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Fach­ar­bei­ter­man­gel: Lehr­be­ru­fe ohne Nach­wuchs

Das Klagen der Wirtschaft über einen Facharbeitermangel wird nicht leiser. „Für den bevorstehenden Aufschwung könnte das zum Flaschenhals werden“, befürchtet Josef Herk.
Josef Herk ist Präsident der steirischen Wirtschaftskammer. Im Interview mit Klaus Höfler spricht Wirtschaftskammer-Präsident Josef Herk über Lösungen für den Facharbeitermangel.
Josef Herk ist Präsident der steirischen Wirtschaftskammer. Im Interview mit Klaus Höfler spricht Wirtschaftskammer-Präsident Josef Herk über Lösungen für den Facharbeitermangel. Fotocredit: Oliver Wolf.

Die Wirt­schaft beklagt wei­ter­hin den Fach­ar­bei­ter­man­gel und befürch­tet, dass dies zum Fla­schen­hals für den bevor­ste­hen­den Auf­schwung werden könnte. Der stei­ri­sche Wirt­schafts­kam­mer­prä­si­dent Josef Herk fordert einen Schul­ter­schluss und ein Ende des „Wirr­warrs“ im Bil­dungs­be­reich. Es gibt einen Trend zur Aka­de­mi­sie­rung in der Gesell­schaft, auf den die Wirt­schaft mit neuen, moder­nen Berufs­bil­dern reagiert. Dennoch wird es zuneh­mend schwie­ri­ger, Jugend­li­che vom Reiz eines Lehr­be­rufs zu über­zeu­gen. Es braucht Vor­bil­der und Ver­an­stal­tun­gen wie die Euro­pa­meis­ter­schaft der Lehr­be­ru­fe, um Lust auf das Erleb­nis­po­ten­zi­al zu machen, erklärt er im Inter­view mit Klaus Höfler.

Sie führen selbst einen Fami­li­en­be­trieb. Hat Sie Ihr Vater „über­re­den“ müssen, in die Karos­se­rie- und Lackier­werk­statt ein­zu­stei­gen bezie­hungs­wei­se haben Sie Ihren Sohn „über­re­den“ müssen? Oder war es immer klar, dass Beruf und Betrieb wie eine olym­pi­sche Fackel über drei Gene­ra­tio­nen wei­ter­ge­ge­ben werden?

Herk: Bei mir hat das Feuer nicht gleich gebrannt, aber mein Vater hat mir Zeit gelas­sen, mich selbst zu ent­schei­den. Druck hat es nie gegeben. Und so habe ich es auch bei meinem Sohn gehal­ten. Die Begeis­te­rung bei der Nach­fol­ge­ge­nera­ti­on schafft man wohl am besten durch das, wie man Dinge vorlebt.

Dass Bil­dungs­kar­rie­ren der Kinder häufig noch immer durch das Eltern­haus vor­ge­zeich­net sind, ist durch Studien und Sta­tis­ti­ken belegt – auch in seiner weniger erfreu­li­chen Aus­prä­gung, nämlich dass auch ein nie­de­res Niveau „vererbt“ wird.

Herk: Aber dass man zum Hackler ver­dammt ist, weil man aus einer Arbei­ter­fa­mi­lie stammt, und umge­kehrt jeder Aka­de­mi­ker, unab­hän­gig von seinem Können, auto­ma­tisch ein A‑Beamter wird – dieses, hier über­zeich­ne­te, Kas­ten­den­ken weicht sich auf. Die Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen white & blue-colou­red worker ver­liert an Bedeu­tung. Es gibt einen Trend zur Aka­de­mi­sie­rung in der Gesell­schaft, auf den die Wirt­schaft mit neuen, moder­nen Berufs­bil­dern reagiert.

Aber warum wird es schein­bar trotz­dem zuneh­mend schwie­ri­ger, Jugend­li­che vom Reiz eines Lehr­be­rufs zu über­zeu­gen?

Herk: Es braucht – wie im Sport – Vor­bil­der. Deshalb sind Ver­an­stal­tun­gen wie die Euro Skills, die Euro­pa­meis­ter­schaft der Lehr­be­ru­fe Ende Sep­tem­ber in Graz, so wichtig, um Brei­ten­wirk­sam­keit zu ent­wi­ckeln. Besu­cher können dort im Rahmen von „Try a Skill“ Berufe aus­pro­bie­ren. So wollen wir Lust auf das Erleb­nis­po­ten­zi­al machen.

