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Her­aus­for­de­rung Ver­sor­gungs­si­cher­heit

Herbert Ritter, Unternehmer und Vizepräsident der WKO Steiermark, im Gespräch über Versorgungssicherheit und innovative Potenziale für die energieintensive Industrie.
Herbert Ritter im Interview mit JUST über die Themen Versorgungssicherheit und Chancen für energieintensive Betriebe und Industrien.
Herbert Ritter im Interview mit JUST über die Themen Versorgungssicherheit und Chancen für energieintensive Betriebe und Industrien. Foto: Foto Fischer.

In einem Inter­view mit Herbert Ritter, dem Vize­prä­si­den­ten der WKO Stei­er­mark, geht es um das Thema Ver­sor­gungs­si­cher­heit in Öster­reich. Ins­be­son­de­re wird dis­ku­tiert, welche Stra­te­gien not­wen­dig sind, um die lang­fris­ti­ge Ver­sor­gungs­si­cher­heit zu gewähr­leis­ten. Dabei wird auf das Ziel der Kli­ma­neu­tra­li­tät bis 2040 und den Ausbau erneu­er­ba­rer Ener­gien in Öster­reich ein­ge­gan­gen. Herr Ritter betont, dass die Erhö­hung der Erzeu­gungs­ka­pa­zi­tä­ten mit der not­wen­di­gen Lei­tungs­in­fra­struk­tur und Spei­cher­mög­lich­kei­ten ein­her­ge­hen muss. Der Beinahe-Black­out Anfang des Jahres zeigte, wie ver­wund­bar die euro­päi­sche Netz­in­fra­struk­tur ist. Des Wei­te­ren wird dis­ku­tiert, wie rea­lis­tisch das Ziel der Kli­ma­neu­tra­li­tät bis 2040 für die ener­gie­in­ten­si­ve Indus­trie ist und was gegen die Abwan­de­rung von Betrie­ben getan werden kann. Dabei wird auch die Rolle der EU-Kom­mis­si­on bei der Ein­füh­rung von Grenz­aus­gleichs­me­cha­nis­men für CO2-inten­si­ve Pro­duk­te aus Dritt­staa­ten bespro­chen. Ins­ge­samt wird betont, dass attrak­ti­ve inves­ti­ti­ons­freund­li­che Rah­men­be­din­gun­gen für erneu­er­ba­ren Pro­jek­te not­wen­dig sind, um den hei­mi­schen Stand­ort attrak­tiv zu halten.

Herr Vize­prä­si­dent, müssen wir uns Sorgen um die Ver­sor­gungs­si­cher­heit für die hei­mi­schen Betrie­be machen?

Herbert Ritter: Ich denke, es wäre besser, sich inten­siv mit dem Thema Ver­sor­gungs­si­cher­heit zu beschäf­ti­gen und kluge Stra­te­gien aus­zu­ar­bei­ten und auch umzu­set­zen, als sich zu lange damit auf­zu­hal­ten, sich Sorgen zu machen.

Was braucht es denn, um die Ver­sor­gungs­si­cher­heit lang­fris­tig gewähr­leis­ten zu können?

Wir haben uns zum Ziel gesetzt bis 2040 kli­ma­neu­tral zu werden und schon im Jahr 2030 Strom zu 100 % (bilan­zi­ell) aus erneu­er­ba­ren, hei­mi­schen Ener­gie­quel­len zu bezie­hen. Obwohl Öster­reich mit 79 % erneu­er­ba­rem Strom im EU-Ver­gleich Spit­zen­rei­ter ist, stellt dieses 2030-Ziel eine enorme Her­aus­for­de­rung dar und setzt einen mas­si­ven Ausbau an Erzeu­gungs­ka­pa­zi­tä­ten voraus. Die hei­mi­schen Strom­net­ze sind für diese Ener­gie­wen­de aber noch nicht gerüs­tet. Im Gleich­schritt mit der Erhö­hung unserer Erzeu­gungs­ka­pa­zi­tä­ten dürfen wir daher kei­nes­falls die not­wen­di­ge Lei­tungs­in­fra­struk­tur und die Spei­cher­mög­lich­kei­ten ver­nach­läs­si­gen. Der Beinahe-Black­out Anfang des Jahres sollte uns in diesem Zusam­men­hang als Weckruf dienen, denn er hat uns vor Augen geführt, wie ver­wund­bar die euro­päi­sche Netz­in­fra­struk­tur ist.

Stich­wort Kli­ma­neu­tra­li­tät bis 2040 – wie rea­lis­tisch ist dieses Ziel für die ener­gie­in­ten­si­ve Indus­trie?

