JUST-Redaktion|

Gedan­ken zur Rettung der Welt

Was bringt es, statt mit dem Auto mit der Bahn zu fahren und weniger Fleisch zu essen? Kann ich damit die Welt retten? Eine Suche nach Ant­wor­ten. Das Argu­ment ist bekannt: „Was bringt es, wenn ich brav Müll trenne, während China Mil­li­ar­den an Tonnen CO2 aus­stößt?“ „Warum sollte ich weniger Fleisch essen, wenn’s doch schmeckt?“ „Was bringt es, wenn gerade ich mein Auto stehen lasse?“ Warum? Weil alles ziem­lich knapp wird. Unser Kli­ma­di­lem­ma ist haus­ge­macht, denn nicht China, sondern die west­li­chen Indus­trie­län­der haben jahr­zehn­te­lang die Abgase in die Atmo­sphä­re gebla­sen. Dennoch bleibt die Frage: Was kann ich als Ein­zel­ne am Dilemma ändern?

Zuerst gilt es, eine Bestands­auf­nah­me durch­zu­füh­ren. Ich habe dazu den Joan­ne­um-Rese­arch-Life­stylech­eck gemacht. Darin wird berech­net, wie schäd­lich mein Auto­fah­ren ist – also wie viel CO2 aus­ge­sto­ßen wird und welche Umwelt­kos­ten bei der Fahr­zeug­pro­duk­ti­on anfal­len –, und welche Umwelt­be­las­tung mein Kon­su­mie­ren bedeu­tet. Es wird das Heim berück­sich­tigt, in dem ich wohne und das mir trotz ther­mi­scher Sanie­rung ein dickes Minus ein­bringt, weil es alt ist. Mehr als negativ zeigt sich mein letzter USA-Flug. Doch für mich als Shop­ping­queen das größte Dilemma: Ich kaufe zu viel Klei­dung. Ach ja, auch Laptop und Smart­phone schla­gen sich negativ in meiner per­sön­li­chen Kli­ma­bi­lanz nieder. Diese ist ver­nich­tend: Mit einem Ausstoß von 9,4 Tonnen CO2 liege ich um 31 Prozent über dem, was ich ver­brau­chen sollte.

Es braucht einen „Tipping Point“

Wir haben ein Wohl­stands­pro­blem. Sozio­lo­gen der Uni­ver­si­tät Graz haben berech­net, dass 500 Euro mehr Ein­kom­men eine zusätz­li­che Tonne CO2-Äqui­va­len­te bedeu­ten. 2,7 Tonnen pro Jahr sollte laut den strengs­ten zu fin­den­den Vor­ga­ben das Maximum sein, wollen wir den Pla­ne­ten erhal­ten, laut Joan­ne­um Rese­arch kommt jede Öster­rei­che­rin und jeder Öster­rei­cher auf bis zu 15 Tonnen. Und, ja, das Argu­ment, ein Ein­zel­ner könne nichts errei­chen, stimmt, aber nur im Ansatz, wie Markus Hadler von der Uni Graz betont. Die größten Kli­ma­wan­del­trei­ber sind die Berei­che Energie, Land­wirt­schaft, Indus­trie und Verkehr, sogar der Ver­zicht auf Rind- oder Lamm­fleisch bringe mehr als Müll­tren­nen, sagt er. Was, wenn wir so wei­ter­ma­chen? Es müsse einen „Tipping Point“ geben, der das bisher Gewohn­te zum Kippen bringt, quasi: Was zu tun ist, ent­schei­den wir erst, wenn die Tem­pe­ra­tu­ren wirk­lich um vier Grad gestie­gen sind.

Aus diesem Grund gibt es immer mehr Stimmen, die CO2-Emis­sio­nen einen Preis geben wollen, soll der Konsum von Fos­sil­ener­gie, die Haupt­ur­sa­che der Kli­ma­kri­se, abneh­men. Statt das Flug­ge­schäft zu sub­ven­tio­nie­ren, sollte mit der Bahn eine attrak­ti­ve Alter­na­ti­ve geschaf­fen werden, lautet dazu ein oft gehör­tes Argu­ment. Die EU hat mit ihrem Green Deal Großes vor und wenn schon viele der Ver­ur­sa­cher in Europa behei­ma­tet sind, könnte die Kli­ma­kri­se auch poli­tisch hier ent­schie­den werden, findet Rein­hard Steurer von der Uni­ver­si­tät für Boden­kul­tur (Boku). Für ihn ist Fakt: „Ent­we­der wir zahlen jetzt etwas für CO2-Emis­sio­nen oder jeder von uns zahlt in der Zukunft das Viel­fa­che für die Schäden von Kli­ma­ka­ta­stro­phen, etwa in Form von teu­re­ren Lebens­mit­teln wegen Ern­te­aus­fäl­len.“ Nach­satz: Wer gegen einen Preis auf CO2 sei, könne genauso gut dafür ein­tre­ten, dass Abwäs­ser ab sofort ohne Kosten unge­rei­nigt in Flüsse ein­ge­lei­tet würden.

