JUST-Redaktion|

Ein Akt der Liebe

Mauro Porcini veränderte als Chief Design Officer von PepsiCo das Denken und die Kultur des Weltkonzerns mit seinen 315.000 Mitarbeitern grundlegend – und wurde so zum globalen Visionär für eine völlig neue Art der Unternehmensführung. Er stellt nicht Produkte, sondern den Menschen in den Mittelpunkt.
Fotocredit: Dave Puente/PepsiCo

Seit Por­ci­nis Start vor elf Jahren hat PepsiCo seinen Unter­neh­mens­wert auf 262 Mil­li­ar­den US-Dollar fast ver­drei­facht. Im OOOM-Inter­view spricht der Ita­lie­ner über die Fähig­keit zu träumen und erklärt, warum Inno­va­ti­on ein Akt der Liebe ist.

Sie haben als Chief Design Officer PepsiCo grund­le­gend ver­än­dert und nicht nur Krea­ti­vi­tät und Design­den­ken in alle Berei­che des Unter­neh­mens ein­ge­bracht, sondern auch den Men­schen in den Mit­tel­punkt gestellt. Was machen Sie anders als andere?

Mauro Porcini / Ich bin vor 11 Jahren in das Unter­neh­men ein­ge­tre­ten, es war eine Intui­ti­on des dama­li­gen CEO, Indra Nooyi. Sie ver­stand, dass man Design nur dann wirk­lich machen kann, wenn man es von innen heraus macht. Es geht darum, die Men­schen zu ver­ste­hen, ihre Bedürf­nis­se, Wünsche, Träume und Sehn­süch­te. Damit fängt alles an. Die nächste Aufgabe ist, eine Lösung für diese Bedürf­nis­se zu finden. Das kann ein Produkt, eine Marke, eine Dienst­leis­tung, eine Stra­te­gie, ein ganzes Geschäfts­mo­dell sein. Damit sich die Lösung auf dem Markt durch­set­zen kann, müssen Sie zwei weitere Varia­blen berück­sich­ti­gen: Die eine ist die Art und Weise, wie man sie umsetzt. Die zweite ist: Wie lässt sich mit dieser Lösung für das Unter­neh­men Geld ver­die­nen? Wir haben eine Kultur geschaf­fen, die den Men­schen in den Mit­tel­punkt stellt, und zwar vor allen anderen Dingen, die aber auch das Geschäft ver­steht, um diese Ideen lebens­fä­hig zu machen. In einer tra­di­tio­nel­len Unter­neh­mens­kul­tur ist das mensch­li­che Element nur ein Hebel. In einer design­ori­en­tier­ten Kultur steht der Mensch im Zentrum von allem.

Sie sagen, dass Inno­va­ti­on ein „Akt der Liebe“ ist und Empa­thie und Opti­mis­mus die Grund­la­ge, um Krea­ti­vi­tät zu schaf­fen. Steve Jobs war ein genia­ler Inno­va­tor, aber mensch­lich eine Kata­stro­phe.

MP / Das, was Steve Jobs mit seinen Pro­duk­ten gemacht hat, war ein Akt der Liebe. Er wollte der Mensch­heit das außer­ge­wöhn­lichs­te Produkt aller Zeiten schen­ken. Und das hat er getan. Das Problem von Jobs war letzt­end­lich die Art und Weise, wie er die Men­schen behan­del­te. Wenn Jobs heute noch leben würde, glaube ich nicht, dass er so wei­ter­ma­chen könnte, wie er damals mit den Men­schen umge­gan­gen ist.

Wurde Design für Sie zur Mission?

MP / Ich erkann­te, dass Design Unter­neh­men wirk­lich hilft, das Rich­ti­ge in der Gesell­schaft, für den Pla­ne­ten und die Welt zu tun. Die große Ent­wick­lung bestand also darin, nicht mehr Bot­schaf­ter des Designs zu sein, weil Design groß­ar­tig ist, sondern weil Design eine Trieb­kraft für ziel­ge­rich­te­te Inno­va­ti­on sein kann und bessere Unter­neh­men schafft, die wirk­lich etwas zurück­ge­ben können.

Ex-US-Prä­si­dent Trump wurde gerade in New York ange­klagt. Ver­lie­ren Moral und Ethik heute nicht leider an Bedeu­tung?

MP / Der Führer eines Landes sollte vor allem ein mora­li­scher Führer sein. Denn das, was wir Moral, Ethik oder Wert nennen, ist der Motor für das Glück eines Landes. Wenn man sich die Kinder von heute und ihre Ambi­tio­nen ansieht, ver­wech­seln sie Glück mit finan­zi­el­lem Wohl­stand. Wir denken, dass Reich­tum das Glück bestimmt. Das ist der größte Fehler, den man über­haupt machen kann. Wenn dein Ziel Ruhm oder Reich­tum ist, wird die große Mehr­heit daran schei­tern. Denn: Nur sehr wenige Men­schen werden berühmt und sehr reich. Und: Selbst der kleine Pro­zent­satz der Reichen wird unglück­lich sein, wenn alles nur darauf aus­ge­rich­tet ist. Deshalb sehen wir so viele unglück­li­che reiche und berühm­te Men­schen. Das Wich­tigs­te über­haupt ist glück­lich zu sein. Das ist der Grund, warum wir hier sind.

Wie kann man glück­lich sein oder werden?

MP / Erstens: Inves­tie­re in dich selbst. Sei mit dir selbst zufrie­den. Defi­nie­re deine Iden­ti­tät. Am Ende des Tages soll­test du eine ein­zig­ar­ti­ge Sicht­wei­se auf die Welt und das Leben haben. Zwei­tens: die Liebe, die du den Men­schen in deiner Umge­bung ent­ge­gen­bringst. Gib Liebe selbst­los und du wirst sie zurück­er­hal­ten. Drit­tens: Tue etwas, das größer ist als du selbst. Es wird dir helfen, den Tod zu besie­gen, unsterb­lich zu werden in der Erin­ne­rung der Men­schen. Auf Unter­neh­men bezogen: Das Posi­ti­ve, das jetzt geschieht, ist, dass eine Reihe von mensch­li­chen Werten zum ersten Mal in der Geschich­te mit dem finan­zi­el­len Wert in Ein­klang gebracht werden. Das ist das Mäch­tigs­te, was pas­sie­ren kann.

Dies geschieht in den letzten zehn Jahren auf der ganzen Welt aus einem ein­fa­chen Grund: Weil die Glo­ba­li­sie­rung, die neuen Tech­no­lo­gien und die Digi­ta­li­sie­rung die großen Ein­tritts­bar­rie­ren, die Unter­neh­men früher hatten, abbauen. Es war für den Mann oder die Frau von der Straße unmög­lich, mit großen Kon­zer­nen zu kon­kur­rie­ren. Heute können sie es. Sie haben eine Idee, sie bekom­men leicht Zugang zu Finanz­mit­teln, die Her­stel­lungs­kos­ten sinken. Über den elek­tro­ni­schen Handel kommen sie direkt zum End­ver­brau­cher und sie kom­mu­ni­zie­ren über die sozia­len Medien. Sie können eine große Marke sein und ein gutes Produkt haben, aber Sie sind nicht nach­hal­tig? Ein Start-up wird Sie genau dort angrei­fen. Und deshalb wird es Gott sei Dank zu einem Wett­be­werbs­vor­teil, ziel­ge­rich­tet, sen­si­bel und nach­hal­tig für den Pla­ne­ten zu sein.

Weitere Beiträge