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Die Ver­mes­sung des Glücks

Jeder ist es gerne. Alle streben es an: glück­lich sein. Aber wie bekommt man das mit dem Glück bloß best­mög­lich hin? Man könnte die Finnen fragen. Oder Glücks­for­scher, die sich an der Mess­bar­keit des Wohl­be­fin­dens abar­bei­ten. Oder stimmt es und Glück ist tat­säch­lich nur ein scheues Vogerl? Eine Spu­ren­su­che.

Herr Rossi sucht das Glück. Herr Ruck­rie­gel aber auch. Herr Höfer detto. Und Herr Deaton sowieso. Im Grunde genom­men tun wir es ja alle. Aber ist auch genug für alle da? Wo findet man es? Was muss man dafür tun, um es zu bekom­men? Lässt es sich erzwin­gen? Erkau­fen? Ein­tau­schen?

Lohnen würde es sich. Denn Glück fühlt sich nicht nur gut an, es macht – das zeigen viele Studien – Men­schen krea­ti­ver, leis­tungs­fä­hi­ger, ja sogar gesün­der. Nicht zuletzt deshalb ist das Thema auch zuneh­mend für Politik, Gesell­schaft und Wirt­schaft inter­es­sant gewor­den. Denn nicht Wohl­stand und Wirt­schafts­wachs­tum allein schaf­fen die Vor­aus­set­zun­gen für ein gelin­gen­des, glück­li­ches Leben. Da ist noch etwas, das unser Leben reicher macht: Glück.

Aber was ist das eigent­lich – Glück? Ein Gefühl? Eine Spiel­art des Schick­sals? Mentale Ein­stel­lungs­sa­che oder mess­ba­res Hor­mon­spie­gel­re­sul­tat? Oder ein Mix aus allem? Was Glück jeden­falls ist: ein For­schungs­ge­gen­stand. Im inter­dis­zi­pli­nä­ren Fach­ge­biet Glücks­for­schung setzen sich vor allem Psy­cho­lo­gen, Sozio­lo­gen, Öko­no­men, Neu­ro­bio­lo­gen und Medi­zi­ner mit dem sub­jek­ti­vem Wohl­be­fin­den aus­ein­an­der. Es sind Wis­sen­schaft­ler wie Karl­heinz Ruck­rie­gel. Der Pro­fes­sor für Makro­öko­no­mie, ins­be­son­de­re Geld- und Wäh­rungs­po­li­tik, Psy­cho­lo­gi­sche Öko­no­mie und inter­dis­zi­pli­nä­re Glücks­for­schung an der Tech­ni­schen Hoch­schu­le in Nürn­berg hat sich ganz dem Thema ver­schrie­ben. Genauso wie Stefan Höfer, Kli­ni­scher Psy­cho­lo­ge und Gesund­heits­psy­cho­lo­ge an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Inns­bruck.

Revo­lu­tio­när ist deren aka­de­mi­sches Faible für das Fach­ge­biet nicht. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Streben nach Glück ist wohl so alt wie die Mensch­heits­ge­schich­te selbst. Seit der Antike ist es wie­der­keh­ren­des Thema in der Phi­lo­so­phie. Ab den 1980er-Jahren nimmt die inter­dis­zi­pli­nä­re Glücks­for­schung ver­stärkt Fahrt auf. So the­ma­ti­sie­ren die Kon­zep­te der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie, von Martin Selig­mann in den 1990er- Jahren wie­der­be­lebt, Aspekte eines gelin­gen­den Lebens.

Wie Gesund­heit mehr als die Abwe­sen­heit von Krank­heit, „ja neu­er­dings von einem posi­ti­ven PCR-Test ist“, kon­sta­tiert Höfer, ist auch Glück mehr als die Abwe­sen­heit von Unglück. Allein stand das Modell des rein ratio­na­len, ego­is­ti­schen Homo oeco­no­mic­us in der Volks­wirt­schafts­leh­re diesem Denken lange gegen­über. „Man ging davon aus, dass Mate­ri­el­les glück­lich machen muss“, so Ruck­rie­gel, der sich vor 15 Jahren der inter­dis­zi­pli­nä­ren Glücks­for­schung ver­schrie­ben hat. Es war die Zeit der plumpen, aber ein­dring­li­chen Bau­spa­rer-Parole „Geld macht glück­lich …“ Jeder wer­bungs­ge­schä­dig­te TV-Benut­zer der 1980er-Jahre kann die untiefe Lebens­weis­heit bis heute ansatz­los mit „… wenn man recht­zei­tig drauf schaut, dass man’s hat, wenn man’s braucht“ fer­tig­jo­deln. So etwas prägt. Egal, ob es stimmt.

