JUST-Redaktion|

Wenn die öffent­li­che Hand blo­ckiert, wer baut dann noch?

Wenn der Kran stillsteht, ist das kein Bau-, sondern ein Denkfehler. Öffentliche Investitionen sind kein Luxus, sondern Standortpolitik – der Lackmustest, ob ein Land an seine Zukunft glaubt.

JUST bat zum Talk mit Josef Herk, Prä­si­dent der Wirt­schafts­kam­mer Stei­er­mark, Oliver Kröpl, Vor­stands­mit­glied der Stei­er­mär­ki­schen Spar­kas­se, Gustav Spener, Prä­si­dent der Kammer der Ziviltechniker:innen für Stei­er­mark und Kärnten und Michael Kro­pi­unig, Prä­si­dent der
Stei­er­mär­ki­schen Rechts­an­walts­kam­mer.

JUST / Wir erleben eine para­do­xe Situa­ti­on: hoher Bedarf, nied­ri­ge Bau­tä­tig­keit. Ist die Rezes­si­on am Ende eine haus­ge­mach­te?

Josef Herk / Zum erheb­li­chen Teil ja. Eine Volks­wirt­schaft fällt nicht, weil sie zu viel baut, sondern weil sie Inves­ti­tio­nen auf­schiebt.
Wer Bau­krä­ne parkt, parkt Wert­schöp­fung, Kom­pe­tenz, Zukunft. Wir zer­re­den jeden Qua­drat­me­ter, ver­lie­ren Jahre – und nennen das Vor­sicht. In Wahr­heit ist das poli­tisch insti­tu­tio­na­li­sier­tes Zögern. Nicht-Ent­schei­den ist ein Kos­ten­fak­tor, kein Sicher­heits­netz.

Michael Kro­pi­unig / Ja, auch Gesetze, die mit der Öko­lo­gi­sie­rung nicht Schritt halten, bremsen. Wenn der Gesetz­ge­ber neue Umwelt­tech­no­lo­gien vor­schreibt, müssen diese auch im Sied­lungs­ge­biet geneh­mi­gungs­fä­hig sein. Die Immis­si­ons­grenz­wer­te gehören daher an die Technik von heute ange­passt – eine Luft­wär­me­pum­pe macht eben Lärm. Und ist es noch zeit­ge­mäß, dass jede Ein­wen­dung, so aus­sichts­los sie auch ist, bis zum Höchst­ge­richt gehen kann? Wenn Pro­jekt­wer­ber jah­re­lang auf Geneh­mi­gun­gen warten, schreckt das Inves­to­ren ab. Sie kal­ku­lie­ren nicht mit Para­gra­fen, sondern mit Bestands­kraft – und die fehlt vie­ler­orts.

JH / Das Ergeb­nis: Pro­jek­te werden so lange „abge­si­chert“, bis sie ver­al­ten. Dann wundert man sich über den „schwie­ri­gen Markt“. Der Markt ist nicht schwie­rig – er ist ver­un­si­chert.

JUST / Was bedeu­tet diese Ver­un­si­che­rung in der Finan­zie­rungs­pra­xis?

Oliver Kröpfl / Ver­zö­ge­run­gen ver­län­gern die Vor­fi­nan­zie­rung und erhöhen Pro­jekt­kos­ten. In der Null­zins­welt konnte man Ver­zö­ge­run­gen aus­sit­zen. Heute ver­ur­sa­chen Kapi­tal­bin­dung und Finan­zie­rungs­kos­ten, gerade bei der Grund­stücks­be­vor­ra­tung, spür­ba­re Lasten. Wenn Ver­fah­ren schlep­pen und Preise steigen, kippt ein Projekt von solide zu nicht trag­fä­hig. Zeit ist Kapital – und Kapital hat wieder einen Preis.

JUST / Mit anderen Worten: Die teu­ers­te Bau­stel­le ist jene, die nicht beginnt?

MK / Genau, da lange Ver­fah­ren Geld kosten und der Markt das Projekt manch­mal schon über­holt hat, bis es geneh­migt worden ist. Und wenn der Gesetz­ge­ber für die Erlas­sung von Bebau­ungs­plä­nen Fristen vor­schreibt, sind diese ohne Wenn und Aber auch ein­zu­hal­ten. Die Ein­stel­lung der Ver­wal­tung muss sich ändern: Ermög­li­chen, und nicht blo­ckie­ren oder ver­zö­gern, muss die Devise sein.

JUST / Warum ist Pla­nungs­si­cher­heit ver­lo­ren gegan­gen?

Gustav Spener / Weil Ver­fah­ren immer kom­ple­xer gewor­den sind. Wir haben eine Flut an Normen, laufend neue Vor­schrif­ten und unter­schied­li­che Voll­zugs­pra­xis. Oft müssen dop­pel­te Nach­wei­se erbracht werden, mehrere Abtei­lun­gen prüfen nach­ein­an­der – das kostet Zeit und Geld, und die ist im Bau­we­sen längst der teu­ers­te Faktor.

