Digitale Zukunft — fürchtet euch nicht!

Ganze 12 Millionen Klicks zählt das Video, das Sophia, ein mensch­lich aus­se­hen­der Roboter, zu Gast in der Show des USame­ri­ka­ni­schen Talkshow-Mode­ra­tors Jimmy Fallon zeigt. Man sieht, wie Sophia beim Schere-Stein-Papier-Spiel gewinnt und darauf spöttisch sagt: „Das ist nur der Beginn meines Plans, das mensch­li­che Geschlecht zu domi­nie­ren.“ Viel Gelächter aus dem Publikum, jedoch ein wenig ver­hal­te­ner als bei anderen Gästen der Show. Sophia hatte einen Nerv getroffen: Wie konnte es sein, dass diese Tech­no­lo­gie uns scheinbar ohne unser Wissen überholt und nun bereits solche mensch­li­chen, ja über­mensch­li­chen Züge ange­nom­men hatte?

Sieht man 2017 als das Jahr, in dem künst­li­che Intel­li­genz bekannt geworden ist, dann wurde sie 2018 zum Main­stream. Allein 2018 gene­rier­te die Bericht­erstat­tung über Sophia beinahe zehn Mil­li­ar­den Klicks. Einige outeten die Maschine als gelun­ge­nen PR-Trick, viele waren aber trotzdem beun­ru­higt über die rezenten Fort­schrit­te der Robotik. Und selbst wenn die Ansätze auf Seiten der Tech­no­lo­gie und Wis­sen­schaft bereits sehr divers sind, dreht sich der öffent­li­che Diskurs meist immer noch um die gleiche Vor­stel­lung: eine dys­to­pi­sche Zukunft mit Robotern, die die Mensch­heit – über­spitzt gesagt – irgend­wann über­flüs­sig machen werden. Selbst berühmte Cha­rak­te­re wie Elon Musk, Wladimir Putin und zu Lebzeiten auch Stephen Hawking scheinen das zu befeuern, indem sie uns vor den Gefahren, die von künst­li­cher Intel­li­genz ausgehen, warnen. Auch Medien berichten gerne über eine hoff­nungs­lo­se Zukunft, in der Roboter unsere Jobs über­neh­men, oder – glaubt man Putin – irgend­wann sogar die Welt­herr­schaft an sich reißen werden.

Im unheim­li­chen Tal

Jedoch warnen sie alle vor dem Falschen: Martina Mara, Pro­fes­so­rin für Robo­ter­psy­cho­lo­gie am Institute of Tech­no­lo­gy der Johannes-Kepler-Uni­ver­si­tät Linz beschäf­tigt sich nicht mit Robotern, die auf ihrer Couch liegen und über Problemen sprechen – das würde gar keinen Sinn machen, denn Roboter hätten ja gar keine Psyche, sagt sie beim Kamin­ge­spräch des Euro­päi­schen Forum Alpbach. Vielmehr dreht sich ihre Arbeit um die Tech­no­lo­gie­an­wen­der und ihre Befürch­tun­gen. In Alpbach sprach Mara auch vom soge­nann­ten „Uncanny Valley Phänomen“, das Phänomen des unheim­li­chen Tals, for­mu­liert vom japa­ni­schen Robotiker Masahiro Mori. Es beschreibt jenen Punkt, an dem unsere Sympathie gegenüber Maschinen wie Sophia umschlägt. Ein wenig Ähn­lich­keit mit uns selbst finden wir sym­pa­thisch, zu viel wird uns jedoch schnell unheim­lich.

Die meisten vergessen dabei einen wichtigen Fakt: Auch diese scheinbar unheim­li­chen Eigen­schaf­ten – von Aussehen bis Aussagen – stammen ursprüng­lich aus Men­schen­hand, wie auch Martina Mara erwähnt. Und was wäre mensch­li­cher, als unsere Emotionen zu spiegeln? Das konnte man auch bei Sophia beob­ach­ten. Die logische Folge: Sie ant­wor­te­te auf die Frage mit der erwar­te­ten Antwort und ver­stärk­te dadurch bereits bestehen­de Bedenken. Dabei über­stei­ge Sophias Bewusst­sein kaum das eines Toasters. Eine Nach­ah­mung mensch­li­cher Intel­li­genz liege auch gar nicht im Interesse der Ent­wick­ler, so Mara: „99 Prozent der Ent­wick­ler künst­li­cher Intel­li­genz haben gar kein Interesse Menschen zu repli­zie­ren, aber fokus­sie­ren sich auf andere Dinge wie selbst­fah­ren­de Autos.“