Aus­pro­bie­ren ist das eine, den Job tat­säch­lich zu erler­nen das andere. Das machen immer weniger Jugend­li­che.

Herk: Stimmt nicht. Die Zahl der Lehr­an­fän­ger konnte über die Jahre im Wesent­li­chen kon­stant gehal­ten werden. Nur ist die Nach­fra­ge nach jungen Fach­kräf­ten gestie­gen. Wir haben sogar erst­mals einen Über­hang von offenen, nicht besetz­ten Lehr­stel­len. Es gibt aber nicht mehr nur einen Fach­ar­bei­ter­man­gel, wir haben einen gene­rel­len Mit­ar­bei­ter­man­gel. Die Betrie­be bekom­men keine jungen Leute mehr.

Dem gegen­über stehen aber aktuell 10.000 arbeits­lo­se Jugend­li­che mehr in Öster­reich als noch im Ver­gleichs­zeit­raum des Vor­jah­res. Was braucht es, um die in den Arbeits­markt zu bringen?

Herk: Da fehlt es viel­fach um Ori­en­tie­rung und Men­to­ring. Letz­te­res wäre für migran­ti­sche Lehr­stel­len­su­chen­de hilf­reich. In Sachen Ori­en­tie­rung und Kana­li­sie­rung von Inter­es­sen helfen Ein­rich­tun­gen wie das Talent Center, wo eigene Bega­bun­gen abge­tes­tet und mit pas­sen­den Berufs­vor­schlä­gen zusam­men­ge­führt werden. Aber Corona erschwert das Nutzen dieser Ser­vices zusätz­lich.

Inwie­fern?

Herk: Weil einer­seits die Berufs­in­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen und Betriebs­be­su­che nicht statt­fin­den können, weil Schnup­per­ta­ge aus­fal­len und es auch weniger Jugend­li­che gibt, die derzeit aus der Schule heraus in einen Lehr­be­ruf wech­seln. In „nor­ma­len“ Jahren hört in den AHS jeder vierte Schüler auf oder wech­selt zumin­dest den Schul­typ, in den BHS ist es jeder Dritte. Viele dieser „Bil­dungs­weg­wechs­ler“ Rich­tung Lehre fallen jetzt weg, weil sie aus einem falsch ver­stan­de­nen Sicher­heits­den­ken lieber weiter in der Schule bleiben.

Haben alle Ver­su­che, die Lehre als Ort von frühen beruf­li­chen Erfolgs­er­leb­nis­sen zu posi­tio­nie­ren, nicht gefruch­tet?

Herk: Die Zeiten, in denen sich Eltern geniert haben, wenn ihr Kind eine Lehre gemacht hat, sind Gott sei Dank längst vorbei. Im Gegen­teil. Heute machen auch viele Matu­ran­ten im Anschluss an die Schule noch eine Lehre. Die Wirt­schafts­kam­mer fördert das in Form der Dualen Aka­de­mie. Das Schul­sys­tem selbst hat da leider noch nicht reagiert, das gehört nach­ge­schärft. Auch das Wirr­warr, dass die AHS vom Bund, die Berufs­schu­len aber von den Ländern ver­wal­tet werden, gehört beendet.

Es heißt immer – und Studien belegen das –, dass Öster­reich auch in Zukunft eine qua­li­fi­zier­te Zuwan­de­rung brau­chen wird, um den Bedarf an Arbeits­kräf­ten decken und wett­be­werbs­fä­hig bleiben zu können. Poli­tisch ein ver­min­tes Feld.

Herk: Aber ohne qua­li­fi­zier­ter Zuwan­de­rung wird die Lücke und der Fach­ar­bei­ter­man­gel nicht zu schlie­ßen sein – das ist demo­gra­fisch offen­sicht­lich. Wir müssen danach trach­ten, irgend­wo­her ent­spre­chen­des Poten­zi­al zu bekom­men. Das Problem ist, dass in der Debatte mit diesem Thema immer wieder ver­sucht wird, poli­ti­sches Klein­geld zu ver­die­nen. Die Zuwan­de­rungs­fra­ge ist aber weg von popu­lis­ti­scher Häme und Polemik zu dis­ku­tie­ren. Das ist eine klare For­de­rung an die Par­tei­en. Es braucht dies­be­züg­lich einen Schul­ter­schluss.

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