Vorsichtig formuliert: Ganz ausgereizt ist das Potenzial noch nicht. Bundesweit gab es im Jahr 2019 insgesamt 19 Spin-offs von österreichischen Universitäten. Zum Vergleich: Allein an der ETH Zürich waren es im selben Zeitraum 30. Den Sprung aus dem Hörsaal in die Selbstständigkeit will die Karl-Franzens-Universität Graz jetzt mit einer neuen Startrampe für akademische Gründer erleichtern. „Unicorn“ nennt sich ein neues Zentrum für Start-ups, das als Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft funktionieren soll.
Nährboden für Start-ups
„Wir haben die perfekte Umgebung für die Realisierung unternehmerischer Visionen geschaffen“, freut sich Bernhard Weber, der zusammen mit Vizerektor Peter Riedler das „Unicorn“-Zentrum als Geschäftsführer lenkt. Man stelle dort eine „fundierte Expertise und ein lebendiges Netzwerk von erstklassigen Partnern für Gründungen von Forschenden zur Verfügung und will Dreh- und Angelpunkt der Innovationsszene“ (Weber) sein. In der Lehre sei Entrepreneurship ja ohnehin schon lange ein großes Thema. Mit dem „Unicorn“ soll auch die Übersetzungsarbeit Richtung unternehmerischer Praxis besser gelingen. Riedler wünscht sich davon abgeleitet eine Zukunft als „eines der kreativsten und lebendigsten Zentren der Stadt“, in dem die Anwendungsbezogenheit von Forschungsergebnissen noch stärker herausgestrichen wird.
Ort des Wissens
„Es wird ein zentraler Ort für kluge und kreative Menschen, an dem Lösungsansätze für gesellschaftlich relevante Fragen entwickelt werden“, unterstreicht Uni-Rektor Martin Polaschek die Erwartungen und Hoffnungen in das Zentrum. Wobei die Abgrenzung zu „normalen“ Start-ups recht eindeutig ist. Die Uni ist an den Spin-offs direkt oder indirekt beteiligt beziehungsweise ist für die Gründung des Spin-offs die Nutzung neuer Forschungsergebnisse, neuer wissenschaftlicher Verfahren oder Methoden aus der öffentlichen Forschung unverzichtbar.
Tatsächlich werden auf rund 2900 Quadratmetern neben den Co-Working-Plätzen und klassischen Büroflächen, die für Start-ups und Spin-offs reserviert sind, auch einschlägige Beratungs- und Betreuungsinstitutionen vertreten sein. Bereits eingezogen sind beispielsweise Incubatoren wie Techhouse, Gründungsgarage und Next Incubator, der Social Business Club oder erste Start-ups wie Innophore, i4SEE und digitAAL.
Kreative Atmosphäre
Die Kulisse spiegelt den Aufbruchscharakter wider, der innerhalb der Mauern befeuert wird. Denn den Architekten ist ein gelungener Mix aus Altbestand und Neubau geglückt. Investitionsvolumen: zwölf Millionen Euro, wobei rund eine Million aus Mitteln des Landes Steiermark sowie vier Millionen vom Europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE) stammen. Den Rest will man durch Mieteinnahmen finanzieren.
Im Zentrum des dreiteiligen Komplexes steht jene Gründerzeitvilla, die jahrzehntelang Heimat der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) an der Uni Graz war. Über dem Empfangsbereich und einem Café im Erdgeschoß entstanden die Co-Working-Spaces und im Dachausbau ein Konferenzbereich mit Terrasse. Der angrenzende fünfstöckiger Neubau ist als vermietbarer Raum für die Spin-offs, Start-ups und bestehende Unternehmen aus dem Umfeld der Universität vorgesehen. In Nachbarschaft zum „Unicorn“ wird – ebenfalls in einem Neubau – im Sommer die ÖH ihre neuen, 1100 Quadratmeter großen Räumlichkeiten beziehen.
Unicorn Graz: hohe Erwartungen
Der Bau zitiert mit diesem verbindenden Charakter seinen Vorplatz, der nach Jahrzehnten als Kreisverkehr mittlerweile als weitgehend sich selbst regulierende Begegnungszone zwischen allen Verkehrsteilnehmern funktioniert. Die kontaktförderliche Umgebung vor und im Gebäude nährt die Hoffnung auf erfolgsversprechende Kooperationen und Innovationen, die auch im Namen des Zentrums als Untertitel mitschwingen. Denn „Unicorn“ zielt übersetzt nicht nur auf die mythische Einzigartigkeit von Einhörnern ab, vor allem verweist „Unicorn“ auf die Gründerszene-Bezeichnung für geschäftlich abhebende Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet sind. Wobei diese Zweideutigkeit des Namens erst seit Kurzem funktioniert. Denn noch in der Planungs- und Bauphase firmierte das Projekt unter der vergleichsweise sperrien wie anonymen Bezeichnung „Zentrum für Wissens- und Innovationstransfer“, kurz ZWI. Daraus wurde im letzten Augenblick „Unicorn“.
Der Standort des Zentrums direkt an der Universität Graz sorge jedenfalls für ideale Voraussetzungen, um Jungunternehmer mit Studierenden und der Forschungs-Community zu vernetzen, ist die neben der Wirtschaft auch für die Wissenschaft ressortzuständige Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl überzeugt. Rektor Martin Polaschek ist sich ebenfalls sicher, dass das Zentrum „ein wichtiger Meilenstein für die Karrieren von vielen, die hier an unserer Uni studieren, werden wird“.
Der Artikel erschien zuerst in „JUST-Science“. Das Magazin wird mit finanzieller Unterstützung in völliger Unabhängigkeit von der JUST-Redaktion gestaltet.