Die Art, wie wir künst­li­che Intel­li­genz in der Öffent­lich­keit dar­stel­len, führt dazu, dass die Leute vor den falschen Dingen Angst haben. Es gehe aber nicht darum, Digi­ta­li­sie­rung zu verbieten oder auf­zu­hal­ten, sondern Regeln fest­zu­le­gen, wie wir mit dieser Tech­no­lo­gie – die sich unver­meid­lich durch­set­zen wird – in Zukunft umgehen werden. Auch Professor Jim Al-Khalili, bri­ti­scher Physiker und bald Präsident der British Science Asso­cia­ti­on, warnte in einem Vortrag vor der unzu­rei­chen­den Trans­pa­renz in unserem Umgang mit den neuen Tech­no­lo­gien. Ohne diese könnte das volle Potenzial jedoch nie aus­ge­nützt werden. Statt­des­sen blieben die Mög­lich­kei­ten und die damit ein­her­ge­hen­de Macht in den Händen einiger weniger Mono­pol­fir­men.

Positive Ansätze für die Zukunft

Die Ansätze für eine positive, von Tech­no­lo­gie und künst­li­cher Intel­li­genz geprägte Zukunft sind divers. Einer­seits gehe es um die Stei­ge­rung des öffent­li­chen Bewusst­seins, so Al-Khalili. Davon gibt es bereits viel: Man denke an das jährliche Linzer Ars Elec­tro­ni­ca Festival, das erst wieder Mitte September über die Bühne ging und mit 105.000 Schau­lus­ti­gen den Besu­cher­re­kord brach. Auch der im November statt­fin­den­de Digital Future Kongress in Graz setzt auf diverse Themen rund um die Pro­ble­ma­tik wie zum Beispiel bei einem Vortrag über den Einsatz von künst­li­cher Intel­li­genz in der medi­zi­ni­schen Bild­ge­bung.

Dazu kommen Ansätze mit viel­ver­spre­chen­den Aus­wir­kun­gen, die auf den ersten Blick nicht einmal unbedingt an künst­li­che Intel­li­genz erinnern. So wurde an der medi­zi­ni­schen Fakultät der New York Uni­ver­si­ty erst kürzlich ein Vorstoß in die Sphären der künst­li­chen Intel­li­genz bekannt – und das auf erstaun­li­che Weise. August dieses Jahres wurde bekannt, dass sie gemeinsam mit Facebook ein Projekt gestartet hatten, bei dem künst­li­che Intel­li­genz für MR-Scans ein­ge­setzt werden soll. So würden diese zehnmal schneller absol­viert werden. Besonders für junge oder klaus­tro­pho­bi­sche Menschen kann die Dauer eines solchen Scans eine Her­aus­for­de­rung dar­stel­len. Dazu kommen lange War­te­zei­ten für Termine, besonders in länd­li­chen Gebieten, in denen oft nur ein Gerät zur Verfügung steht. Her­kömm­li­che Maschinen hatten nume­ri­sche Rohdaten zu Bildern ver­ar­bei­tet. Das bedeu­te­tet: je mehr Daten, desto länger der Scan. Mit der künst­li­chen Intel­li­genz könnten weniger Daten zu den gleichen Ergeb­nis­sen führen, da auf ein Daten-Set von 10.000 kli­ni­schen Studien zurück­ge­grif­fen wird und die Bilder so schneller kon­stru­iert werden können.

Medizin ist nicht der einzige Bereich, in dem eine positive und dif­fe­ren­zier­te­re Dar­stel­lung künst­li­cher Intel­li­genz ein viel­ver­spre­chen­de­res und rea­lis­ti­sche­res Bild der Zukunft zeichnen kann. Das kann auch in Form von Bildung geschehen und der Inte­gra­ti­on des Themas in den Unter­richt. Auch Bil­dungs­mi­nis­ter Heinz Faßmann sprach neulich davon, in den Lehr­plä­nen Platz für digital relevante Dinge zu machen. Es folgte das Fach digitale Grund­bil­dung. So können über­zo­ge­ne Erwar­tun­gen und Befürch­tun­gen demys­ti­fi­ziert und den Leuten Werkzeuge gegeben werden, den ver­meint­li­chen Kon­troll­ver­lust zu bekämpfen.