Weil das tut es natür­lich nicht. Oder nur bis zu einem gewis­sen Grad. Ver­dop­pelt man bei­spiels­wei­se sein Jah­res­ein­kom­men von 15.000 auf 30.000 Euro explo­diert das indi­vi­du­el­le Glücks­ge­fühl. Ver­dop­pelt sich das Salär auf 60.000 Euro, steigt auch der „Mir geht es gut“-Pegel. Aber dieser dro­gen­haf­te Glücks­rausch lässt sich nicht ins Unend­li­che auf­bla­sen. Irgend­wann ist Schluss. Irgend­wann stößt das Glück­ge­fühl an eine glä­ser­ne Decke und wächst nicht mehr – egal, ob der Kon­to­stand in noch lich­te­re Höhen ent­schwin­det.

„Wir wissen aus der Glücks­for­schung, dass – vor­aus­ge­setzt die mate­ri­el­len Grund­be­dürf­nis­se sind abge­deckt und eine soziale Teil­ha­be ist möglich – mehr Geld, Ein­kom­men und Wohl­stand das sub­jek­ti­ve Wohl­be­fin­den kaum mehr erhöhen“, sagt Ruck­rie­gel. Im Gegen­teil: Stetig stei­gen­de Ansprü­che und der Ver­gleich mit anderen wirkt dem Glücks­ge­fühl eher ent­ge­gen.

Daniel Kah­ne­man und Angus Deaton von der Prince­ton Uni­ver­si­ty haben für diese „Spaßbremsen“-Modellrechnung über den Zusam­men­hang von Konsum, Armut und Wohl­fahrt 2015 den Nobel­preis für Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten zuge­spro­chen bekom­men. Man darf sich die beiden in diesem Moment als glück­li­che Men­schen vor­stel­len.

Aber wie kann das mit dem Glück abseits der großen Bühne des Erfolgs und der Aner­ken­nung, nämlich an den kleinen Schau­plät­zen des Alltags gelin­gen? So banal ist das nicht – schon allein deshalb, weil jeder in seinem Dasein seinen eigenen Defi­ni­ti­ons­rah­men von Glück auf­ge­spannt hat. Für die einen bedeu­tet Glück ein fri­sches Stück Scho­ko­tor­te, für andere behübscht ein glit­zern­der Thea­ter­be­such oder ein span­nen­des Buch die All­tags­rou­ti­ne mit Glück. Dritte macht Kin­der­la­chen glück­lich, vierte ein weißer Sand­strand. Für Hun­gern­de ist Glück ein Stück Brot, für Diätein­hal­ter sind es pur­zeln­de Kilos.
Das führt gera­de­wegs ins Mess­ba­re. Ins Ver­glei­chen­de. In Hit­pa­ra­den. Wie man Glück in Zufrie­den­heits­gra­den aus­drückt, zeigt bei­spiels­wei­se der Better Life Index der OECD. Um die Lebens­qua­li­tät zwi­schen ein­zel­nen Ländern zu ver­glei­chen, wurde er 2011 als Indi­ka­tor zur Messung des gesell­schaft­li­chen Wohl­erge­hens ins Leben gerufen. Öster­reichs Werte liegen in den The­men­be­rei­chen Ein­kom­men und Ver­mö­gen, Gesund­heit, Wohnen, Beschäf­ti­gung, sub­jek­ti­ves Wohl­be­fin­den, Sicher­heit, soziale Bezie­hun­gen, Umwelt und Bildung über dem Durch­schnitt. Unter­durch­schnitt­lich schnei­det Öster­reich in den Berei­chen Work-Life-Balance und Zivil­enga­ge­ment ab.

All­jähr­lich zum Welt­glücks­tag am 20. März wird der World Hap­pi­ness Report der Ver­ein­ten Natio­nen ver­öf­fent­licht. Der Bericht enthält Rang­lis­ten zur Lebens­zu­frie­den­heit. Bewoh­ner in über 150 Ländern werden dafür seit 2012 regel­mä­ßig zu ihrem sub­jek­ti­ven Glücks­ge­fühl befragt. 2021 landete Finn­land zum vierten Mal in Folge auf dem ersten Platz. Die Finnen! Besser lässt sich nicht bewei­sen, dass Glück auch auf viel Schwei­gen und wenig Lachen wuchern kann. Bei der Bewer­tung werden nämlich Para­me­ter wie das Brut­to­in­lands­pro­dukt pro Kopf, soziale Unter­stüt­zun­gen, die Erwar­tung an gesun­den Lebens­jah­ren oder die Mög­lich­keit zu freien Ent­schei­dun­gen berück­sich­tigt. Ent­spre­chend finden sich am anderen Ende Länder wie Afgha­ni­stan, Süd­su­dan, Zim­bab­we, Ruanda und die Zen­tral­afri­ka­ni­sche Repu­blik.