Weil Kli­ma­schutz eine globale Her­aus­for­de­rung ist, bringt es nicht viel, Schul­di­ge zu suchen, betont Angela Köppl vom Wirt­schafts­for­schungs­in­sti­tut (Wifo). Vor allem muss vieles von den gän­gi­gen Ver­glei­chen gewich­tet werden. Wenn man schon China als Umwelt­ver­schmut­zer bezeich­net, muss man auch das jähr­li­che Emis­si­ons­vo­lu­men auf die Bevöl­ke­rung her­un­ter­bre­chen und das ergibt einen Foot­print, der nicht höher als der eines Mit­tel­eu­ro­pä­ers ist. Und wahr­schein­lich besser als meiner. Kli­ma­schutz sei, so Köppl, eine globale Her­aus­for­de­rung, zudem habe sich Öster­reich im Rahmen der Pariser Kli­ma­zie­le ver­trag­lich ver­pflich­tet, die Emis­sio­nen zu senken. Auch wenn Öster­reich mit der Was­ser­kraft auf einem guten Weg ist, sei die Ener­gie­wen­de dadurch noch nicht geschafft, ergänzt Köppl. Einzig die Indus­trie zahlt für ihre Treib­haus­ga­se mit dem Emis­si­ons­han­del. Doch wohin das Geld aus dem Zer­ti­fi­ka­te­han­del fließt, ist nicht bekannt.

Ab 2020 müssten Emis­sio­nen sinken

Nach wis­sen­schaft­li­chem Konsens müssten ab heuer die Emis­sio­nen sinken, um noch schlim­me­re Umwelt­fol­gen zu ver­mei­den. Doch tat­säch­lich geht es mit den Treib­haus­ga­sen seit 2009 kon­ti­nu­ier­lich nach oben. Zu viele Autos, zu viel Verkehr. Also braucht es doch eine Renais­sance des Sparens, der frei­wil­li­gen Ent­halt­sam­keit? Dazu könnte ein Versuch Schule machen, über den der Sozio­lo­ge Markus Hadler von der Uni Graz berich­tet: Eine Infor­ma­ti­ons­kam­pa­gne über das Strom­spa­ren in einem Mehr­fa­mi­li­en­haus zeigte dann Wirkung, als die Ver­brauchs­zah­len der jewei­li­gen Par­tei­en öffent­lich gemacht wurden. Es muss also unbe­quem für den Ein­zel­nen sein. Doch der ist träge, unser Gehirn ist so pro­gram­miert, Dinge, die unbe­quem sind, zu ver­mei­den. Und so fahren wir mit dem Auto und ver­hal­ten uns weiter wie bisher. Jeder glaubt das, was seine Haltung bestärkt, um die eigene Bequem­lich­keit nicht opfern zu müssen, werden Fakten zu Auto­ab­ga­sen geschönt. So gesehen kommt wieder das Preis­the­ma ins Spiel, wonach Kli­ma­schutz andere Preis­ge­stal­tun­gen braucht – das Billig-Shirt, das in Fernost unter schlech­ten Bedin­gun­gen pro­du­ziert wird, müsste eigent­lich mehr kosten als ein nach­hal­tig her­ge­stell­tes. Eine weitere Mög­lich­keit wäre ein CO2-Bonus, wie er in der Schweiz an jene Bürger aus­be­zahlt wird, die statt mit dem Auto mit der Bahn fahren.

Es geht nur mit­ein­an­der

Der zuvor erwähn­te Life­stylech­eck von Joan­ne­um Rese­arch soll jeden­falls wei­ter­ent­wi­ckelt werden, sagt Franz Pret­ten­tha­ler vom dor­ti­gen Life-Insti­tut für Klima, Energie und Gesell­schaft. Infor­ma­tio­nen über die per­sön­li­che Kli­ma­bi­lanz sollen dann direk­ter ver­füg­bar sein, etwa indem ein Kas­sa­bon abge­scannt wird und über den Rechner Feed­back in Bezug auf die Kli­ma­freund­lich­keit des Ein­kaufs gegeben wird. Der Life­stylech­eck werde bereits in Betrie­ben zu Ver­hal­tens­än­de­run­gen her­an­ge­zo­gen, dort werden inner­halb der Beleg­schaft Maß­nah­men dis­ku­tiert und beschlos­sen – etwa was die Mobi­li­tät oder das Angebot in der Kantine betrifft –, die den per­sön­li­chen Foot­print schmä­lern. Denn von den 15 Tonnen kon­sum­ba­sier­ten Fuß­ab­drucks könne man die Hälfte selbst gut beein­flus­sen, betont Pret­ten­tha­ler. „Uns geht es dabei um das Thema Selbst­wirk­sam­keit. Nicht das Indi­vi­du­um soll die ganze Last auf­ge­bür­det bekom­men. Doch für die Hälfte dessen, was jeder und jede beein­flus­sen kann, braucht es wie­der­um Part­ner­schaf­ten, damit die Ver­än­de­run­gen möglich sind.“ Kli­ma­han­deln sei immer eine Sache von Politik, Wirt­schaft und dem Indi­vi­du­um. Die am besten mit­ein­an­der ver­su­chen, das Kli­ma­ding auf die Reihe zu bekom­men.

Was bedeu­tet das nun für mich? Ich habe mir vor­ge­nom­men, öfter auf Fleisch und tie­ri­sche Pro­duk­te zu ver­zich­ten und die Shop­ping­queen in mir ein­zu­brem­sen. Wo es geht, nehme ich den Zug. Das sind laut neuer Berech­nung des Foot­print­rech­ner nur noch 5,1 Tonnen CO2-Emis­sio­nen, damit bin ich 29 Prozent besser als der Durch­schnitt. Die 2,7 Tonnen, die es bräuch­te, werde ich ver­mut­lich nicht so schnell errei­chen.

Illus­tra­ti­on: Rein­hard Guss­m­agg

 

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