Weniger Bedenken durch Realismus

Mark Coe­ckel­bergh, Philosoph an der Uni­ver­si­tät Wien, sprach in Alpbach auch davon, dass der Diskurs rund um eine Macht­über­nah­me durch Roboter oder ein ver­meint­li­ches Ende der Mensch­heit von zukünf­ti­gen, realen Abläufen ablenkt. So zum Beispiel auch die Sorge um den Verlust vieler Arbeits­plät­ze. Gerade wenn es um die Aus­wir­kun­gen der Auto­ma­ti­sie­rung auf den Arbeits­markt geht, verlässt viele der Opti­mis­mus. Die Prognosen gehen oft weit aus­ein­an­der, manche sprechen von einem welt­wei­ten Verlust von 1 Million Jobs, andere von bis zu 890 Millionen Jobs bis zum Jahr 2030. Aus einem neuen Bericht des World Economic Forums geht hervor, dass 2025 Roboter 52 Prozent der momen­ta­nen Arbeits­auf­ga­ben über­neh­men werden. Das ist beinah das Doppelte von dem, was sie heute bean­spru­chen – zur Zeit liegt es bei 29 Prozent.

Jedoch gibt es auch Bereiche, in denen künst­li­che Intel­li­genz Mängel aus­glei­chen könnte. Auch im Bereich Pflege. Doch auch dort wird nicht ein Pfle­ge­ro­bo­ter mit mensch­li­chen Antlitz den Kran­ken­pfle­ger ersetzen, so Martina Mara. Vielmehr geht es um Bereiche wie Heben, Transport oder Daten­ana­ly­se – und sowohl die als auch der soziale Aspekt des Berufs, funk­tio­nie­re nicht ohne eine mensch­li­che Super­vi­si­on.

Die Forscher des World Economic Forum sprechen auch von neuen Rollen, die durch eine rich­tungs­wei­sen­de Ver­än­de­rung der Aufgaben entstehen könnten. Dazu gehören auch wirt­schaft­li­che Bereiche, in denen mensch­li­che Kompetenz gefragt ist, wie Marketing, Kun­den­ser­vice oder auch Jobs rund um Social Media. Eine all­ge­mei­ne Übernahme der mensch­li­chen Fähig­kei­ten wird es also nicht geben, wie auch die beiden USFor­scher Erik Bryn­jolfs­son (MIT) und Tom Mitchell (Carnegie Mellon Uni­ver­si­ty) im Fachblatt Science schreiben. Zwar würden wir erst am Beginn einer großen Trans­for­ma­ti­on stehen, jedoch dürfe man zwei Dinge nicht vergessen: Maschinen sind nicht in der Lage die gesamte Palette unsere Fähig­kei­ten zu über­neh­men. So zählten die Wis­sen­schaft­ler Aufgaben, die jeder Job zu erledigen hatte. Ein Radiologe hat bei­spiels­wei­se 26 ver­schie­de­ne Tätig­kei­ten. Einige davon wie das Auswerten von bild­ge­ben­den Mate­ria­li­en könnten leicht von Robotern über­nom­men werden, viel­leicht sogar besser als vom Radio­lo­gen selbst. Bei anderen Fähig­kei­ten wie das Mitteilen von medi­zi­ni­scher Infor­ma­ti­on an die Patienten dürfte das schwie­ri­ger werden. Außerdem haben wir Menschen ein impli­zi­tes Wissen, durch das wir bei­spiels­wei­se Gesichter erkennen oder Fahrrad fahren können. Auch werden Jobs auf jeder Ein­kom­mens­stu­fe ungefähr gleich stark betroffen sein. Sorgen um eine Spaltung der Gesell­schaft durch den maschi­nel­len Ersatz indus­tri­el­ler Jobs (etwas, das an die indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on erinnert), könnten dadurch gelindert werden. Bryn­jolfs­son und Mitchell sprechen deshalb davon, dass Maschinen Arbeit und die damit zusam­men­hän­gen­den Aufgaben in der Zukunft neu designen, sie aber nicht ersetzen werden. In diesem Sinne: Fürchtet euch nicht!

Foto­credit: ITU Pictures, Wikimedia Commons

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