JUST / Herrscht über­haupt noch Über­sicht im „Pla­nungs­dschun­gel“?

GS / Für Spe­zia­lis­ten – mit großem Aufwand. Not­wen­dig ist eine kon­se­quen­te Ent­schla­ckung – weniger Büro­kra­tie, mehr Klar­heit und Haus­ver­stand im Vollzug. One-Stop-Shops, die Geneh­mi­gun­gen bündeln, Dop­pel­prü­fun­gen ver­mei­den und alle Betei­lig­ten von Anfang an an einen Tisch bringen, wären ein großer Fort­schritt.

JUST / Die öffent­li­che Hand ver­weist auf Spar­sam­keit und Kli­ma­schutz.

GS / Beides ist wichtig, darf aber nicht zum Brems­klotz werden. Nach­hal­tig­keit heißt planen und bauen mit Ver­ant­wor­tung und Qua­li­tät – ent­schei­dend ist eine pro-
fes­sio­nel­le, unab­hän­gi­ge Planung, die Kli­ma­schutz, Res­sour­cen­scho­nung und Wirt­schaft­lich­keit zusam­men­führt. So ent­ste­hen Pro­jek­te, die öko­lo­gisch sinn­voll sind und wirk­lich Bestand haben.

JUST / Ein Projekt, das zeigt, wie es gehen kann?

JK / In Graz – im Center of Excel­lence der WKO Stei­er­mark haben wir gezeigt, dass nach­hal­ti­ges Denken und wirt­schaft­li­ches Handeln Hand in Hand gehen können. Her­aus­ge­kom­men ist nicht nur ein Bil­dungs­bau, sondern eine Land­mark. Das ist Bau­kul­tur als Stand­ort­po­li­tik. Das ist eine Wette auf die nächste Gene­ra­ti­on Fach­kräf­te – und auf die Region. Und: Ein solcher Bau akti­viert Betrie­be in der Umge­bung und ver­mit­telt das Signal: Hier pas­siert Zukunft.

JUST / Was heißt das für die Rolle des Staates – und für die Finan­zie­rung?

OK / Der Staat hat durch stei­gen­de Schul­den­diens­te Hand­lungs­spiel­räu­me ver­lo­ren und ersetzt Prio­ri­sie­rung mit Gieß­kan­nen­för­de­rung. Das ver­teilt Geld, aber keine Zukunft. Wo Pro­zes­se ver­läss­lich sind, sinken Risi­ko­auf­schlä­ge – und Finan­zie­run­gen werden möglich. Geschwin­dig­keit ent­steht aus Struk­tur, das ist geleb­tes Know-how – auch bei uns in der Stei­er­mär­ki­schen Spar­kas­se.

MK / Der Staat kann sich auch in Zeiten des Spar­drucks nicht darauf zurück­zie­hen, dass kein Geld für mehr Per­so­nal und tech­ni­sche Res­sour­cen vor­han­den ist. Die Arbeits­last in Ämtern und Behör­den gehört gerech­ter ver­teilt. Pres­ti­ge­pro­jek­te, die für die Ver­fah­rens­ab­wick­lung und ‑beschleu­ni­gung keinen erkenn­ba­ren Nutzen bringen, müssen auf­ge­ge­ben oder zumin­dest zurück­ge­stellt werden.

JH / Öffent­li­che Inves­ti­tio­nen sind kein Luxus, sondern Stand­ort­po­li­tik. Gerade in Zeiten knapper Budgets braucht es Prio­ri­tät statt Pau­schalspar­e­rei. Wenn der Staat seine eigenen Pro­jek­te ver­schleppt, sendet er das falsche Signal – wer soll dann noch inves­tie­ren? Inves­tie­ren heißt nicht aus­ge­ben, sondern gestal­ten – und das unter­schei­det aktive Politik von reiner Ver­wal­tung.

JUST / Was sind die schnells­ten Schrit­te, um wieder in Bewe­gung zu kommen?

JH / Ver­wal­tung als Partner – beglei­ten statt ver­hin­dern. Ent­schei­dun­gen ermög­li­chen statt auf­schie­ben.

MK / Ver­fah­ren straf­fen: weniger Ein­wen­dun­gen, kürzere Instan­zen­zü­ge, klare Fristen und Sank­tio­nen bei Ver­zö­ge­run­gen.

GS / Ver­bes­se­rung durch enge Zusam­men­ar­beit – klare Kom­mu­ni­ka­ti­on, gebün­del­te Zustän­dig­kei­ten und Ver­trau­en in die Fach­leu­te.

OK / Ter­min­klar­heit. Wenn Zeit kal­ku­lier­bar wird, ist Finan­zie­rung machbar. Wer inves­tiert, ver­dient Ver­läss­lich­keit.

JUST / Dann halten wir fest: Pla­nungs­si­cher­heit ist die güns­tigs­te För­de­rung.

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