Zum jet­zi­gen Zeit­punkt erscheint eine gänz­li­che Sub­sti­tu­ie­rung von fos­si­len Ener­gie­trä­gern, allen voran fos­si­les Gas, inner­halb der nächs­ten 19 Jahre als eher unwahr­schein­lich. Nichts­des­to­trotz gibt es sehr viel ver­spre­chen­de Ver­fah­ren zur Her­stel­lung von sau­be­rem Was­ser­stoff, die aber nur durch einen deut­lich höheren Effi­zi­enz­grad Markt­rei­fe erlan­gen werden. Um in diesem Bereich Inves­to­ren anzu­lo­cken, braucht es einen klaren und trans­pa­ren­ten gesetz­li­chen Rahmen. Deshalb warten wir schon gespannt auf den Entwurf der EU-Kom­mis­si­on zum Was­ser­stoff- und Gas­de­kar­bo­ni­sie­rungs­pa­ket. Erst wenn für grund­le­gen­de Fragen im Zusam­men­hang mit der Was­ser­stoff­er­zeu­gung und ‑Infra­struk­tur Rechts­si­cher­heit besteht, werden Inves­ti­tio­nen in grö­ße­rem Ausmaß getä­tigt. Aber Kli­ma­neu­tra­li­tät bis 2040 wird ja bekannt­lich nicht nur für den Indus­trie­sek­tor ange­strebt. Daher stellt sich für mich auch die Frage, wie rea­lis­tisch die Sub­sti­tu­ti­on von knapp einer Million Gas­hei­zun­gen bis 2040 und über 600.000 Ölhei­zun­gen bis 2035 erscheint.

Viele Indus­trie­be­trie­be sind schon in Länder abge­wan­dert, in denen güns­ti­ger pro­du­ziert werden kann. Was kann dagegen getan werden?

Da Betrie­be in Dritt­staa­ten weder dem EU-Emis­si­ons­han­dels­sys­tem noch natio­na­len CO2-Beprei­sun­gen unter­lie­gen, ist es nur logisch, dass viele aus wirt­schaft­li­chen Über­le­gun­gen und zur Auf­recht­erhal­tung der Kon­kur­renz­fä­hig­keit im inter­na­tio­na­len Wett­be­werb an einen kos­ten­güns­ti­ge­ren Pro­duk­ti­ons­stand­ort abwan­dern, soge­nann­tes Carbon-Leakage. Denkt man diese Ent­wick­lung zu Ende, bedeu­tet dieses Carbon-Leakage nicht nur eine öko­no­mi­sche Kata­stro­phe für Europa, sondern auch aus öko­lo­gi­scher Sicht eine abso­lu­te Kata­stro­phe. Denn nir­gends wird Stahl, Zement oder Papier kli­ma­scho­nen­der pro­du­ziert als in Europa und im Spe­zi­el­len in Öster­reich. Bei­spiels­wei­se emit­tiert China bezogen auf die Wirt­schafts­leis­tung viermal so viel CO2 wie Öster­reich.

Werden die soge­nann­ten CBAMs der EU-Kom­mis­si­on das Problem der Abwan­de­rung nicht lösen können?

Natür­lich braucht es Grenz­aus­gleichs­me­cha­nis­men für CO2-inten­si­ve Pro­duk­te aus Dritt­staa­ten, jedoch werden „Straf­zöl­le“ das Problem nicht so einfach lösen. Unsere Maß­nah­men werden Gegen­maß­nah­men aus­lö­sen, welche wie­der­um einen großen Schaden für die in Dritt­staa­ten expor­tie­ren­den Betrie­be bedeu­ten.

Was braucht es aus Ihrer Sicht, um den hei­mi­schen Stand­ort attrak­tiv zu halten?

Wenn wir unsere Klima- und Ener­gie­zie­le ernst meinen und tat­säch­lich eine Vor­rei­ter­rol­le im Kli­ma­schutz und im Bereich der sau­be­ren Ener­gien ein­neh­men wollen, dann müssen wir unbe­dingt inves­ti­ti­ons­freund­li­che Rah­men­be­din­gun­gen für „Erneu­er­ba­ren-Pro­jek­te“ schaf­fen. Dazu braucht es eine Novelle des Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fungs­ge­set­zes, um die Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren zu ver­kür­zen und so den Stand­ort attrak­ti­ver zu machen. Es kann nicht im Sinne des Erfin­ders sein, dass Pro­jekt­wer­ber mit Ver­fah­rens­dau­ern von meh­re­ren Jahren und finan­zi­el­len Belas­tun­gen kon­fron­tiert sind.

Warum wird die Wirt­schaft oft stark kri­ti­siert für ihre Rolle im Kampf gegen den Kli­ma­wan­del?

Oft und gerne wird die hei­mi­sche Wirt­schaft in der Kli­ma­de­bat­te als Ver­hin­de­rer und Bremser, teils sogar als rück­stän­di­ger Dino­sau­ri­er abgetan. Ich denke diese Dar­stel­lung wird unseren Betrie­ben kei­nes­wegs gerecht. Im Gegen­teil: In Europa und spe­zi­ell in Öster­reich wurden massive Schrit­te gesetzt, um die Dekar­bo­ni­sie­rung vor­an­zu­trei­ben. Am Ende des Tages sind es gerade die Unter­neh­men, von denen die inno­va­ti­ven Lösun­gen zur Ermög­li­chung der Kli­ma­zie­le erwar­tet werden. In vielen Berei­chen haben wir die Tech­no­lo­gie­füh­rer­schaft. Um diese Erwar­tungs­hal­tung wei­ter­hin erfül­len zu können, ist es unsere Pflicht von der Politik rea­lis­ti­sche Ziele ein­zu­for­dern.

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