurch im Vorjahr mit einem Plus von 13 Prozent den größten Wert­zu­wachs im Bereich dieser alter­na­ti­ven Ver­an­la­gungs­for­men. Whisky lag bei nur fünf Prozent, ebenso Kunst. Zweit­bes­ter Per­for­mer nach den Hand­ta­schen waren 2019 Brief­mar­ken (plus sechs Prozent), Münzen legten um drei Prozent zu, Uhren um zwei und Wein um ein Prozent. Ein wich­ti­ges Kri­te­ri­um bei diesen Assets ist Sel­ten­heit. So konnte auf dem Old­ti­mer­markt der BMW 507, von dem nur 254 Stück pro­du­ziert wurden, auf 800 Prozent Wert­stei­ge­rung „beschleu­ni­gen“.

Georg Zenker vom Bera­tungs­un­ter­neh­men Bogen und Partner bemerkt bei seinen wohl­ha­ben­den Kunden ver­stärkt den Wunsch nach Direkt­in­vest­ments oder alter­na­ti­ven Ver­an­la­gun­gen. Auch er deckt mit seinem Team Ren­di­te­brin­ger in Ergän­zung zur bör­sen­ba­sier­ten Ver­mö­gens­ver­wal­tung ab, etwa mit Edel­stei­nen, Immo­bi­li­en oder Fir­men­be­tei­li­gun­gen (mehr dazu ab Seite 28). Immo­bi­li­en gelten dabei als All-Time-Favo­ri­ten, bei vielen Anle­ger­woh­nun­gen sind die Vor­ver­kaufs­gra­de schnell erreicht, zudem haben private Immo­bi­li­en­be­sit­zer durch Corona ihre Wohn­si­tua­ti­on einer genaue­ren Prüfung unter­zo­gen und sind ver­än­de­rungs­be­reit. Was bedeu­tet, dass aktuell einer­seits mehr Objekte auf dem Markt sind, Immo­bi­li­en aber auch gesucht werden.

Nicht blau­äu­gig ins Immo­bi­li­en­ge­schäft gehen

Hier mahnt Rechts­an­walt Michael Kro­pi­unig, Experte unter anderem im Bereich Immo­bi­li­en­kauf und ‑miete, zu Absi­che­rung schon im Vorfeld. Vor dem Kauf einer Wohnung solle die Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft geprüft werden, die Frage nach der Nutz­bar­keit der All­ge­mein­flä­chen und ob es Rück­la­gen für Sanie­run­gen oder Repa­ra­tu­ren gibt. Ist das nicht vor­han­den, kann die Rendite bei auf­wen­di­ge­ren Repa­ra­tu­ren schnell dahin­schmel­zen. Zu beson­de­rer Vor­sicht rät er bei der Wahl der Mieter: Miet­no­ma­den, deren es nicht wenige gäbe, seien bei gewerb­li­chen Ver­mie­tern meist gesperrt und wichen auf den pri­va­ten Markt aus, ein Dilemma für den Woh­nungs­be­sit­zer. Räu­mungs­kla­gen würden sich min­des­tens über ein halbes Jahr ziehen, in der Zeit fließt weder Geld für Miete und Betriebs­kos­ten, „und oben­drein bekommt der Besit­zer mög­li­cher­wei­se eine beschä­dig­te Wohnung zurück“, betont Kro­pi­unig. Als Lösung emp­fiehlt er, die Kaution im Miet­ver­trag ent­spre­chend hoch anzu­set­zen, damit nicht nur Miet­rück­stän­de, sondern auch all­fäl­li­ge Schäden abge­deckt sind. Schon beim ersten Aus­blei­ben der Miete solle man hell­hö­rig werden und spä­tes­tens beim Nicht­zah­len der zweiten Miete einen Anwalt mit der Räu­mungs­kla­ge beauf­tra­gen.

Foto: Gerhard Fabisch, Vor­stands­vor­sit­zen­der Stei­er­mär­ki­sche Spar­kas­se

Foto­credit: Margit Kun­di­gra­ber

 

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