JUST-Redaktion|

Das Aben­teu­er Selbst­stän­dig­keit

Die Selbständigkeit ist das erklärte Ziel vieler Arbeitnehmer. Das macht sie zu einer der größten Herausforderungen und Abenteuer unserer heutigen Zeit.
Selbständigkeit als Abenteuer und Herausforderung unserer Zeit.
Selbständigkeit als Abenteuer und Herausforderung unserer Zeit. Illustration: Gernot Reiter.

Es wird bald jeder jeman­den kennen, der sich selbst­stän­dig gemacht hat. Gewinnt diese Para­phra­se einer geflü­gel­ten Pan­de­mie­pa­ro­le zumin­dest an dieser Stelle ihre Gül­tig­keit? Die Wahr­schein­lich­keit ist in den letzten drei Jahr­zehn­ten jeden­falls dra­ma­tisch gestie­gen. Finden sich in ein­schlä­gi­gen Wirt­schafts­kam­mer­sta­tis­ti­ken für das Jahr 1993 für Öster­reich noch 14.600 Unter­neh­mens­grün­dun­gen, klet­ter­te diese Kenn­zahl bis 2002 kon­ti­nu­ier­lich auf 25.800 im Jahr. Anno 2021 sollen es vor­läu­fi­gen Schät­zun­gen zufolge bereits 40.600 gewesen sein.

Reiz der Selb­stän­dig­keit

Viel­leicht waren nicht alle der Betrof­fe­nen bei ihrem Schritt in die freie Wild­bahn des Unter­neh­mer­tums Volon­tä­re – Stich­wort neue Selbst­stän­dig­keit. Womög­lich haben nicht alle aus voller Über­zeu­gung gehan­delt. Manche plagten unter Umstän­den berech­tig­te Zweifel oder über­trie­be­ne Ängste. Gerade während der ver­gan­ge­nen Corona-Monate hat sich ver­mut­lich der eine oder die andere Selbst­stän­di­ge in einem neb­li­gen Augen­blick sogar gefragt, ob ein Berufs­all­tag in einem ver­staub­ten Amt, das mono­to­ne Obst­schlich­ten im Super­markt oder der robo­ter­ar­ti­ge Schicht­dienst am Fabrik­fließ­band nicht auch eine attrak­ti­ve Daseins­form ist. Immer­hin wird in diesen Fällen am Bazar des Alltags Lebens­zeit gegen siche­res Gehalt, fixe Sozi­al­leis­tun­gen und ein warmes Büro ein­ge­tauscht. So monoton dieser Arbeits­trott auch sein mag: Er gibt ein Gefühl der Sicher­heit.

Nichts gegen diese Jobs, die den Alltag einer Gesell­schaft und ihre Volks­wirt­schaft am Laufen halten. Aber wer einmal den süßen Duft der Selbst­stän­dig­keit gero­chen hat, der kommt nur schwer wieder davon los. Wer selbst­be­stimmt war, der will das bleiben – wider aller Unsi­cher­heit, die an der beruf­li­chen Frei­heit und Unab­hän­gig­keit wie eine Klette zu kleben scheint.

Alles anders durch Covid-19

Ja, die Pan­de­mie hat vieles durch­ein­an­der­ge­wir­belt, Tage kopf­über in Raum und Zeit baumeln lassen, vie­ler­orts der Routine ihre Ori­en­tie­rungs­kraft gestoh­len. Aber gerade in solchen Situa­tio­nen ist unter­neh­me­ri­sches Denken gefrag­ter den je. Weil es mehr ist als nur ein Mittel, den eigenen Wohl­stand zu mehren. Weil es Hürden als Her­aus­for­de­rung begreift, weil es am Weg zu Lösun­gen sich auch durch Rück­schlä­ge nicht auf­hal­ten lässt.

Nicht dass Selbst­stän­dig­keit ein Virus, den Hunger und die Dumm­heit aus­rot­ten und damit die Welt retten kann. Aber sie ist jeden­falls ein wen­di­ges wie viel­sai­ti­ges Instru­ment, um Fehl­ent­wick­lun­gen zu kor­ri­gie­ren, neue Ideen in die Spur zu bringen und eine in den Seilen hän­gen­de Wirt­schaft wieder auf die Beine zu bekom­men. Weil Unter­neh­mer Ent­de­cker, Ent­schei­der und Erneue­rer sind. Und eifrig oben­drein. Da braucht man den müde dahin­schlur­fen­den Kalauer, man sei selbst­stän­dig, weil man selbst und ständig arbeite, erst gar nicht durchs Dorf prügeln. Wenn man sein eigener Boss bezie­hungs­wei­se seine eigene Chefin ist, bleibt kein Platz für Selbst­mit­leid und Ver­un­si­che­rung, weil es um Selbst­be­stim­mung und Ver­ant­wor­tung geht.

