Stadt und Land nähern sich an

Gerade für industriell geprägte Gemeinden abseits der Landeshauptstädte ergibt sich durch die Bahnanbindung die Chance, für Einpendler attraktiver zu werden. Pendeln statt wegziehen könnte zum neuen Lebensentwurf werden und die Abwanderungstendenzen aus den ländlichen Regionen bremsen.

In einer Studie von Joanneum Research, der Universität Graz und des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) wird diesbezüglich jedenfalls ein mittlerer Anstieg der Pendelverflechtungen von knapp 35 Prozent prognostiziert.

Aber auch abseits des direkten Bahnkorridors werden positive Synergieeffekte erwartet. Das erweiterte Einzugsgebiet zieht sich dabei von der südlichen Obersteiermark bis nach Villach. Um dafür gerüstet zu sein, brauche es aber entsprechende überregionale Anschlüsse wie die Pyhrn-Schober-Strecke, einen neuen Bosrucktunnel beziehungsweise regionale Zugverbindungen wie beispielsweise die Thermenbahn in der Oststeiermark, diverse Bahnhofsumbauten im Mürz- und Murtal sowie kleinregionale Modernisierungen und Attraktivierungen von Nebenbahnen, drängen Wirtschaftsvertreter Richtung Politik.

Ganz oben auf deren Wunschliste: eine direkte Anbindung des Grazer Flughafens an die neue Südbahnstrecke. In puncto Erreichbarkeit und im Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit der innovativsten Standorte Europas sei die derzeitige Trassenführung in Sichtweite am Flughafen vorbei „eine große Achillesferse“, wird moniert.

In diesem Zusammenhang wird auch auf die internationale Brückenfunktion verwiesen. Von den zehn Schienengüterverkehrskorridoren der Europäischen Union verlaufen immerhin fünf durch Österreich. So ist die Koralmbahn zusammen mit dem Semmering-Basistunnel, der 2030 in Betrieb gehen wird, ein Schlüsselprojekt der künftigen Baltisch-Adriatischen Achse der Europäischen Union.

Damit rücken auch die Häfen an der oberen Adria näher an die „Area Süd“. Das Potenzial wird schon jetzt sichtbar. Allein seit 2015 ist die Zahl der abgewickelten Zugladungen im Hafen Triest um 56 Prozent angestiegen. Jedes Jahr sind durch die Verlagerung von der Straße auf die Schiene 350.000 Lkw weniger unterwegs. Der Güterverkehr rollt damit auch in der „Area Süd“ schneller und umweltfreundlicher ans Ziel als bisher. Einen ähnlichen Boom erfährt der Hafen in Koper, wo durch einen Ausbau die Kapazitäten von 22 bis 24 im Jahr 2020 auf am Ende 30 bis 32 Güterzüge pro Tag aufgestockt werden.

Auch in der „Area Süd“ selbst sollen diese Wachstumsszenarien und Ausbaupläne der Verkehrsinfrastruktur zu einer gesamtwirtschaftlichen Prosperität führen. Dem wohnt fast Revolutionäres inne, denn der Wirtschaftsraum Südösterreich ist zwar in seiner Gesamtheit industriell-gewerblich geprägt, aber keine historisch gewachsene Region.

Es gibt zwar bereits vereinzelt Anknüpfungspunkte und Kooperationen, durch das Verschmelzen zur „Area Süd“ ergeben sich aber neue Entwicklungspotenziale und größere Chancen. So erwartet man allgemein eine höhere Investitionsbereitschaft von Unternehmen und dadurch mehr Innovationskraft, daraus abgeleitet eine bessere Funktionalität des Arbeitsmarkts und höhere Einkommen sowie Effizienzsteigerungen und eine Ausweitung der interregionalen wie auch internationalen Geschäftsbeziehungen der hier ansässigen Unternehmen.

In den betroffenen Regionen, vor allem aber im Kerngebiet der Wirtschaftsregion, die jene Gemeinden umfasst, die im Schnitt in 40 Minuten einen der Bahnhöfe entlang der Strecke erreichen können, herrscht entsprechende Aufbruchstimmung. So sagt die WKO-Studie Gemeinden mit einem Zugang zu einem Bahnhof ein um zwei Prozent höheres Bevölkerungswachstum als dem Rest voraus. Liegt der Bahnhof direkt im Ort, ergibt sich daraus sogar ein Plus von drei Prozent.

Entlang des weststeirischen Streckenabschnitts der Koralmbahn hat man bereits reagiert und eine gemeindeübergreifende Initiative gegründet. Unter dem Dach der „Laßnitztal Entwicklungs GmbH“ sind St. Peter im Sulmtal, St. Martin im Sulmtal, Bad Schwanberg, Deutschlandsberg, Groß St. Florian und Wettmannstätten vereint. Gemeinsam will man in Sachen Betriebsansiedelungen die Chancen, die die Koralmbahn bringt, möglichst optimal nutzen. Die Zuversicht ist groß. „Es herrscht eine gewisse Goldgräberstimmung“, bestätigt Lasse Kraack, Geschäftsführer des Regionalmanagements Südweststeiermark.

Alles in allem sind die Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit am globalen Markt und die Schaffung einer integrierten Wirtschaftsregion das Ziel, das dies- und jenseits der Koralm angepeilt wird. Die Sender am Gipfel wären dann nicht mehr die einzigen Symbole für Weitsicht über die Grenzen der Region hinaus.

Weitere Beiträge
Consent Management Platform von Real Cookie Banner