„Fast jeder trägt anschauliche Beispiele für die Bedeutung von ‚Curiosity‘ in der Unternehmenskultur bei sich: Siliziummikrofone, die heute in nahezu jedem Smartphone oder Earbud weltweit verbaut sind. Begonnen hat diese Entwicklung mit einer Dissertation, heute ist Infineon mit einem Marktanteil von fast 50 Prozent Weltmarktführer“, sagte Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Austria, auf der Ebscon 2024, der Leitveranstaltung der europäischen Halbleiter- und Elektronikindustrie. Erst Mitte September hat das Unternehmen einen neuen Meilenstein für die Branche präsentiert, die weltweit erste 300-Millimeter-Galliumnitrid (GaN)-Power-Technologie. Modernste GaN-Fertigungsverfahren verbessern die Leistung der Bauelemente. Das ermöglicht eine höhere Effizienz, geringere Größe und Gewicht sowie niedrigere Gesamtkosten.
Internationale Sichtbarkeit
Von E‑Mobilität bis Smart Home, von Satelliten bis zur Gesundheitsbranche: Die Nachfrage nach Mikroelektronik boomt. Österreich ist im Bereich der Mikrochips einer der führenden Standorte in Europa. Gerade die Mikroelektronikindustrie in der Steiermark und Kärnten ist auf der Basis umfassender Investitionen in den letzten Jahren kräftig gewachsen. 80 Prozent der Wertschöpfung entfallen auf sie. Durch den Koralmtunnel wachsen die Bundesländer zum gemeinsamen Wirtschaftsraum zusammen, was der internationalen Sichtbarkeit zugutekommt. Der Silicon Alps Cluster als Public-Private-Partnership österreichischer Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand pusht diese Entwicklung und Positionierung. 140 Partnerunternehmen und ‑organisationen sind darin vernetzt. Für einen weiteren Schub soll der European Chips Act sorgen, der milliardenschwere Investitionen in diesem Segment vorsieht. Österreich hat bis 2031 drei Milliarden Euro an nationalen Förderungen reserviert.
Leistungshalbleiter finden sich in Automobilen, E‑Ladesäulen, Haushaltsgeräten, Industrierobotern und Automatisierungssystemen. Kredit- und Debitkarten nutzen Computer- und Konnektivitätstechnologien. Mit Powerchips werden E‑Autos schneller geladen. Auch NXP, Europas größter Halbleiterhersteller, nutzt das Doppel Wirtschaft und Wissenschaft. Der Funkstandard NFC wurde gemeinsam mit Sony 2002 erfunden und ermöglichte später das kontaktlose Bezahlen. Heute stehen beispielsweise kontaktlose Anwendungen in Autos im Fokus. Als einer der weltweit führenden Hersteller von technologisch hochwertigen Leiterplatten gilt AT&S. Sie kommen etwa in der Flugzeugsteuerung und Triebwerkssteuerung zum Einsatz. Eine entscheidende Rolle spielt der Konzern auch bei der Entwicklung von 4D-Radarsystemen für autonom fahrende Autos oder Leiterplatten für die Mobilfunktechnologie 5G.
588 Millionen Euro Investition
Zu Marktführern zählen auch Mikroelektronikunternehmen wie ams-Osram. Im Automobilbereich deckt das Unternehmen das Spektrum von Regen- und Positionssenoren bis zu Hintergrundbeleuchtungen von Displays oder dynamischem Fahrlicht ab. Der Entwicklungs- und Produktionsstandort Premstätten soll mit Investitionen in Höhe von 588 Millionen Euro bis 2030 gestärkt werden. Die geplante neue Fabrik am Produktionsstandort in der Steiermark soll die Führungsrolle der österreichischen Halbleiterindustrie weiter ausbauen. Im Rahmen des European Chips Act wurde eine Förderung von bis zu 200 Millionen Euro beantragt. Die Europäische Kommission hat sich das Ziel gesetzt, die Massenproduktion von Halbleitern in Europa zu fördern und den Weltmarktanteil bis 2030 auf 20 Prozent der Produktion zu steigern. Neue Chiptechnologien der nächsten Generation sollen ermöglicht werden.
AT&S als weltweit führendes Unternehmen investiert bis 2025 am Standort Leoben eine halbe Milliarde Euro in ein neues R&D‑Center zur Forschung und Entwicklung. Um die technologische und ökologische Führungsrolle zu behaupten, werden zehn Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung für neue Produkte und Prozesse investiert. Das entspricht aktuell Ausgaben von etwa 155,4 Millionen Euro pro Jahr. Das Unternemen hält mehr als 800 Patente zur Herstellung von Hightech-Leiterplatten und IC-Substraten.
Cybersecurity
Die Nachfrage nach effizienter Mikroelektronik für elektrifizierte, aber auch automatisierte und vernetzte Fahrzeuge steigt. AVL investiert im Rahmen des EU-genehmigten Important Project of Common European Interest (IPCEI) über 50 Millionen Euro in das Testen und Validieren von neuen Halbleiterchips, Sensorik und Leistungselektronik für batteriebetriebene und softwaredefinierte Fahrzeuge. Der Fokus liegt unter anderem auf dem Thema Cybersecurity. Markus Tomaschitz, HR-Manager bei AVL List: „Mikroelektronik ist die Schlüsseltechnologie der Zukunft. Unsere enge Verknüpfung von Forschung und Industrie macht die Steiermark zu einem globalen Hotspot.“ Die IPCEI-Vorhaben betreffen „Hy2Tech“ mit dem Fokus auf der Entwicklung von Wasserstofftechnologien sowie „BICnextGen“ zur effizienteren und nachhaltigen Batterieforschung und ‑entwicklung. Im Rahmen dieser Projekte erfolgt eine Zusammenarbeit mit über 20 nationalen und internationalen Universitäten sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen. „Mikroelektronik und Digitalisierung sind entscheidende Zukunftsfelder, die den Wirtschaftsstandort Steiermark global konkurrenzfähig machen“, unterstreicht Herbert Ritter, Vizepräsident der WKO Steiermark.