Des eigenen Glückes Schmied

Nir­gends gilt schär­fer, dass man seines eigenen Glückes Schmied ist, als im Aben­teu­er Selbst­stän­dig­keit, wo zwar keine Vor­ge­setz­ten Schat­ten werfen und die Sonne – wenn sie scheint – für einen allein scheint, es aber auch wackeln kann und bis­wei­len stür­misch ist. Kul­tu­ren, in denen man gern in festen Lagern und zuver­läs­si­gen Gegen­sät­zen denkt, mache das nervös, hat Autor Wolf Lotter einmal ver­mu­tet. Falsch liegt er damit nicht. In einer obrig­keits­hö­ri­gen Gesell­schaft, in der alles seine beam­te­te Ordnung, zumin­dest aber vor­sich­ti­ge Vor­schrif­ten und risi­ko­aver­se Regeln haben muss, ist zwar Platz für blü­hen­de Günst­lings­wirt­schaft – auf auto­no­men Wegen abseits der aus­ge­tram­pel­ten Routen durch Appa­ra­te und Insti­tu­tio­nen tut man sich aber recht schwer.

Wo Auf­ge­ben auf halber Strecke zum denk­mal­ge­schütz­ten Kom­pro­miss zurecht­ge­schminkt wird, sind Kon­flik­te viel­mehr vor­pro­gram­miert, wenn einer aus der Reihe tanzt und partout nicht nach­ge­ben will. So bleibt die Gefahr der Selbst­be­schä­di­gung und Selbst­aus­beu­tung Fix­be­stand­teil jeder Erfolgs­sto­ry. Auch weil Selbst­stän­di­ge nicht auf ein gewerk­schaft­li­ches Pro­porz­sys­tem der All­tags­ge­stal­tung pochen, wonach jeder Minute Arbeits­zeit eine Minute Frei­zeit gegen­über­ge­stellt werden muss. Anspruch auf Über­zah­lung bei Über­tre­tung inklu­si­ve.

Der Wunsch nach Balance

Betriebs­rät­li­cher Schnapp­at­mung kann an dieser Stelle Erste Hilfe geboten werden: Natür­lich ist das eine zyni­sche Zuspit­zung. Tat­sa­che ist aber, dass strenge Arbeits­zeit­re­gime über­schau­bar wenig Schnitt­men­ge mit krea­ti­ven Schaf­fens­pro­zes­sen und unter neh­me­ri­scher Selbst­stän­dig­keit haben. Ein apo­dik­ti­sches Gegen­über­stel­len von „Work“ hier und „Life“ da mit dem Ziel einer pari­tä­ti­schen „Balance“ ist den meisten Selbst­stän­di­gen fremd. Das hat nichts mit neo­li­be­ra­ler Roman­tik zu tun, sondern wehrt sich nur gegen die Ghet­toi­sie­rung von „Work“ als Asyl für alles Mühsame, Graus­li­che, Ent­behr­li­che bezie­hungs­wei­se als Kon­tra­punkt zum behag­li­chen, bunten Bil­der­buch namens „Life“.

Der­ar­tig scharf­kan­ti­ge Kon­tras­tie­run­gen wachsen sich zum Grund­pro­blem unserer Gesell­schaft aus. Was es brau­chen würde, wäre „Offen­heit im Denken, Mut beim Handeln und das Erken­nen von Mög­lich­kei­ten, wo andere immer noch auf die Befehls­aus­ga­be warten“. Auch dies­be­züg­lich muss man Wolf Lotter zustim­men. Es gehe darum die Initia­ti­ve zu ergrei­fen. Ein Wort, das vom latei­ni­schen „initium“ her­ge­lei­tet wird, was so viel bedeu­tet wie Anfang oder Beginn. Unter­neh­mer sind damit im aller­bes­ten Sinne Anfän­ger. Men­schen, die mit etwas begin­nen, was anderen zu schwer, zu unver­ständ­lich, zu neben­säch­lich oder zu gefähr­lich erscheint. Natür­lich kann das mühsam sein und unsi­cher. Aber Neues, Neu­gie­ri­ges und Inno­va­ti­ves schafft es eben immer nur in die Welt, wenn es sich im Wider­spruch zum Bestehen­den posi­tio­niert. Eine Bin­sen­weis­heit, deren Wahr­heit alle gesell­schaft­li­chen Wider­stands­nes­ter bestä­ti­gen. Egal, ob sie Puber­tät, Inku­ba­tor, Grün­der­zen­trum oder Start–up-Hub genannt werden oder ob es pro­zess­haft als „schöp­fe­ri­sche Zer­stö­rung“ bezeich­net wird.