„Staaten wie Neu­see­land richten ihr Staats­bud­get bereits an diesen Indi­ka­to­ren aus“, sagt Ruck­rie­gel. Dass die Mus­ter­schü­ler in Europa wieder einmal aus Skan­di­na­vi­en kommen, liegt daran, „dass sich diese Länder durch ein höheres Maß an Ver­trau­en in die Gesell­schaft, ein gerin­ge­res Maß an Ungleich­heit und eine Dichte an staat­li­chen Dienst­leis­tun­gen in den Berei­chen Gesund­heit und Bildung aus­zeich­nen“. „Man sollte jedoch nicht außer Acht lassen, dass es natür­lich auch dort unglück­li­che und unzu­frie­de­ne Men­schen gibt. „Glück­lich und unglück­lich sein können durch­aus zwei sepa­ra­te Kon­ti­nua dar­stel­len“, so Höfer.

Glück kann demnach …

… vieles sein. Auch das genaue Gegen­teil. Glück kann der Zufall sein, der einen über­rascht. Aber auch das Ergeb­nis von geziel­ter Empa­thie. Glück kann ein flüch­ti­ger Gedanke ein. Aber auch ein bewuss­tes Ver­hal­ten. Inso­fern lässt sich Glück auch erler­nen. Weil es auf einer Grund­ein­stel­lung basiert, deren Säulen man selbst gestal­ten kann. Wie? Indem man Dank­bar­keit in sein Leben bringt – sie trai­niert den Glücks­ge­fühls­mus­kel der Seele.

Gut, das klingt mög­li­cher­wei­se eso­te­risch, abs­trakt, unscharf. Aber auch die deut­sche Sprache, sonst bekannt für ihre Prä­zi­si­on, leistet sich zum Thema Glück eine gewisse Unge­nau­ig­keit. Denn das Wort Glück meint – anders als etwa in der eng­li­schen Unter­schei­dung von „luck“ und „hap­pi­ness – sowohl das Zufalls­glück in Form eines Lot­to­ge­winns als auch den Zustand sub­jek­ti­ven Wohl­be­fin­dens.

Aber was macht uns denn über­haupt glück­lich? Soziale Bezie­hun­gen, psy­chi­sche und phy­si­sche Gesund­heit und eine erfül­len­de, sinn­stif­ten­de Tätig­keit sind laut Ruck­rie­gel wesent­li­che Erfolgs­fak­to­ren dafür. Zudem wollen wir unsere Grund­be­dürf­nis­se nach Auto­no­mie, Selbst­wirk­sam­keit und Zuge­hö­rig­keit befrie­di­gen.

Denn Glück­lich­sein hat zwei Aus­prä­gun­gen: das emo­tio­na­le und das kogni­ti­ve Wohl­be­fin­den. Mit emo­tio­na­lem Wohl­be­fin­den ist die momen­ta­ne Gefühls­la­ge gemeint. Eine wesent­li­che Rolle spielt dabei laut Ruck­rie­gel die täg­li­che Glücks­bi­lanz. „Das Ver­hält­nis posi­ti­ver zu nega­ti­ver Gefühle sollte min­des­tes 4:1 betra­gen.“

Kogni­ti­ves Wohl­be­fin­den meint wie­der­um die Bewer­tung, den Grad der Zufrie­den­heit mit dem eigenen Leben. Gesteck­te Ziele dürfen durch­aus ambi­tio­niert sein. Sind sie aber unrea­lis­tisch, sorgt das für Frus­tra­ti­on. Ist die emo­tio­na­le und kogni­ti­ve Bilanz aus­ge­gli­chen, muss das Immun­sys­tem nicht ständig auf Höchst­leis­tung laufen, „das schraubt die Lebens­er­war­tung gut fünf bis zehn Jahre nach oben“.

Bei allen Hebeln, an denen am per­sön­li­chen Glücks­rad ange­setzt werden kann, ist ein Faktor aber nicht belie­big ver­viel­fäl­tig­bar: die Zeit. „Um Glück bewusst wahr­zu­neh­men muss man die Acht­sam­keit dafür schär­fen und stärken, das stei­gert die Zufrie­den­heit lang­fris­tig“, betont Höfer. Das erste Eis im Früh­ling, der erste Schnee im Winter hat einen anderen Effekt wie als x‑te Wie­der­ho­lung. „Ein bloßes Anein­an­der­rei­hen von Glücks­mo­men­ten macht nicht glück­lich“, gibt Höfer zu beden­ken.

Das unter­schei­det Glück von Geld: Es lässt sich nämlich nicht sum­mie­ren, auf­spa­ren und irgend­wann aus­ge­ben. Glück hat keine Min­dest­halt­bar­keit. Es will genos­sen werden. Sofort. Unver­dünnt.

Illus­tra­ti­on: Erich Tie­fen­bach

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