Motor der Selbst­stän­dig­keit

Ange­trie­ben von Zuver­sicht und Zutrau­en ins eigene Tun, manch­mal auch ver­lei­tet von Hybris und Hyper­ak­ti­vi­tät stellen sich gerade junge Unter­neh­mer oft in Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on zu den besitz­stands­wah­ren­den und bis­wei­len ver­stei­ner­ten Insti­tu­tio­nen. Hoff­nung und Hurra-Spirit zer­schel­len an Büro­kra­tie und lahmem Prag­ma­tis­mus. Unter­neh­me­ri­sche Utopien ertrin­ken in einem Sumpf, in dem es nichts mehr zu ent­de­cken gibt, weil nicht mehr die Mög­lich­kei­ten unend­lich sind, sondern nur noch die Beschränkt­heit.

Zusam­men­stoß von Beruf und Beru­fung

Wenn dieses ermat­te­te Ver­wal­ten auf ehr­gei­zi­ges Vor­wärts­trei­ben trifft, knis­tert es. Manch­mal kracht es auch. Weil zwei Motive und Moti­va­ti­ons­wel­ten kol­li­die­ren: Da die, die ihre Arbeit maximal als Job ver­ste­hen, als Mittel zum Zweck – als eine Tätig­keit, die man auch als talen­tier­ter und halb inter­es­sier­ter Laie irgend­wie schafft und die man ansons­ten nicht an sich her­an­lässt. Dort jene, die das, was sie tun, nicht nur als Beruf, sondern als Beru­fung sehen – als eine Art schick­sal­haf­te Vor­se­hung. Ver­dammt dazu, mit Haut und Haar darin auf­zu­ge­hen, mit der tiefe innere Befrie­di­gung ver­spre­chen­den Mög­lich­keit, in der Arbeit sich selbst zu finden. Eine idea­li­sier­te Blau­pau­se für Selbst­stän­di­ge, weil sie zur Selbst­ver­wirk­li­chung führt.

Nach­ge­ben? Nein – auch weil zu viel am Spiel steht. Denn wenn es um die Grün­dung eines Unter­neh­mens geht, gilt Öster­reich immer noch als teures Pflas­ter. Laut einer Unter­su­chung des bri­ti­schen Ver­gleichs­por­tals money.co.uk liegt Öster­reich dies­be­züg­lich auf Platz 29 von 35 gelis­te­ten euro­päi­schen Ländern. So wurden die Kosten der Unter­neh­mens­grün­dung zu den durch­schnitt­li­chen Stun­den­löh­nen im jewei­li­gen Land in Rela­ti­on gestellt. Das Ergeb­nis: In Öster­reich braucht man drei Wochen, vier Tage, sieben Stunden und 16 Minuten, um die 2035 Euro bei­sam­men­zu­ha­ben. So viel kostet hier­zu­lan­de der Ein­stieg ins Unter­neh­mer­tum. Am teu­ers­ten ist es in Italien, wo man für die dort erfor­der­li­chen 3942 Euro elf Wochen, vier Tage und fünf Stunden arbei­ten muss. Am schnells­ten geht es in Groß­bri­tan­ni­en: Die umge­rech­net 14 Euro, die eine Unter­neh­mens­grün­dung kostet, hat man in unter ein­ein­halb Stunden ein­ge­ar­bei­tet. Da bleibt dann aus­rei­chend Zeit für den Fünfuhr­tee. Und in Öster­reich? Da treffen sich nach exakt 7 Stunden, 36 Minuten alle auf ein Bier. Und nörgeln. Ganz von selbst. Und ständig.

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